Zum Inhalt springen

Ironman über vegane Ernährung "Ich wollte das Beste aus mir herausholen"

Vegan ist im Trend, aber für viele Sportler trotzdem tabu. Brendan Brazier hat sportliche Extremleistungen vollbracht - nur mit Pflanzenkost. Im Interview mit achim-achilles.de erklärt der frühere Ironman-Triathlet, woher er seine Energie für den Sport bezieht.
Triathlet Brendan Brazier: "Um pflanzliche Nahrung zu verdauen, braucht man nicht so viel Energie"

Triathlet Brendan Brazier: "Um pflanzliche Nahrung zu verdauen, braucht man nicht so viel Energie"

Foto: Donovan Jenkins

SPIEGEL ONLINE: Herr Brazier, auch dank Ihnen sieht Wolverine im Film so gut aus, oder?

Brazier: Naja, ich habe vielleicht etwas Anteil, ja.

SPIEGEL ONLINE: Hollywoodstar Hugh Jackman, der die Action-Figur spielt, war so begeistert von Ihrer veganen Thrive-Diät, dass er sogar das Vorwort zu Ihrem Buch schrieb.

Brazier: Ja, er ist zwar kein Veganer geworden, aber er versucht, mehr basische Lebensmittel zu sich zu nehmen und Dinge zu essen, die ihm guttun. Vorher hat er Masse zugelegt, ohne sich wohlzufühlen. Er war schwerfällig, hatte keine Energie und Probleme mit Entzündungen. Das wollte er ändern und hat deswegen einige Grundprinzipien meiner Thrive-Diät  übernommen. Er wollte athletisch sein, muskulös - und trotzdem beweglich bleiben.

SPIEGEL ONLINE: Sie waren professioneller Ironman-Triathlet und ernähren sich seit rund 20 Jahren vegan. Warum sollte pflanzenbasierte Ernährung der sportlichen Leistung dienen?

Brazier: Es gibt viele gute Gründe für eine vegane Ernährung, auch und besonders für Sportler. Entscheidend ist: Um pflanzliche Nahrung zu verdauen, braucht man nicht so viel Energie aufwenden. Dadurch steht dem Körper mehr Energie zur Verfügung.

SPIEGEL ONLINE: Viele machen aber genau die entgegengesetzte Erfahrung: Sie fühlen sich schlapp.

Brazier: Das war bei mir am Anfang auch so. Da habe ich viel stärke- und kalorienhaltige Lebensmittel wie Pasta oder weißen Reis zu mir genommen. Ich hatte ständig Hunger und war immer müde. Nach einiger Zeit habe ich diese Dinge durch Lebensmittel ersetzt, die leichter zu verdauen sind und mehr Energie liefern: Amaranth, Quinoa, Buchweizen oder Wildreis.

SPIEGEL ONLINE: Leicht verdauliche Nahrung sorgt für mehr Energie fürs Training. Ganz so einfach ist es aber nicht, oder?

Brazier: Im Grunde schon. Wenn du mehr Energie verbrauchst, hast du weniger. Fleisch, Fisch, Milchprodukte fördern Entzündungen. Und die sind das Letzte, was Sportler gebrauchen können. Je weniger der Körper mit Entzündungen zu kämpfen hat, desto leichter ist es für den Körper, die Muskeln zu kontrahieren. Man ist in der Lage, härter zu trainieren.

SPIEGEL ONLINE: Warum hatten Sie überhaupt das Gefühl, etwas an Ihrer Ernährung ändern zu müssen?

Brazier: Ich wollte das Beste aus mir herausholen und Profisportler werden. Ich war 15 Jahre alt und wusste, dass es hart sein würde, meinen Traum wahrzumachen. Also suchte ich nach einem Vorteil, der es wahrscheinlicher machen würde. Ich schaute mir die Trainingsprogramme der Spitzensportler an und merkte schnell, dass die Art zu trainieren sich nicht groß vom Training der Durchschnittsportler unterscheidet. Ich fragte mich, was den Leistungsunterschied ausmachen würde.

SPIEGEL ONLINE: Was ergaben Ihre Recherchen?

Brazier: Es ist die Erholung. Die Regeneration der Muskeln macht den Unterschied. Und die hängt stark von der Ernährung ab. Also habe ich mich mehr mit Ernährung beschäftigt. Ich wusste, wenn ich mich damit auskenne, habe ich eine Chance, Profi zu werden.

SPIEGEL ONLINE: Sie haben es tatsächlich geschafft, waren einer der wenigen veganen Ironman. Als Sie anfingen, sich für vegane Ernährung zu interessieren, waren Sie ein Teenager. Das war Anfang der neunziger Jahre. Die Leute müssen Sie für verrückt erklärt haben.

Brazier: Klar. Auch mein Trainer damals war sehr skeptisch und überhaupt nicht unterstützend. Kein Wunder, er hatte sein System, das funktionierte.

SPIEGEL ONLINE: Wie konnten Sie sicher sein, dass eine vegane Ernährung Ihnen als Extremsportler guttut?

Brazier: War ich nicht. Ich hatte vorher schon alle möglichen Diäten probiert: mit viel Kohlenhydraten, mit wenig, mit viel Eiweiß, mit wenig. Ich war überzeugt davon, dass mich die richtige Ernährung weiterbringen würde, deswegen experimentierte ich weiter. Es war ein langer Prozess, der Jahre gedauert hat.

SPIEGEL ONLINE: Sie blieben beim Veganismus. Was hat er Ihnen gebracht?

Brazier: Als ich beschloss, mich vegan zu ernähren, habe ich schnell Veränderungen bemerkt. Ich habe in einer Gruppe trainiert, wo wir alle dasselbe Trainingsprogramm absolvierten. Nach der Umstellung bin ich nach einer harten Einheit am nächsten Morgen aufgewacht und habe mich frisch gefühlt. Meine sportliche Leistung hat sich schnell verbessert, weil ich mehr trainieren konnte als alle anderen. Nach einer Weile bemerkte ich auch, dass sich die Qualität meines Schlafes verbesserte.

SPIEGEL ONLINE: Wie würden Sie gute Ernährung definieren?

Brazier: Lebensmittel, die möglichst unverarbeitet und leicht zu verdauen sind, die viel Energie liefern und viele Nährstoffe enthalten. Vollwertkost, ballaststoffreiches Gemüse, möglichst roh oder schonend gegart , Hülsenfrüchte, Obst...

SPIEGEL ONLINE: Aber unterschätzen Sie nicht den Faktor, dass jeder Mensch individuell ist? Jeder von uns verträgt andere Dinge, verdaut anders.

Brazier: Sicher. Bei einer Ernährungsumstellung  ist es immer wichtig, dass man sich und dem Körper Zeit gibt und langsam beginnt. Vielleicht beginnt man einfach mit einem grünen Smoothie . Die Thrive-Diät ist keine schnelle Abnehmdiät, sondern eher eine langfristige Ernährungsumstellung. Also denk an all die leckeren, gesunden Dinge, die du entdecken kannst, anstatt daran zu denken, auf was du verzichten musst.

Das Interview führte Frank Joung