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Studie Gesundheits-Checks bringen nur wenig

Menschen ab 35 dürfen kostenlos zum Gesundheits-Check - doch was bringt die gründliche Untersuchung? Renommierte Forscher haben Studien mit mehr als 182.000 Teilnehmern ausgewertet: Die meisten Tests nützen nichts, es gibt nur wenige Ausnahmen.
Arzt: Deutsche Hausärzte scheinen Krankheiten auch ohne Check-up früh genug zu finden

Arzt: Deutsche Hausärzte scheinen Krankheiten auch ohne Check-up früh genug zu finden

Foto: Corbis

Kopenhagen - Beim Gesundheits-Check-up geht es rund in der Hausarztpraxis: Auf die körperliche Untersuchung folgen Blut- und Urinproben und ein ausführliches Gespräch über die eigene Gesundheit. Ab dem 35. Geburtstag bezahlen deutsche Krankenkassen alle zwei Jahre das Früherkennungsprogramm, mit dem vor allem die Haupttodesursachen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Diabetes entdeckt werden sollen.

Doch der regelmäßige Check-up beim Hausarzt bringt offenbar weniger als erhofft. Das haben dänische Forscher des Nordic Cochrane Centre in Kopenhagen bei einer Auswertung von 14 Studien mit insgesamt mehr als 182.000 Menschen festgestellt. Es starben genauso viele Teilnehmer, die regelmäßig die kostenlosen Vorsorgeuntersuchung wahrnahmen, wie Studienteilnehmer ohne Check-up. Auch die Zahl der Krankenhauseinweisungen, Krankschreibungen und Facharztüberweisungen sei in beiden Gruppen gleich, berichten Lasse Krogsbøll und seine Kollegen. Die Ergebnisse der in der Cochrane Database veröffentlichten Übersichtsarbeit  deuten darauf hin, dass die auch in Deutschland angebotene Form der unspezifischen Check-ups nur wenig gesundheitliche Vorteile bringe.

"Wir sagen damit nicht, dass Ärzte aufhören sollen, Tests durchzuführen, wenn sie eine bestimmte Krankheit vermuten", betont Krogsbøll. Auch gezielte Früherkennung, wie beispielsweise die Krebsvorsorge beim Frauenarzt, sei damit nicht gemeint. Aber die Auswertung zeige, dass es wenig sinnvoll sei, öffentliche Gelder dafür auszugeben, beschwerdefreie Menschen zur Rundum-Untersuchung einzuladen.

Check-ups führen zu mehr Diagnosen - doch ohne Konsequenz

Dabei erscheint die Idee hinter den Check-ups einleuchtend: Früh erkannt soll eine rechtzeitige Behandlung vor allem chronischer Krankheiten einem schwereren Verlauf vorbeugen. Die Daten der Cochrane-Forscher legen nun nahe, dass diese Hoffnung sich wohl nicht bestätigt. Für ihre Metaanalyse hatten die Forscher Langzeitstudien ausgewertet. Alle Studien hatten verglichen, wie sich die Gesundheit von Probanden entwickelte, die regelmäßig zu einer kostenlosen Gesundheitsvorsorge eingeladen wurden, im Vergleich mit solchen, die nicht an einem Früherkennungsprogramm teilnahmen. Die Studien umfassten Zeiträume von bis zu 22 Jahren.

Die Studie im Detail

Die Auswertung zeigte, dass durch die Check-ups in einigen Studien tatsächlich mehr Patienten mit hohem Blutdruck und erhöhten Blutfettwerten identifiziert wurden. In einer Studie sei im Durchschnitt 20 Prozent häufiger eine Diagnose gestellt worden als ohne Check-ups, berichten die Wissenschaftler. Langfristig seien aber in beiden Gruppen vergleichbar viele Menschen an Krebs oder Herz-Kreislauf-Krankheiten gestorben. Auch habe man keine deutlichen Gesundheitsunterschiede feststellen können, beispielsweise bei Krankenhauseinweisungen, Facharztbesuchen oder Krankschreibungen.

"Ein Grund für den geringen Effekt könnte sein, dass Hausärzte Krankheiten oft auch dann erkennen und diagnostizieren, wenn ein Patient ursprünglich wegen einer ganz anderen Sache bei ihnen ist", sagt Krogsbøll. Das könnte den zusätzlichen Besuch beim Hausarzt im Prinzip überflüssig machen. Hinzu komme, dass nicht alle, die es nötig hätten, einer Einladung zum Check-up auch folgten. Gerade Patienten mit einem hohen Risiko für eine Erkrankung scheuten sich oft, zum Arzt zu gehen, sagen die Forscher.

Patienten drohen Gefahren durch unnötige Untersuchungen

Krogsbøll sagte SPIEGEL ONLINE, der Cochrane Review untersuche nicht speziell das deutsche Gesundheitswesen und den in Deutschland angebotenen Check-up, zudem sei ein Teil der untersuchten Studien relativ alt. Allerdings seien die Ergebnisse auch für Deutschland relevant. Als problematisch bewertet der dänische Wissenschaftler, dass die möglichen Gefahren durch unnötige Untersuchungen in den verfügbaren Studien nicht ausreichend untersucht würden. Jeder auffällige Wert beim Check-up zieht weitere Untersuchungen nach sich - und jeder weitere Test birgt Risiken für den Patienten.

Die Cochrane-Forscher wünschen sich Studien, in denen einzelne Punkte der Früherkennungsprogramme genauer betrachtet würden, statt ganze Check-up-Pakete zu untersuchen. "Außerdem sollten in künftigen Untersuchungen klinisch relevante Endpunkte untersucht werden", sagt Krogsbøll. "Also zum Beispiel die Morbidität oder die Mortalität anstelle von indirekten Ergebnissen wie Blutdruckwerten oder Cholesterinwerten." Verbesserte Blutdruck- oder Cholesterinwerte bedeuteten nicht immer eine bessere Gesundheit, zudem bildeten diese Endpunkte die möglichen negativen Folgen von Behandlungen nicht ab. Werden in Studien dagegen Faktoren wie die Erkrankungshäufigkeit oder die Sterblichkeit untersucht, erlauben die Ergebnisse auch einen Rückschluss auf den Nutzen von Früherkennungsprogrammen.

dba/dapd

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