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Dreizank statt Dreiklang: Brüderle, Trittin und Gysi im Körpersprachen-Check
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TV-Dreikampf zur Bundestagswahl
Foto: Max Kohr/ARD Gregor Gysi (Die Linke), Rainer Brüderle (FDP) und Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen) diskutierten gestern beim TV-Dreikampf der Spitzenkandidaten im Berliner ARD-Studio
  • FOCUS-online-Experte

Der eine schlug um sich, der andere blühte auf, der dritte lächelte wissend – die Fraktionschefs von FDP, Grünen und der Linken zeigten eine ausgeprägte Mimik und Gestik im gestrigen TV-Dreikampf – und gaben damit einiges von sich preis.

Sie hatten es wirklich nicht leicht diese drei Herren, die sie die Nachhut des Sonntags-Duells spielen mussten. Ich bin mir sicher, insgeheim hätte sich der Eine oder Andere von ihnen gewünscht, zu einem solchen Sonntags-Duell eingeladen worden zu sein. Nun war es der TV-Dreikampf am Montag, in dem sich die Fraktionschefs der Grünen, der FDP und der Linken gegenüberstanden.

Als Streitgespräch angekündigt erfüllte die TV-Stunde mit den drei Vollblutpolitikern Gysi, Brüderle und Trittin alle Erwartungen. „Giftig und kontrovers“ – im Dreikampf ging es, so schien es, im Grunde genommen nicht um die Inhalte wie Finanzen, Löhne oder Wirtschaft. Nein, vielmehr hatte die Sendung Züge eines Politikercastings.

Wer ist laut genug und kann die Anderen übertönen? Wer kann am überzeugendsten bei Angriffen (trotzdem) lachen? Wer kann auf Zuruf sofort die erforderliche und erwartete Ernsthaftigkeit eines Politikers spielen? Wer schafft es als Erster und am effektivsten, dass die Moderatoren sich wegdrehen und mit sich selbst beschäftigen?

Brüderle – der Vollblutpolitiker, der Unterstützung braucht


Brüderle als Vollblutpolitiker, lauert gleich zu Anfang mit leicht zur Seite geneigtem Kopf auf seine Chance. Um dann, sobald nur der Blick des Moderators ihn trifft, loszulegen. Wie auf Kommando kräuselt er seine Stirn, senkt den Kopf wie zum politischen Angriff, schlägt gelegentlich ganz überraschend mit Zeigefingern und Handkanten gegen Gysi gerichtet um sich. Ihm geht es offensichtlich noch vor jedweder verbalen Äußerung um sofortigen nonverbalen Nachdruck. Nachdruck vor Eindruck, könnte man meinen.

Dabei lächelt er (hinter-)listig an Stellen, wo man sein Lächeln wirklich nicht verstehen kann. Im Verlauf des Streitgesprächs scheint es, als würde ihn seine Energie verlassen. Bemüht trotzdem noch kraftvoll zu wirken, wandeln sich seine Fäuste in eher kraftlose Fäustchen. Seine Gestik, gebremst durch die verspannten Schultern, wirkt weniger ausladend, ziellos und hilflos. Schließlich stolpert er über seine eigenen Worte und seine Stimme. Brüderle scheint ein Vollblutpolitiker zu sein, der auf die Unterstützung anderer angewiesen ist.

Gysi – der rhetorische Fuchs


Gysi als rhetorischer Fuchs liebt solche Streitgespräche. Sie sind sein Metier, in dem er sich wohlfühlt und aufblüht. Mit seinem gleich zu Anfang gezeigten direkten und offenen Blick in die Richtung seines jeweiligen Gegenübers scheint er ein Erfolgsrezept unter Beweis zu stellen, wie man Menschen erreichen kann. Sein Blick wieselt hin und her. Seine stimmliche Modulation unterstreicht die rhetorische Brillanz. Alles scheint so leicht, so locker zu gehen. Wach und präsent in Kampfesstellung bringt ihn auch keine der zahlreichen unterbrechenden Anfeindungen aus der Ruhe.
Wenn da nicht dieser gelegentlich durchschimmernde lauernde Blick wäre. Diese plötzlich über sein Gesicht huschende Ernsthaftigkeit, wenn er sich für einen Moment von den beiden Kontrahenten abwendet.

Gysi ist um die Menschen bemüht, sagt er und meint es offensichtlich auch. Er kämpft für die Menschen. Er wirbt um die Menschen. Er erreicht die Menschen. Und, so scheint mir, spürt vielleicht eine tiefe Einsamkeit darüber, was die Menschen mit ihm machen oder gemacht haben. Redet er doch manchmal auch so, als würde er in sich selbst suchen.

Trittin – der Charmeur


Trittin, der Große (unter den Dreien), unterscheidet sich gleich zu Anfang durch seine Art zu lächeln. Er lächelt gewinnend, offen und doch ein wenig entrückt. Die Bewegung seiner Augenlider ist etwas zu lange, zu nachdrücklich, als müsste man sich fragen, was wohl diese Botschaft bedeuten mag. Der verlangsamte Lidschlag trägt Züge einer lockenden Einladung. Trittin will die Zuschauer gleich zu Anfang auf eine für ihn typische Art gewinnen und einnehmen. Er ist ein Charmeur. Er ist ein Politiker, der um seine Wirkung weiß. Unmissverständlich. Und Trittin ist ein Beau.

Deutlich und stark (selbst-)kontrolliert spricht er mit einer so seltsam anmutenden unterbrochenen Betonung. Gelegentlich begleitet durch eine kurze, heftige, ruckartige Kopfbewegung. Dabei wirkt er im späteren Verlauf des Gesprächs wie außer Atem.

Der Fraktionschef der Grünen zeigt eine oftmals zu intensive Mimik, die man nicht (gleich) versteht. Er lächelt eher in sich hinein, den Mund für Sekunden wie ein Kussmund gespitzt und den Redefluss bewusst verlangsamt. Er steht aufrecht und fest, ist aber nicht gut im Kontakt mit Gysi und Brüderle. Gelegentlich, wenn die beiden miteinander reden, steht er gestikulierend da, mimt (zu) nachdrücklich die Teilnahme in der Dreierrunde, lächelt wissend und wirkt für Sekunden wie abgekoppelt – aber rhetorisch nicht ungefährlich.

Ulrich Sollmann arbeitet als Coach und Berater mit Führungskräften und Politikern. Er ist Medienexperte für Körpersprache und nonverbale Kommunikation, Buchautor und betreibt einen Blog. Zudem leitet Sollmann eine körperpsychotherapeutische Praxis in Bochum.

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