BamS-Interview mit Gesundheitsminister Daniel Bahr: Sind Menschen, die nichts für ihre Gesundheit tun, selbst schuld, wenn sie krank werden?

DANIEL BAHR (35, FDP) läuft Marathon und ist seit gut einem Jahr Bundesgesundheitsminister. In BILD am SONNTAG spricht er über die Regierungspläne gegen den Krebs, Konsequenzen aus dem Transplantationsskandal, die richtige Gesundheitsvorsorge und die Lust am Laufen.

BILD am SONNTAG: Herr Bahr, Sie sind mit der jüngste und wohl auch fitteste Minister im Kabinett Merkel. Derzeit trainieren Sie für den Marathon am 30. September in Berlin. Wem wollen Sie was beweisen?

DANIEL BAHR: Mir selbst. Entscheidend beim Marathon sind Ausdauer und Willen, das Ziel zu erreichen.

Ihre persönliche Marathon-Bestzeit liegt bei 3:49 Stunden – nicht schlecht für einen Hobby-Läufer . . .

Es gibt Politiker, die schneller waren. Man braucht für eine gute Zeit viel Trainingszeit. Diese Zeit hat man aber als Politiker oft nicht. Im Moment wäre ich schon glücklich und froh, wenn ich es beim Berlin-Marathon ins Ziel schaffe.

Haben Sie Angst vor dem „Mann mit dem Hammer“, der ab Kilometer 30 die Beine schwer werden lässt?

Der Mann mit dem Hammer ist mir noch nicht begegnet. Viele Läufer machen den Fehler, dass sie nicht ausreichend trainiert sind und viel zu schnell loslaufen. Deshalb laufe ich nie ohne Pulsmesser. Normal ist für mich ein Puls von etwa 140. Wird der schneller, muss ich langsamer werden.

Ist Marathonlaufen überhaupt gesund?

Na ja, eher nicht. Aber mit gutem Training geht’s. Ich habe wegen zu geringen Trainings schon drei Marathonläufe abgesagt. Das war bitter, aber hier gilt: lieber nicht laufen, als sich untrainiert zu verausgaben.

Joschka Fischer hat beschrieben, wie ihm einst beim Laufen ein Friedensplan für den Nahen Osten eingefallen ist. Was geht Ihnen auf einem Langstreckenlauf so durch den Kopf?

Beim Laufen denke ich manchmal an Politik. Ich habe dabei schon Reden konzipiert oder auch manchen Ärger quasi abgelaufen. Danach bin ich viel entspannter.

Gerade arbeiten Sie an einer nationalen Präventionsstrategie. Welche Rolle spielt dabei der Sport?

Wir haben festgestellt, dass es vier wesentliche Ursachen für Volkskrankheiten gibt: Das sind mangelnde Bewegung und falsche Ernährung, neben Alkohol- und Tabakkonsum. Sport kann das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und mancher Krebserkrankung senken. Und es gibt sogar Diabetiker, die durch den Sport auf ihre Medikamente verzichten können. Das zeigt, es geht durch Eigenverantwortung.

Sind Menschen, die nichts für ihre Gesundheit tun, selbst schuld, wenn sie schneller krank werden, und sollte der Staat den Bürgern daher Zwangssport verordnen?

Nein, ich will aufklären und überzeugen. Nach den neuesten Zahlen sind in Deutschland viele Männer und Frauen übergewichtig. Das fängt oft schon in der Kindheit an. In den letzten Jahren hat die Anzahl übergewichtiger Kinder stark zugenommen auf jetzt 2 Millionen. Wir dürfen diese Entwicklung doch nicht einfach hinnehmen. Kinder haben eine natürliche Freude an Bewegung. Bei ihnen anzufangen lohnt sich.

Was muss passieren?

Wir wollen, dass Schulen, Sportvereine und Krankenkassen besser zusammenarbeiten. Die Sportvereine müssen an Schulen und gerade in Problemvierteln verstärkt Jugendliche ansprechen. Und die Krankenkassen sollen die Gesundheitsförderung in Schulen noch stärker anbieten.

Um Vorsorge geht es auch beim Nationalen Krebsplan, an dem Sie arbeiten. Kann der Gesetzgeber die Bürger zur Krebsvorsorge verpflichten?

Bei einem so sensiblen Thema darf es keinen Zwang geben. Der Nationale Krebsplan sieht vor, dass die Krankenkassen frühestens ab dem Jahr 2016 Männer und Frauen zur kostenlosen Früherkennungsuntersuchung für Gebärmutterhalskrebs und Darmkrebs einladen. Früherkennung kann helfen. Die Menschen sollen über Vorteile und auch Risiken der Früherkennung informiert werden und sollen sich dann in Absprache mit ihrem Arzt frei entscheiden können.

Zudem wollen Sie sogenannte Krebsregister gesetzlich verankern. Wie schnell geht das?

Das Bundeskabinett wird den Entwurf am 22. August beschließen. In allen Bundesländern müssen nach einheitlichen Standards die Behandlungsdaten bei Krebsfällen dokumentiert werden. Dann können aus diesen Daten neue Erkenntnisse zur Krebs-Bekämpfung genutzt und das Leben der Patienten verbessert werden.

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