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Herzkrankheit: Zu wenige Patienten in der Reha

Foto: Corbis

Reha für Herzkranke Viele vertun Chance auf längeres Leben

Eine europaweite Studie belegt, dass viel zu wenige Herzpatienten eine Reha-Maßnahme angeboten bekommen. Dabei ist bekannt, dass die Rehabilitation vergleichsweise günstig das Leben verlängern kann. Frauen, Raucher und ältere Patienten sind die Verlierer.

Mancher Herzinfarkt-Patient merkt heute gar nicht mehr, dass er dem Tod gerade noch so entkommen ist. Während des Herzkatheters ist er bei Bewusstsein und kann dem Kardiologen dabei zusehen, wie dieser mit einem Ballon die Engstelle in den Herzkranzgefäßen aufdehnt. Eine Woche später geht der Patient wieder arbeiten. Weder er noch sein Arzt sehen eine Reha-Maßnahme als Muss nach dem akuten Eingriff an.

Aktuelle Ergebnisse einer europaweiten Studie zeigen, dass erschreckend wenigen Patienten nach einer akuten Herzkrankheit überhaupt eine Rehabilitation angeboten wird. Nur etwas mehr als ein Drittel der europäischen Patienten geht nach Herzinfarkt, Bypass-Operation oder Angina pectoris in die Reha, berichten Kornelia Kotseva und ihre Kollegen von der EuroAspire III-Studie im Fachmagazin European Journal of Preventive Cardiology. In Deutschland ist es immerhin gut die Hälfte dieser Patientengruppe.

Wer am meisten profitieren könnte, geht nicht in die Reha

Die schlechtesten Chancen auf eine Reha haben dabei ausgerechnet die Patienten, die am meisten von ihr profitieren könnten: Raucher, Frauen und ältere Patienten gehen deutlich seltener zur sogenannten Anschlussheilbehandlung, während insbesondere jüngeren, höhergebildeten Männern die Reha eher empfohlen wird. Die Chancen steigen auch für Patienten nach einer Bypass-Operation und für jene, die schon einmal einen Herzinfarkt erlitten haben.

EuroAspire III: Die Herz-Reha-Studie

"Die Zahlen der aktuellen Studie passen gut zu den Zahlen, die andere Studien ermittelt haben", sagt der Kardiologe und Rehabilitationsmediziner Bernhard Rauch vom Klinikum Ludwigshafen. "Deutschland liegt im europäischen Mittelfeld, die Extreme sind Litauen, wo praktisch jeder in die Reha geht und Spanien, wo kaum jemand eine Reha wahrnimmt." Ob ein Patient nach einer akuten Therapie im Krankenhaus auch in einer Rehabilitation landet, hängt vor allem von den behandelnden Ärzten in der Klinik ab. Sprechen sie nicht mit ihrem Patienten über das Thema, wird dieser kaum von sich aus darauf kommen.

"Es gibt in Deutschland ein sehr großes Reha-Angebot", sagt Kardiologe Rauch. "Die war sehr lange von den Akutmedizinern nicht anerkannt, weil sie aus dem Kurwesen entstanden ist, für dessen Wirksamkeit es nie einen Nachweis gab. Mittlerweile gibt es die wissenschaftlichen Nachweise für die Wirkung der Rehabilitation und auch eine Qualitätssicherung durch Rentenversicherung und Krankenkassen." Die jetzt vorgestellten Zahlen zeigen, dass diejenigen Patienten, die von ihrem Arzt eine Reha empfohlen bekommen, in Deutschland zu über 90 Prozent auch in die Rehabilitation gehen.

Die Bereitschaft, eine Reha wahrzunehmen, könnte das wachsende Angebot von Reha-Kliniken in der Nähe der Patienten noch weiter steigern. "Früher ist man zur Kur in den Schwarzwald weit weg vom Wohnort gefahren. Heute gibt es zunehmend ambulante Reha-Angebote, bei denen die Patienten abends und an den Wochenenden zu Hause sind", sagt Rauch. So ist es möglich, dass Patienten tagsüber oder bei einzelnen Terminen lernen, wie sie ihre Gesundheit unterstützen können, in Sportgruppen Übungen absolvieren oder gesundes Kochen üben.

Rehabilitation sollte ansetzen, wo die Akutkrankenhäuser aufhören

Aus Sicht von Rehabilitationsspezialisten ist es ärgerlich, dass nur der Hälfte der Herzpatienten einen Reha-Platz angeboten bekommt. "Die Zeit, die ein Patient in der Akutklinik verbringt, ist sehr kurz", erklärt der Rehabilitationsmediziner Harry Hahmann, Chefarzt an der Waldburg-Zeil Klinik im schwäbischen Isny. "Eine Bypass-Operation oder ein Herzkatheter sind aber nur die Reparatur eines akuten Schadens." Die Ursachen wie erhöhter Cholesterinspiegel, Bluthochdruck oder Rauchen können aus seiner Sicht am besten in der Rehabilitation behandelt werden. "Diese Chance wird sehr häufig vertan", moniert Hahmann.

Das Vorurteil sei weit verbreitet, dass etwa alte Menschen nicht mehr von einem Reha-Aufenthalt profitieren. Wer jedoch eine schwere Herzkrankheit habe und nur noch 50 Meter laufen könne, dessen Lebensqualität steige enorm, wenn er nach einer Reha wieder 200 Meter laufen könne, sagt Kardiologe Hahmann: "Und das wirkt sich auch positiv auf die Prognose aus."

Im System der Fallpauschalen ist jeder Tag teuer, den ein Patient in einer Akutklinik verbringt. Je kürzer der Aufenthalt, desto besser kommt das Krankenhaus mit der Pauschale aus, die es für einen Patienten und seine Diagnose bekommt. Eine Rehabilitation, das betonen die Autoren der aktuellen EuroAspire III-Studie, sei eine kosteneffektive Maßnahme, die nicht nur die Prognose des Patienten verbessere und lebensverlängernd wirke, sondern auch langfristig die Kosten für die Gesundheit eines Patienten senken könne.

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