mymuesli

Mymuesli im Interview mit Diedurchstarter

Das 2007 gegründete Müsli-Startup Mymuesli dürfte mittlerweile jedem ein Begriff sein. Florian Janker von Diedurchstarter (www.diedurchstarter.com) – das Projekt stellt wöchentlich einen neuen Gründer vor und will somit bestehende und zukünftige Unternehmer motivieren – befragte den Gründer Max Wittrock in einem 30-minütigen Interview einmal ausführlicher. Auszüge des Hör-Beitrages finden sich in diesem Artikel.

Hallo Max, stell dich bitte ganz kurz vor! Wer bist du? Was machst du?

Hi, vielen Dank, ich bin Max, einer der drei Gründer von Mymuesli.com. Ich habe das Startup zusammen mit meinen Studienfreunden Philip und Hubertus am 30. April 2007 gegründet. Wir sind immer noch zu dritt voll operativ in diesem Startup drin und ich kümmere mich um die Öffentlichkeitsarbeit und um das Rechtliche.

Um Mymuesli.com besser zu verstehen, würde ich von dir jetzt gerne einen kurzen zwei Minuten Elevator Pitch hören!

Ich glaube oder hoffe, dazu brauche ich keine zwei Minuten. Bei Mymuesli.com kannst du dir dein individuelles Bio-Müsli zusammenstellen. Das bedeutet, du klickst dir online aus rund achtzig Zutaten ein Müsli zusammen.



Das ergibt mehr als 566 Billiarden verschiedene Kombinationsmöglichkeiten. Wir schicken dir das Müsli dann nach Hause oder ins Büro. Das Angebot Mymuesli haben wir in den letzten Jahren noch ein bisschen ergänzt.

Es gibt zum Beispiel noch ein Saftorangen-Abo, unter O-Saft.de, und es gibt auch von uns sogenannten Single Finca Kaffee. Also Kaffee, der fair gehandelt von den besten Finkas der Welt kommt – auf greencupcoffee.de. Das sind so die Projekte, die wir im Moment verfolgen und gerade ist Tee dazu gekommen. Das Produkt heißt „Tree of Tea“. Damit ist also ein Premium-Frühstück mit unseren Produkten schon zu einem kleinen Teil abgedeckt.

Mich interessieren die 566 Billiarden Varianten. Wie viele verschiedene Varianten habt ihr schon verkauft?

Für uns war eine der interessanteste Frage, ob sich vielleicht eigentlich alle das gleiche Müsli bestellen. Es hätte sein können, dass alle eigentlich nur auf das perfekte Mango Müsli gewartet haben. Man könnte tippen, dass sich 90 Prozent auch so eins machen. Wir haben mal kurz zwei bis drei Jahren nach dem Start 100.000 Bestellungen analysiert und festgestellt, dass nur 42-mal ein identisches Müsli bestellt worden ist. Das fanden wir ziemlich spannend, dass diese große Müsli-Variation komplett ausgenutzt wurde, das heißt, es gibt wirklich eine Nachfrage nach so vielen individuellen Müsli-Mischungen.

Ich habe in einem Bericht über Mymuesli gelesen, dass ihr ein Fragenbogen ausgegeben habt, um eure Idee zu validieren. Was ist da rausgekommen?

Ganz ehrlich, dieser Fragenboden hat keinen akademischen Anspruch. Wir wollten ein bisschen abtasten, wie unsere Freunde und Freundesfreunde zum Thema Internet und Lebensmittel stehen. Tatsächlich null Prozent der Befragten haben gesagt, dass sie bereit wären, ein Müsli oder Lebensmittel online zu kaufen. Fast hätte uns das Ergebnis schon davon abgehalten.

Zum einem ist das spannend, zum anderen muss man ein bisschen vorsichtig sein, wenn man den Leuten ein Produkt nahe legen will, das überhaupt noch nicht existiert; nämlich Müsli online bestellen. Das konnten sie sich erst mal nicht vorstellen, aber sobald es eine Webseite gibt mit einem fertigen Produkt und die Leute sehen, wie es aussiehst, wie andere Leute gut darüber reden, dann ist das etwas völlig anderes.

Gab es auf dem Weg einen wirklichen Rückschlag?

Gott sei Dank hatten wir nie einen riesigen Misserfolg oder Rückschlag, aber es waren viele dieser kleinen Sachen, als wir zum Beispiel nur von einem Zulieferer abhängig waren und die Waren nicht kamen, aber 2.000 Leuten ihre Müslis bestellt hatten. Wir mussten in die Logistik viel Zeit investieren, vor allem Zeit, aber Zeit hatten wir eigentlich nicht, weil wir so viele andere Sachen machen mussten. So gibt es diese kleinen Sachen, von diesen man aber viel lernt.

Kannst du ein Beispiel genauer erläutern und was du daraus gelernt hast?

Ganz Bio-Deutschland hat auf einen Container mit getrockneter Ananas gewartet und wir waren davon wirklich abhängig. So, was sollten wir nun machen? Die Müsli musst du raus schicken und die Ananas weglassen. Wir mussten ein Entschuldigungsschreiben und einen kleinen Gutschein beilegen. Denn die Frage, die wir uns stellten „Wollen die Kunden lieber Müsli haben? Oder wollen sie lieber bis nach Weinachten warten und dann das Ananasmüsli erst bekommen?“

Und was haben wir daraus gelernt? Was man an operativer Komplexität unterschätzen kann und dass man mehr Bezugsquellen braucht. Sagt sich jetzt leicht, aber damals waren wir nicht so groß. Es war nicht so, wenn du einfach ein kleiner Müsli-Versender bist, dass du jeden Großhändler einfach anrufen kannst oder bei jener Ananas-Plantage… und sagen kannst „Hallo ich bin dran, liefer mir mal“. Also was wir daraus gelernt haben, ist, dass man Logistik nicht unterschätzen darf, aber dass man hinterher immer schlauer ist.

Eins es ist unser wichtigstes Mantra. Es ist leicht, in Retrospektive zu sagen, das haben wir schlecht gemacht. Aber das kennt jeder, dass man aus einer Situation heraus eine Entscheidung treffen muss. Hier in Ruhe so im Sessel ist es immer leicht, aber wir haben einfach gemerkt, man muss es einfach so machen oder man muss eine Entscheidung treffen und das hat bis jetzt ganz gut funktioniert.


Wie war das Feedback der Kunden?

Das zweite Mantra ist, dass du es einfach nicht jedem recht machen kann. Die Kunden sagten – natürlich völlig nachvollziehbar – „Warum habt ihr uns nicht einzeln geschrieben?“ Wir sagten, wir hatten einfach keine Zeit. Jemand kann sagen, es war ein Minus, aber man darf nicht vergessen, dass wir keine Mitarbeiter hatten, wir hatten uns um unsere Produktion selbst gekümmert. Du musst einfach super schnell reagieren. Das Erfolgsrezept von Mymuesli ist, dass wir einfach schnell eingreifen konnten und jetzt in der Logistik ein großartiges Team haben, das ziemlich gut funktioniert.

Was war das größte Hindernis, um das Projekt überhaupt zu starten?

Wir haben insgesamt nur ungefähr 3.500 Euro investiert. Man muss hier aber vorsichtig sein, denn das heißt glaube ich nicht, dass man jedes beliebige Business mit 3.500 Euro starten kann. Aber was man natürlich nicht vergessen darf, und das war tatsächlich eine große Hürde – wenn du eine Website brauchst, damit die Kunden bestellen können, dann muss diese Website auch jemand programmieren. Jetzt hatten wir das große Glück, dass Hubertus erstens unglaublich lernfähig ist.




Er konnte schon programmieren, aber viele Sachen wie Datenbankprogrammierung und bestimmte PHP-Sachen, die konnte er noch nicht, aber er hat sich das dann einfach selber beigebracht. Er war ein bisschen früher mit dem Studium fertig und hat tatsächlich alleine im stillen Kämmerlein diese komplette Website geschrieben. Das hat natürlich irre viel Geld gespart und das Ganze war auch super flexibel. Er sagt manchmal, er würde das so nicht mehr machen, weil natürlich auch ein paar Fehler drin waren, dann hat sie nicht auf dem Internet Explorer funktioniert…

Aber die Website und die IT war am Anfang tatsächlich eine große Hürde. Das zweite – du kannst ein Lebensmittel nicht einfach zuhause produzieren. Das ist jetzt nicht so, dass wir in der WG-Küche da Müsli zusammen gemischt hatten, sondern du musst wirklich eine Produktion bieten. Das hängt zum Beispiel damit zusammen, dass, wenn du von den Lebensmittelbehörden kontrolliert wirst, dass die dazu haben, was bei Privaträumen nicht so einfach ist.

Das war auch gar nicht so leicht, einen Vermieter zu finden, der uns für ein Müsli-Adventure etwas zur Verfügung gestellt hat. Wir haben halt etwas sehr Kleines genommen und konnten ihn davon überzeugen, dass wir es wirklich ernst meinen. Insofern gab es gerade bei der Planung schon einige Hürden, aber da wir in dem Alter keine Familie ernähren mussten, eine teure Wohnung zu erhalten hatten oder bald wieder in den Urlaub fahren „mussten“, und dadurch waren wir so fokussiert, dass im Nachhinein diese ganzen Sachen riesengroß erscheinen, aber in der Situation haben wir es einfach gelöst, wenn man das so sagen darf.

Gab es einen Moment, an dem ihr euch als Gründer gesagt habt: „Jawohl, wir haben es geschafft!“?

Also ehrlich gesagt, als wir online gegangen sind und dann kamen in der Nacht die ersten Bestellungen, haben wir gedacht, wir haben es geschafft. Als die ein paar Wochen später gelieferten Packungen ausverkauft waren, und wir nicht mehr liefern konnten und die Leuten trotzdem bestellten, auch wenn es bis zu sechs Wochen Wartezeiten gab…

Also du kannst die nächste Plateauphase nicht vorhersagen und ich glaube, es ist ganz wichtig, wenn jemand etwas gründet, dass das man nicht sagt: „So, in einem Jahr habe ich zehn Millionen auf meinen Konto“, denn Reichtum und finanzieller Erfolg dürfen am besten gar keine oder nicht die wichtigsten Faktoren für die Gründung sein. Bei uns haben wir uns über jeden kleinen Erfolg so gefreut, als wäre es der Lottogewinn. Ich glaube, das ist auch ein Motivations-Geheimnis von uns.

Ihr habt seit 2012 auch Offline-Shops – eine gute Möglichkeit, direkten Kontakt zu den Kunden zu haben. Habt ihr diese Art von Verkauf deswegen angeboten?

Also, diese Läden müssen in sich profitabel sein, das heißt, sie sind „nicht nur“ Marketing-Tools, sondern tragen natürlich ebenfalls dem Profit bei. Da wir ohne Risikokapital operieren und für unsere Mitarbeiter verantwortlich sind, müssen wir darauf achten, dass in all unseren Tätigkeiten die Nachhaltigkeit gegeben ist, das heißt: 1. Die Läden müssen Gewinn bringen und 2. erreicht man durch einen Offline-Laden, wie du schon angesprochen hast, ein ganz neues Kundensegment.

Es ist überraschend, wie viele Leute heutzutage bereit dazu sind, sich Lebensmittel online zu bestellen, was wohl daran liegt, dass E-Commerce immer populärer und vertrauenswürdiger wird. Andererseits gibt es aber auch viele, die sagen: „Naja, Lebensmittel sind beratungsintensiv, da möchte ich vorher gerne kosten und ein paar Fragen stellen.“ Wenn man diese Läden dann mit dem Onlineshop gut kombiniert und deine customer journey geht weiter, zum Beispiel mit einer Kundenkarte, auf welcher gespeichert ist, welches Müsli man als letztes (online bestellt) hatte, weiß man dieses auch gleich im Laden und kann persönlich angepasste Angebote vertreiben.

Es gibt da ganz viele Gestaltungsmöglichkeiten und wir stehen da auf jeden Fall noch am Anfang. Aber On- und Offline hier miteinander zu verknüpfen ist unsere große Herausforderung für die nächsten Monate, denn uns gibt es mittlerweile auch in vielen Supermärkten.

Ok, das heißt, in den Supermärkten bietet ihr die fünf gängigsten Sorten an, sowie klassisches Müsli?

Also, auf fünf Sorten kann sich unser Müsli nicht einschränken, weil wenn du mit 566 Billiarden anfängst, hast du natürlich schon den Anspruch, echt viele Varianten abzudecken. Klar, wir müssen uns dann vielleicht auf 20 oder 30 beschränken, aber wir glauben, dass wir damit schon bei den Kunden ankommen, die es halt vielleicht einmal probieren wollen und während des normalen Einkaufs im Supermarkt einfach mitnehmen.

Das ist eben ein ganz, ganz großer Vorteil; und so kann man über verschiedene Offline- und Onlinekonzepte einfach unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen erreichen. Und das ist ja genau der Sinn eines Produktes, wie Mymuesli – nämlich, dass ich jedem das biete, was er eben möchte.

Wir schicken dich heute auf eine Reise mit der Durchstarterrakete und morgen früh bist du auf einem neuen Planeten, der genauso ist wie unsere Erde, aber du kennst niemanden. Wir finanzieren dir ein Hotelzimmer, du bekommst 1.000 Euro und einen Laptop – aber nur für fünf Tage. Was würdest du nach diesen fünf Tagen haben, wie würdest du damit umgehen?

Hmm, eine schwierige Frage. Also, die Frage könnte ja auch lauten: „Wenn du noch einmal die Möglichkeit hättest etwas zu gründen, würdest du etwas anderen gründen? Etwas anders machen?“ Bezogen auf den Zeitraum von fünf Tagen müsste ich sagen: „Hm, schwierig, da würde ich auf die Schnelle keinen Hubertus und keinen Philip finden, mit denen ich dann mal schnell Mymuesli gründe, also müsste ich etwas Eigenes machen.

Ich glaube nach den fünf Tagen hätte ich auf jeden Fall ein digitales Produkt. Das wäre dann wahrscheinlich der große Reiz, dass man ein physisches Produkt, wie Mymuesli, für fünf Tage gegen etwas rein Digitales eintauschen könnte. Würde ich es schnell genug schaffen mir die Skills anzueignen, dann wäre ich vielleicht auch in der Lage selbst etwas zu programmieren. Ich glaube, ich würde auf jeden Fall in meinem Hotelzimmer bleiben, mich mit digitalen Produkten und Geschäftsideen auseinandersetzen und versuchen dann mit 1.000 Euro etwas auf die Beine zu stellen. Wäre interessant zu erfahren, ob ich es schaffen würde.

Ich würde mich aber auf jeden Fall wieder auf die Rückreise freuen, in die Welt der Produkte, die man anfassen kann. Denn das ist tatsächlich ein riesiger Motivationsschub, wenn du echt mal keine Lust mehr hast und du dir denkst „Boah, das reicht…ein krasser Tag!“ Und dann aber in die Küche gehst und du siehst, du hast wirklich etwas produziert, nämlich Müslidosen – das ist dann schon etwas, was einen täglich prägt. Sehr, sehr schön, wenn man Produkte hat, die man anfassen kann.

Bild: Mymuesli