Wärme- und Kältetherapien: Wir werden grad Gesund

Teaser-Bild

All denen, die in diesen Tagen immer wieder bibbernd aufs Thermometer schauen, sei zum Trost gesagt: Jede Temperatur hat ihren Reiz. Zumindest aus medizinischer Sicht. In BILD am SONNTAG erklären Experten, wie Kälte und Wärme als Therapie genutzt werden, und welche Patienten davon profitieren.

Wie reagiert unser Körper auf Minusgrade?

„Die Gefäße in Haut, Händen und Füßen ziehen sich zusammen und werden geringer durchblutet. Hält die Kälte länger an, ziehen sich auch die Muskeln rhythmisch zusammen, was Wärme produziert. So entsteht das Kältezittern“, sagt Prof. Andreas Michalsen, Leiter der klinischen Naturheilkunde am Immanuel Krankenhaus Berlin.

Wie ist es möglich, Kälte therapeutisch zu nutzen?

Prof. Michalsen: „Sie entzieht dem Körper überschüssige Wärme, drosselt Stoffwechselvorgänge und Entzündungsprozesse. Dieser Umstand wirkt zum Beispiel fiebersenkend und wird bei kalten Wickeln genutzt. So funktionieren auch das Eis-Pack bei Wespenstichen, der Essig-Zitronenumschlag bei Halsschmerzen, der Quarkwickel bei Stillproblemen. Kältereize wirken immer auch betäubend und damit schmerzlindernd und abschwellend, indem sie die Nervenleitgeschwindigkeit herabsetzen.“

Bei welchen Beschwerden kommt Kältetherapie noch zum Einsatz?

Kirsten Sonnen vom Physiotherapiezentrum am Bundesplatz, Berlin: „Häufig im Akut-Fall wie nach Unfällen, im Sport nach Prellungen, Quetschungen oder Verstauchungen.“

Was ist eine Kältekammer?




Dr. Elke Neuendorf, Sportmedizinerin am Olympiastützpunkt Berlin: „Sie besteht aus drei durch Stickstoff gekühlten Kammern von minus 10, minus 60 und minus 110 Grad. Unter Beobachtung bleibt man bis zu insgesamt drei Minuten drin, trägt Sport- und Handschuhe sowie einen Schutz für Mund, Nase und Augen, um Kältebrand zu vermeiden.“

Wer geht freiwillig in diese Eiseskälte?

Dr. Neuendorf: „Sportler nutzen sie nach harten Trainingseinheiten bei Überlastungen des Bewegungsapparates und zur Regeneration. Der Laktat-Spiegel nach Muskelarbeit sinkt dann zum Beispiel schneller. Am häufigsten wird die Kältekammer in der Klinik von Rheuma-Patienten im akuten Stadium genutzt. Wer Bluthochdruck hat, sollte die Kammer aber meiden.“

Die Kneipp-Therapie setzt auf den Wechsel von Warm und Kalt. Was kann sie bewirken?

Prof. Michalsen: „Regelmäßig morgens und abends angewendet, können Wechselgüsse oder Wechselduschen die Durchblutung und die Immunabwehr anregen. Unter ärztlicher Aufsicht zusammen mit anderen Maßnahmen wie Bewegung und Gewichtskontrolle trägt sie zur Blutdrucksenkung bei.“

Wie wirkt Wärme allein auf unseren Körper?

Prof. Michalsen: „Wärme von außen dringt nur wenige Zentimeter bis in die Haut und zur Muskulatur vor. Hier weiten sich die Gefäße, die Durchblutung steigt. Die Temperatur der inneren Organe bleibt selbst in der Sauna fast unverändert. Eine Wärmflasche auf dem Bauch wärmt also nicht Magen oder Darm, sondern nur Haut und Unterhautgewebe in diesem Bereich. Das entspannende, wohlige Gefühl und das Nachlassen von Schmerzen kommt daher, dass unser Nervensystem über Wärmerezeptoren verfügt.“

Bei welchen Erkrankungen kann Wärme helfen?


Prof. Michalsen: „Vor allem bei chronischen Beschwerden wie Rückenschmerzen, Nackenschmerzen, Muskelverspannungen oder Spannungskopfschmerzen und bei chronischen Rheuma- und Arthrosebeschwerden, allerdings nicht im akuten entzündlichen Stadium.“

Welche Behandlungsmethoden, die auf Wärme setzen, gibt es?

Prof. Michalsen: „Alte Hausmittel wie die Wärmflasche, heiße Fuß- oder Vollbäder, feuchtwarme Wickel oder Umschläge, auch mit Zusatz von Ingwer, Senf oder Bockshornklee. Zudem Dinkel- oder Kirschkernkissen bis hin zu physiotherapeutischen Anwendungen wie Fango, Moor-Packungen und Infrarotlicht, die betroffene Körperteile oder den ganzen Körper erwärmen. Auch Schwitzkuren wie das Saunieren zählen zur Thermotherapie.“

Was ist eine Fango-Packung?

Kirsten Sonnen: „Ein im Naturmoor gewonnener, fein gemahlener Schlamm aus Tonerde, Kieselsäure, Mineralien und angereicherten heilenden Substanzen. Als Packung wird er auf einen etwa 58 Grad heißen Wärmeträger gelegt, sodass die Wärme langsam aufsteigt. Die Fango-Wirkstoffe dringen dann ins Gewebe ein. Danach sollte man etwas ruhen, um die Wirkung zu verbessern. Wärmetherapie wirkt gut vor oder nach einer Physiotherapie oder Massage.“

Teaser-Bild

Wie hilft Infrarotlicht?

Kirsten Sonnen: „Die Wärme entsteht praktisch hautkontaktfrei durch Infrarotstrahlen, die das Körpergewebe langsam erhitzen. Für den Hausgebrauch gibt es auch Rotlicht-Tischlampen, die man bei leichten Schmerzen aller Art anwenden kann. Sie können zudem bei beginnenden Erkältungen helfen, zum Beispiel durch Bestrahlung der Nasennebenhöhlen. Man sollte den vom Hersteller genannten Abstand zur Lampe beachten, sonst drohen Verbrennungen.“

Kann man auch ein künstliches Fieber auslösen?

Prof. Michalsen: „Ja, durch die Ganzkörper-Hyperthermie mithilfe von Infrarotlicht-Wärmeliegen, die tiefere Körperschichten erwärmen. Diese etwa 30-minütige Therapie kann zum Beispiel bei rheumatischen Erkrankungen wie Fibromyalgie oder auch bei Reizdarm helfen.“

Stimmt es, dass Saunagänge die Gesundheit fördern?

Prof. Michalsen: „Ja, die Anfälligkeit für Infekte wird gesenkt. Schon ein Saunagang pro Woche reicht dafür.“

Wie sauniere ich richtig?

Prof. Michalsen: „Anfänger können zum Beispiel mit der Biosauna, die nur 55 Grad Celsius hat, beginnen und sich dann zur Finnischen Sauna mit 90 bis 100 Grad steigern. Wichtig ist das Abkühlen vor der Ruhezeit. Es muss nicht gleich das Tauchbecken sein. Mit dem Wasserschlauch von den Füßen beginnend nach oben gewöhnt man sich nach und nach an die Kältereize. Bei akuten Infekten sowie bei instabilen Herzerkrankungen sollte man die Sauna meiden!“

PS: Sind Sie bei Facebook? Werden Sie Fan von BILD.de-Lifestyle!

BILD Deals: Hier gibt es jede Menge Schnäppchen und Rabatte!