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Dumm, dümmer, am dümmsten: Idiotenrepublik Deutschland: Halten uns die Parteien im Wahlkampf für Deppen?
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Wahlkampf Peer Steinbrück (SPD)
dpa Idiotenrepublik Deutschland? Halten uns alle Parteien im Wahlkampf für Deppen?

Uns Deutschen geht es gut: Wir leben in einmaligem Wohlstand, in Freiheit, in einer Demokratie. Das verleitet die Politiker dazu, uns im Wahlkampf für dumm zu verkaufen. Die Parteien setzen uns allesamt geistige Schonkost vor. Warum eigentlich?

Halten uns die Parteien, alle Parteien, für Deppen? Es scheint so, wenn man sich die Wahlplakate landauf, landab anschaut. Dumm, dümmer, am dümmsten. Ich verzichte auf wörtliche Zitate oder genaue Bildbeschreibungen. Am allerdümmsten sind Plakate, auf denen nur das Gesicht der bekannten oder bekannt(er) zu machenden Kandidaten gezeigt wird – mit dem Zusatz „In den Bundestag“. Warum den oder die und nicht diesen oder jene? Sollen wir nur zwischen Fotos wählen? Als wäre Politik nur Schau oder ein Schönheitswettbewerb. Schönheit? „Da schweigt des Sängers Höflichkeit.“

Doch Schönheit ist ohnehin keine politische Größe. Nein, das alles kennzeichnet nicht nur bundesdeutsch-demokratische Wahlkämpfe. Es kennzeichnet wohl alle Wahlkämpfe in (nahezu) allen Wohlstands-Demokratien der Welt. Womit wir beim faktisch Guten des scheinbar Schlechten wären: Die Deutschen, wir, leben, global und geschichtlich betrachtet, in einmaligem Wohlstand, und wir leben in einer Demokratie, in echter Freiheit.

Grundsatzkontroversen gibt es nicht


In Diktaturen gibt es keine echten, freien Wahlen. Unsere Wahlen sind echt und frei. Sie sind, bezogen aufs Personal und nach Vorauswahl in der jeweiligen Partei, frei für die Allgemeinheit. Sie sind es auch bezogen auf die Inhalte, wenngleich viele Inhalte trotz wechselseitiger Wortschlachten deckungsgleich sind. Das spricht keineswegs gegen unsere Parteien und schon gar nicht gegen unsere Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur, denn es beweist eine breite Grundübereinstimmung im Grundsätzlichen.

Es beweist nicht zuletzt: Die meisten Bundesbürger sind mit unserem Gemeinwesen grundsätzlich zufrieden. Gewiss, gemeckert wird immer, und nie ist man individuell oder kollektiv absolut zufrieden. Doch Grundsatzkontroversen, gar bürgerkriegsähnliche Gefahren oder Zustände gibt es bei uns, anders als bei anderen, nicht. Auch deshalb ist ein Wahlplakat noch inhaltsloser als das andere.

Versprochen wird viel, gehalten wenig


Und dennoch: Es gibt Unterschiede, große Unterschiede, zwischen den Parteien, weil es, gottlob, keine Einheitspartei gibt, wir keine Einheits(brei)gesellschaft sind und keinen Einheitsbrei denken oder wollen. Die Wahlplakate vermitteln den gegenteiligen Eindruck.

Alle präsentieren sich vor allem als „sozial, gerecht, sicher, kompetent ökonomisch und ökologisch, friedlich, bildungsfreudig“, bedienen die Klischees und Buhmänner-Vorurteile ihrer erhofften oder bekannten Klientel und blablabla. Den Wählern Leistungen zu liefern, versprechen alle. Versprochen wird viel, gehalten werden kann wenig. Das wissen Wähler und Gewählte. Trotzdem immer wieder das gleichdumme Als-ob-Spielchen.

Plakataussagen der Parteien besagen nichts


Wer aber fordert oder fördert Leistungen? Unsinn, kontert jeder. Weshalb? Wenn wir nur Leistungen versprechen, also das noch bessere und schönere, das absolute Schlaraffenland, wird das real existierende, relative Schlaraffenland Deutschland überfordert und langfristig ein Pleiteland Deutschland. Wer nichts sagt, hat nichts zu sagen. Die Plakataussagen der Parteien besagen nichts.

Haben uns also die Parteien nichts zu sagen? Oder wagen sie keine klaren Aussagen, weil man uns, den Wählern, keine klaren Aussagen zumutet. Mutet man sie uns nicht zu, weil Klarheit und Wahrheit unserer weichgespülten Gesellschaft unzumutbar und unzumutbar, weil möglicherweise unerfreulich wären? Und wenn nicht unerfreulich, dann unverständlich? Und wenn uns unverständlich und nur den Parteien verständlich, hält man uns dort für dumm, für Deppen? Leben wir also in der Deppenrepublik Deutschland?

Dumm sind immer nur die anderen


Natürlich nicht, antworten alle. Klar. Dumm sind immer nur die anderen, nicht wir, nicht ich. Warum setzen dann aber alle Parteien allen Wählern die gleich geistige Schonkost als Nulldiät vor? Das sei wie in der Werbung, meinen wohl manche. OK. Das aber bedeutet, dass es zwischen Waschmitteln, Schokoriegeln, Gummibärchen und Politik keinen Unterschied gäbe. Und wenn das alles nicht nur für die bundesdeutsch demokratische Republik, sondern für alle Demokratien gilt, stellt sich langfristig die Frage nach dem gedanklich intellektuellen Unterbau des demokratischen Überbaus.

Und wenn, historisch unbestreitbar, immer mehr Menschen gerade in den Demokratien formal besser ausgebildet sind als noch vor Jahrzehnten und nur durch dummes Zeug gewonnen werden können, also letztlich dumm bleiben, stellt sich die Frage nach der Quantität und Qualität der vermittelten Bildung. Ist unser relatives Schlaraffenland nur auf Sand gebaut? Sind oder werden wir die Depppenrepublik Deutschland? Zeig‘ mir deinen Wahlkampf, und ich sag‘ dir ‘was über das Niveau deines Landes.

Prof. Dr. Michael Wolffsohn ist Historiker an der Bundeswehruniversität München. Er ist zudem Autor u.a. von „Wem gehört das Heilige Land?“ und „Juden und Christen“.

Homepage des Autors: www.wolffsohn.de

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