Interview mit Jan Theysen (KING Art Games): Wie finanziere ich mein Spiel erfolgreich über Kickstarter?

06.05.2013

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Kickstarter hat sich zu einer ernstzunehmenden Finanzierungs-möglichkeit für Computer- und Videospiele entwickelt. Egal ob kleine Indie Games für iOS, eine Android Konsole für 99 USD oder totgesagte Genres wie Adventures oder zuletzt Runden-Strategie. Sie alle finden ihre Unterstützer (im Kickstarter Jargon „Backer“ genannt) auf der Crowdfunding Plattform www.kickstarter.com. Doch wie sticht das eigene Spieleprojekt heraus aus der Masse an finanzierungswilligen Games, die mittlerweile auf Kickstarter um die Gunst der Backer buhlen? Wir haben nachgefragt bei KING Art Games aus Bremen, die kürzlich ihre Kickstarter-Kampagne zum Runden-Strategiespiel „Battle Worlds: Kronos“ erfolgreich abgeschlossen und dabei 260.235 USD eingesammelt haben.

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Jan Theysen, Co-Founder und Creative-Director bei KING Art

Unser Gesprächspartner ist Jan Theysen (34 Jahre), Co-Founder und Creative-Director bei KING Art. Was der Bremer Spieleentwickler im Verlauf der Kickstarter-Kampagne gelernt hat, welchen nicht zu unterschätzenden Aufwand eine erfolgreiche Kampagne erfordert und wie er die Chancen für Newcomer auf der Crowdfunding Plattform einschätzt, lest ihr in unserem Games-Career Interview.

Herzlichen Glückwunsch zur erfolgreichen Kickstarter-Kampagne für euer rundenbasiertes Strategiespiel „Battle Worlds: Kronos“! 260.235 USD habt ihr über Kickstarter eingesammelt. Das ursprünglich ausgegebene Finanzierungsziel lag mit 120.000 USD bei weniger als der Hälfte. Was waren deine ersten Gedanken nach dem Ende eurer Kampagne?

Jan: Der eigentliche „Wow-Moment“ war nicht am Ende der Kampagne. Der erste großartige Moment war etwa eine Stunde nach Anfang der Kampagne als wir merkten „Ok… die Backer kommen und es scheint Leute zu interessieren“. Der zweite großartige Moment war nach zwei, drei Tagen als klar war, dass wir es schaffen würden. Alles von da an haben wir als Bonus wahrgenommen.

Ich kann mir vorstellen, dass eine Kickstarter-Kampagne einige wichtige Basics (aussagekräftiges Video, …) erfordert, aber darüber hinaus aus unzählbar vielen Variablen besteht. Was sind eure wichtigsten Erkenntnisse aus der „Battle Worlds“- Kampagne? Sprich was würdet ihr bei einer nächsten Kampagne wieder genauso machen und was würdet ihr mit eurem jetzigen Wissen anders angehen?

Jan: Wir sind unterm Strich natürlich sehr zufrieden, wie die Kampagne gelaufen ist. Es war unsere erste Kampagne und wir haben mehr richtig als falsch gemacht. Sehr wichtig ist ein starkes Pitch-Video und man muss versuchen, in den ersten zwei bis drei Tagen so viel Aufmerksamkeit wie nur möglich zu generieren. In diesen ersten Tagen entscheidet sich, wie die Kampagne verlaufen wird. Das ist nicht die Zeit, um „etwas Cooles für später zurückzulegen“: Man muss Vollgas geben und seine besten Sachen zeigen. Die Leute wollen überzeugt werden und dafür hat man nicht Tage oder Wochen… man hat die ersten 15 Sekunden des Pitch-Videos.

Was wir nächstes Mal besser machen würden sind die Stretch-Goals (wir hatten zu wenige und die waren zu weit auseinander) und die Präsentation der Rewards. Wir hatten nicht die Zeit, alle Belohnungen gebührend zu präsentieren. Und natürlich ist es viel verlangt, Geld für eine Statuette oder etwas in der Art auszugeben, ohne sie vorher gesehen zu haben.

Kannst du grob beziffern wie viele Stunden ihr in die Kickstarter-Kampagne investiert habt und was für euch den meisten Zeitaufwand erfordert hat (Backer-Anfragen, PR-Arbeit, …)?

Jan: Während der 40-tägigen Laufzeit waren wir zu Dritt zu jeweils ca. 50 Prozent mit der Kampagne beschäftigt. Also circa 60 Manntage. Rechnet man alles was davor war und was jetzt noch kommt hinzu, landet man schnell bei 200 Manntagen. Eine Kickstarter-Kampagne ist EINE MENGE Arbeit.

Während die Kampagne läuft machen Backer-Anfragen und PR (vor allem Interviews) vielleicht 50 Prozent der Zeit aus. Der Rest geht für Updates, die Erstellung von Assets und organisatorische Dinge drauf… und das parallel zur normalen Arbeit.

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Battle Worlds: Kronos in all seiner Pracht!

Aus anderen Interviews habe ich mitgenommen, dass ihr Kickstarter als geeignete Finanzierungsmöglichkeit auch für zukünftige Spieleprojekte von King Art anseht. Wie schätzt du hingegen die Erfolgsaussichten von absoluten Newcomern ein? Also Teams die entweder frisch von der Uni kommen oder bisher nur kleine Projekte realisiert haben?

Jan: Ich denke, das hängt sehr stark vom Projekt ab. Wir sind ja international auch nicht wirklich bekannt. Niemand in Südamerika dürfte sich gedacht haben: „Wow! Das ist das neue KING Art Spiel! Das backe ich!“. Es geht zu 70 Prozent darum, die Backer zu begeistern und zu 30 Prozent darum sie zu überzeugen, dass man das Versprochene auch umsetzen kann.

Ich würde einem Newcomer-Team raten, nicht zu viel in ein Spiel zu stecken und nicht zu viel zu versprechen. Man sollte eine einfache Idee möglichst cool und glaubwürdig präsentieren. Im Pitch-Video geht es auch nicht darum, alle Facetten des Spiels zu erläutern. Man muss es eher wie einen Film-Trailer oder einen Werbespot sehen. Man muss die Backer emotional packen, sie müssen Lust auf das Spiel bekommen. Dafür hat man nur ein paar Sekunden Zeit. Diese Zeit sollte man nicht verschwenden.

Ihr beteiligt euch an der „Kicking it Forward“-Initiative. Kannst du kurz erklären was der Gedanke dahinter ist und wie es genau funktioniert?

Jan: Die Initiative wurde von Brian Fargo von inXile entertainment ins Leben gerufen. Die Idee ist, dass Entwickler, die erfolgreich Spiele über Kickstarter finanziert haben, anderen Entwicklern dabei helfen ebenfalls erfolgreich zu werden.

Fünf Prozent der Netto-Erlöse, die man mit einem Kickstarter finanziertem Spiel erwirtschaftet, werden in Form von Pledges zurück in die Kickstarter-Community gegeben. Dabei geht es wohlgemerkt nicht um fünf Prozent der eigenen Kickstarter-Einnahmen, sondern um das Geld, das man später einmal mit dem Spiel verdient. Würden wir 500.000 Euro mit „Battle Worlds: Kronos“ verdienen, würden wir 25.000 Euro davon in andere Kickstarter-Projekte stecken.

Während eurer Kampagne hast du dem Spieleclub Podcast ein ausführliches Interview gegeben. Dabei ging es auch um die Tatsache, dass viele Spieleentwickler über Kickstarter Budgets erlösen wollen, die zur Realisierung der skizzierten Projekte viel zu gering erscheinen. Hätten euch 120.000 USD genügt um das Spiel nach euren Vorstellungen umzusetzen?

Jan: Nein. Das Kickstarter-Geld alleine hätte nicht ausgereicht, um „Battle Worlds: Kronos“ zu finanzieren. Wir konnten etwa zwei Drittel des Geldes selber aufbringen. Der Kickstarter finanziert also nur etwa ein Drittel der ursprünglich geplanten Produktion, aber 100 Prozent der beiden erreichten Stretch-Goals.

Man darf auch nicht vergessen, dass nicht das gesamte Geld bei uns ankommt bzw. ins Spiel gesteckt werden kann. Nach Steuern, Kickstarter/Amazon-Payments-Gebühren und Abzug der Kosten für die Rewards bleiben nur circa zwei Drittel des Geldes für die Produktion übrig.

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Battle Worlds: Kronos präsentiert Rundenstrategie in zeitgemäßen Gewand

Sollten die „großen“ Kickstarter-Projekte bei Erscheinen nicht die Ansprüche der Spieler erfüllen, sehe ich die Gefahr, dass es spätere Kampagnen sehr schwer haben werden auf „Mainstream-Backer“ zuzugreifen. Ich selber zähle mich auch dazu und habe bisher nur Tim Schafer’s „Broken Age“, „Project Eternity“ und die OUYA gebackt. Welche Faktoren siehst du als Gradmesser an, ob sich Kickstarter auch langfristig als echte Finanzierungsmöglichkeit etabliert?

Jan: Dass große Projekte scheitern ist denke ich die größte Gefahr für Kickstarter. Dabei ist eher unwahrscheinlich, dass ein Spiel/Produkte überhaupt nicht fertig wird. Wahrscheinlicher ist, dass sie einfach nicht das gespendete Geld wert sind.

Die Backer werden vorsichtiger werden und nicht mehr so schnell und nicht mehr so tief in die Tasche greifen – und das ist gut so. Kickstarter ist eine großartige Möglichkeit, Spiele Realität werden zu lassen, die ansonsten nicht produziert werden würden.

Letztlich glaube ich, dass es funktionieren wird. Backer sind nicht dämlich und Entwickler auch nicht. Der Hype wird auf eine realistische Größe zusammenschrumpfen und am Ende werden sich gute Projekte durchsetzen.

Eine typische Games-Career Frage: Sucht ihr aktuell neue Mitarbeiter und welche Voraussetzungen müssen Bewerber mitbringen, um in euer Team zu passen?

Jan: Oh, ja. Wir suchen Programmierer (Allrounder und Backend), einen Junior-Producer, einen Technical 3D Artist und eine Bürokauffrau/mann.

Was die Voraussetzungen angeht, haben wir keine Checkliste. Man braucht eine Passion für Spiele und man muss etwas erreichen wollen. Und man muss in seinem Bereich gut sein, richtig gut. Die Anzahl von Mitarbeiter, die in den letzten 13 Jahren bei uns gekündigt haben, kann ich an einer Hand abzählen. Wir stellen nicht leichtfertig ein, wir feuern dafür aber auch nicht. Wir bieten nicht das schnelle Geld, dafür aber langfristige Perspektiven. Und wir haben noch einiges vor!

Zeit für schamlose Eigenwerbung: Welches Spiel, private Projekt oder sonstiges müssen unsere Leser einfach kennenlernen?

Jan: Die schamlose Eigenwerbung steht schon im letzten Absatz 😉 Darüber hinaus freuen wir uns natürlich über weitere Backer (man kann das Projekt noch immer unter www.battle-worlds.de unterstützen) und außerdem über Likes auf www.facebook.com/KingArtGames

Jan, vielen Dank für deine Zeit und die spannenden Einblicke in eure Erfahrungen mit Kickstarter. Mehr Informationen und Erfahrungswerte zu Kickstarter findet ihr bei den Kollegen von Making Games im KING Art Kickstarter-Tagebuch. Wir freuen uns auf das kommende Rundenstrategie-Revival mit „Battle World: Kronos“ an vorderster Front. Gleichzeitig teilen wir Jans Hoffnung, dass sich Kickstarter langfristig als Finanzierungsmöglichkeit für unabhängige Spieleentwickler etabliert. Wir glauben die Zeit ist reif dafür, was meint ihr?

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