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Niedrigintensives Krafttraining Wenig Gewicht, viele Muskeln

Ein starker Bizeps, ein ausgeprägtes Sixpack: Wer viele Muskeln haben will, muss beim Training viele Gewichte stemmen. Doch es geht auch anders: Schon ein Bruchteil der Belastung reicht - wenn man die Durchblutung reduziert.
Muskeltraining: Beim BFR-Training wird der Blutfluss reduziert und dadurch die Ausschüttung von Wachstumshormonen angeregt

Muskeltraining: Beim BFR-Training wird der Blutfluss reduziert und dadurch die Ausschüttung von Wachstumshormonen angeregt

Foto: Corbis

Pumpen, pumpen, pumpen - und das mit möglichst hohem Gewicht. In Fitnessstudios wird normalerweise geschwitzt und gestöhnt. Doch vor rund zwanzig Jahren patentierte der japanische Arzt Yoshiaki Sato von der University of Tokio sein Kaatsu-Training. Eine Methode, die mit niedrigen Gewichten auskommt und etwas abwegig anmutet: Mit einer Manschette bindet sich der Sportler den Oberarm oder den Schenkel ab - und trainiert anschließend mit einer Hantel, die sonst nur Joggern als kleines Zusatzgewicht taugt.

Um zu beweisen, dass seine bemerkenswerte Trainingsmethode funktioniert, veröffentlichte Sato zehn Jahre später eine Studie : Dabei ließ er Sportler an der Beinpresse mit deutlich niedrigeren Gewichten als gewohnt trainieren und bremste mit speziellen Manschetten die Durchblutung der Beine. Das Ergebnis: Die Drosselung des venösen Blut-Rückflusses, also zum Herzen hin, führte zu einem deutlichen Kraftzuwachs. Die Resultate lieferten auch eine mögliche Erklärung: Verschiedene Wachstumshormone sowie ein bestimmter Faktor aus der Gefäßwand stiegen durch das Abbinden explosionsartig an.

Mittlerweile haben zahlreiche Veröffentlichungen die Wirksamkeit dieses Trainingsprinzips für das Kraft- und Muskelwachstum belegen können. Doch nicht allen Sportwissenschaftlern ist ganz wohl bei der Methode, die inzwischen auch hierzulande in einigen Studios angepriesen wird. "Die Venen werden so dick und hart wie Bleistifte", sagt der leitende Muskelforscher von der Sporthochschule Köln, Michael Behringer. "Wer sowieso schon unter Problemen mit den Venenklappen leidet, dem würde ich von dem Training abraten."

Der arterielle Zufluss sollte nicht unterbunden werden

Tatsächlich befassen sich eine ganze Reihe von Studien mit der Sicherheit des sogenannten Blood Flow Restriction Training (BFR). In einem Übersichtsartikel  fasste Jeremy Loenneke von der University of Tampa in Florida 2011 die möglichen Gefahrenquellen zusammen. Zudem untersuchte er eigens in einer Studie den Effekt einer geringen Blutflussreduktion im Training. Sein Fazit: Solange nur die Venen abgebunden werden, treten keine Gewebeschäden auf. "Der Druck der Manschetten sollte so eingestellt sein, dass der arterielle Zufluss - also vom Herzen in die Gewebe - nicht unterbunden wird", sagt auch Behringer. Wie aber stellt man das sicher? "Idealerweise wird das mit Hilfe von Ultraschall bestimmt", sagt Behringer.

Auch eine japanische Übersichtsstudie von 2006 mit 12.642 Probanden , darunter auch Krankenhauspatienten, fand vergleichsweise selten Nebenwirkungen: In 13 Prozent der Fälle traten Blutergüsse auf, meist unterhalb der Manschetten. Über vorübergehende Taubheit berichteten 1,3 Prozent der Teilnehmer, bei gut jedem siebzehnhundertsten kam es zu venösen Blutgerinnseln (Thromben), in einem einzigen Fall zu einer Lungenembolie. Sportler in Fitnesszentren waren deutlich seltener von Nebenwirkungen betroffen als ältere Patienten.

Im Vergleich zum Krafttraining im hochintensiven Bereich, also einem Training an der obersten Leistungsgrenze, dürfte das Risikopotenzial insgesamt gering sein: Dort wurden vereinzelt Blutdrücke von sogar bis zu 480/350 mmHg gemessen - Herzinfarkt oder Schlaganfall sind quasi programmiert.

Hohe Effizienz mit wenig Kraftaufwand

Wie effektiv das Kaatsu-Trainings wirklich ist, untersuchte ebenfalls die Forschergruppe um Loenneke: In einem Übersichtsartikel  kommen die Autoren zu dem Schluss, dass zwei bis drei Trainingseinheiten pro Woche bessere Leistungszuwächse ergeben als vier bis fünf Übungstage. "Als Belastung werden heutzutage vier Sätze (30-15-15-15 Wiederholungen) mit nur 20 bis 30 Prozent der Maximalkraft empfohlen", sagt Behringer. Dabei würden die Pausen mit 30 Sekunden kürzer als beim herkömmlichen Krafttraining gehalten, "um den metabolischen Reiz zu erhöhen".

An der Sporthochschule Köln läuft auch eine Untersuchung, ob eine Kombination aus BFR- und intensivem Training (bei 80 Prozent der Maximalleistung) einen noch größeren Effekt auf Muskelkraft und -zuwachs haben könnte. "Das hat bisher noch niemand versucht", sagt Behringer. Derzeit werten die Forscher gerade die Daten aus, Anfang 2015 sollen die Studienergebnisse veröffentlicht werden.

Dass das Abbindetraining aber nicht zwingend für Faule gedacht ist, die keine Lust auf große Anstrengungen haben, zeigt eine Studie   aus den USA, die Anfang des Jahres erschien: 62 College-Footballspieler wurden dazu in vier Trainingsgruppen eingeteilt, von denen zwei - zusätzlich zu klassischem Krafttraining - BFR-Übungen absolvieren mussten. Tatsächlich zeigten die letzten beiden Gruppen den besten Leistungszuwachs - überraschend für nahezu austrainierte Athleten.

"Entgegen früherer Lehrmeinung, dass mindestens 65 Prozent der Maximalkraft beim Training eingesetzt werden müssen, reichen beim BFR-Training schon erheblich geringere Belastungen, um Kraft und Muskelmasse aufzubauen", sagt Behringer. "Das ist besonders im Reha-Bereich interessant, wo sich hohe Belastungen oft ohnehin verbieten."

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