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Eine Million Tote Neue Hoffnung im Kampf gegen die Tuberkulose

Die Tuberkulose könnte auch in Deutschland wieder zur Bedrohung werden. Globalisierung, Resistenzen gegen Antibiotika und unzureichender Impfschutz stellen Mediziner vor immer größere Probleme. Kann ein neuer Impfstoffkandidat die drohende Gefahr abwenden?
Tuberkulose-Bakterien unter Mikroskop: Viele Resistenzen gegen Antibiotika

Tuberkulose-Bakterien unter Mikroskop: Viele Resistenzen gegen Antibiotika

Foto: CDC/Janice Carr

Bereits vor Tausenden Jahren, der moderne Mensch hatte gerade Afrika verlassen, trug er wahrscheinlich einen ungebetenen Begleiter mit sich: Tuberkulose-Bakterien. Bis heute sterben weltweit jährlich mehr als eine Million Menschen an der Infektionskrankheit.

Hierzulande gilt Tuberkulose oft als ein weit entferntes Problem, als eine Krankheit, die fast schon besiegt ist. Durch die Globalisierung kehren die Krankheitserreger allerdings zunehmend auch nach Deutschland zurück. Ein Hauptproblem: Es fehlt an wirksamen Impfstoffen.

Der einzige Impfstoff Bacille Calmette-Guérin (BCG) wurde bereits in den zwanziger Jahren entwickelt, Kinder schützt er relativ gut. Doch das Mittel ist gegen die am meisten verbreitete Tuberkulose-Form machtlos, die bei Jugendlichen und Erwachsenen die Lunge befällt und an der etwa 80 Prozent der erwachsenen Patienten erkranken.

Seit Jahrzehnten suchen Forscher auf der ganzen Welt nach wirksameren Alternativen, zwölf Impfstoffe werden momentan in klinischen Studien mit Patienten getestet. Einen aussichtsreichen Kandidaten hat eine kanadische Arbeitsgruppe der McMaster Universität in Ontario jetzt im Fachmagazin "Science Translational Medicine"  vorgestellt.

Veränderte Form eines Erkältungsvirus

Der Impfstoff basiert auf einer veränderten Form eines weit verbreiteten Erkältungsvirus, in dessen Erbgut die Wissenschaftler Informationen für ein Antigen des Tuberkulose-Erregers eingebracht haben. Nach der Impfung von mit BCG-vorgeimpften Personen kommt es im Körper zu einer Immunantwort, mit deren Hilfe das Immunsystem besser auf eine tatsächliche Tuberkulose-Infektion reagieren kann.

Bei ersten Untersuchungen testeten die Forscher ihren Impfstoff an 24 gesunden Erwachsenen, von denen ein Teil vorher bereits mit BCG geimpft wurde. Alle Teilnehmer vertrugen den Impfstoff gut, wobei die Immunantwort bei den bereits mit BCG geimpften Teilnehmern stärker ausfiel als bei den nicht geimpften. Dies spricht dafür, dass der neue Impfstoff die Wirkung des alten verstärken könnte. Noch allerdings wollen Experten nicht von einem Durchbruch sprechen.

"Dafür ist es noch zu früh. Bis dato hat der Impfstoff nur die erste von drei Prüfphasen geschafft. Aber es ist schön, dass es einen neuen Impfstoffkandidaten gibt, der nun in einer zweiten Prüfphase getestet werden kann", sagt Stefan Kaufmann, Direktor der Berliner Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie, der selbst an einem Impfstoffkandidaten arbeitet. Die nächsten beiden Runden müssten dann die Effektivität und Schutzwirkung des kanadischen Impfstoffkandidaten bestätigen.

Eine infizierte Berliner Schülerin - 600 beim Bluttest

Jährlich erkranken zwischen acht und neun Millionen Menschen weltweit an Tuberkulose. Neben dem fehlenden, effektiven Impfstoff beunruhigt Mediziner auch die zunehmende Verbreitung von Resistenzen gegen die verfügbaren Antibiotika. Noch sei Tuberkulose zwar eine Armutskrankheit, sagt Stefan Kaufmann. Das Problem sei aber auch in der EU präsent und belaste das deutsche Gesundheitswesen stark.

"Jede Erkrankung erfordert umfassende Maßnahmen zur Unterbrechung der Infektionsketten, eine langwierige Therapie und einen hohen medizinischen Betreuungsaufwand", erklärt Reinhard Burger, Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), in einer Pressemitteilung. Im August 2013 etwa erkrankte eine 14-jährige Gymnasiastin in Prenzlau an der hochansteckenden offenen Lungentuberkulose. Anschließend mussten 600 Schüler und Lehrer zum Bluttest.

Zwar sind die Krankheitszahlen in Deutschland bis 2008 jedes Jahr deutlich zurückgegangen, aufgrund der niedrigen Infektionszahlen und der schlechten Wirkung wird eine Impfung mit BCG hierzulande seit 1998 nicht mehr empfohlen. Seit etwa drei Jahren sinken die Zahlen laut RKI allerdings kaum noch. 2012 wurden 4.220 Fälle gemeldet, mit durchschnittlich 5,3 gemeldeten Fällen pro 100.000 Einwohner steht Deutschland im internationalen Vergleich noch relativ gut da.

Das könnte sich in Zukunft jedoch ändern: Bei den Kindern stiegen die Fallzahlen in den letzten Jahren an. 2011 erkrankten bundesweit 179 Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren, 2010 waren es 160 Fälle, 2009 nur 142 Fälle. "Bei Kindern geht die Tuberkulose fast immer auf eine kürzlich erfolgte Ansteckung zurück. Bei Erwachsenen bricht die Erkrankung dagegen meist erst sehr viel später aus. Wenn die Zahl der Infizierten deutschlandweit auch bei den Erwachsenen angestiegen wäre, würden wir das in den Meldedaten derzeit noch nicht sehen", gibt Susanne Glasmacher, Pressesprecherin am RKI zu Bedenken.

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