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Sportpsychologie Mit HipHop zur Leistungsmaschine

Egal ob sie um den WM-Pokal kämpfen oder um Gold bei den Olympischen Spielen: Die meisten Spitzensportler werden von Psychologen betreut. Sie bringen ihnen bei, wie man im entscheidenden Moment alles gibt.
Sprinter: Sportlicher Erfolg ist ein Produkt aus physischer und psychischer Verfassung

Sprinter: Sportlicher Erfolg ist ein Produkt aus physischer und psychischer Verfassung

Foto: Corbis

Immer wenn die Biathletin ins Stadion kam, dachte sie Dinge wie: Wenn ich danebenschieße, muss ich eine extra Runde laufen. "Diese negativen Gedanken lenkten sie ab", sagt Oliver Stoll, der den Bereich für Sportpsychologie, Sportpädagogik und Sportsoziologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg leitet. Er bringt Sportlern bei, im entscheidenden Moment volle Konzentration aufzubringen: um das, was sie jahrelang trainiert haben, auch abrufen zu können. Der Biathletin riet Stoll, besser den sportlichen Ablauf und ihre Technik vorab im Kopf durchzugehen.

Neben Biathleten hat der Sportpsychologe schon Turmspringer und Fußballer im Training betreut. "Im Kern geht es bei meiner Arbeit darum, Sportlern mit psychologischen Verfahren zu helfen, ihre Leistung abzurufen - und idealerweise zu optimieren", sagt er. Wie stark sie sich dadurch verbessern, sei schwer messbar. Aber Stoll ist überzeugt: "Bei zwei ansonsten gleich starken Athleten ist der im Vorteil, der sich mit Psychologie beschäftigt."

Kein Hokuspokus

Die deutschen Turmspringer, die Stoll 2008 zu den Olympischen Spielen begleitete, hat er während des Trainings gefilmt. Später konfrontierte er sie mit ihrer Körpersprache. "Wenn jemand vor dem Sprung die Schultern hängen ließ, habe ich ihn gefragt: 'Woran hast du gedacht?' Dann haben wir daran gearbeitet, dass er sich besser auf den Sprung konzentrieren kann." Mit Fragebögen erhebt Stoll, wie stark sich Sportler im Training belastet fühlen, um zu erkennen, wann jemand am Limit ist. Und in Konfliktsituationen mit dem Trainer kann er vermitteln.

Einige Athleten lehnen die Zusammenarbeit mit Psychologen grundsätzlich ab. "Das ist in Ordnung. Psychologisch kann man sowieso nur mit jemandem arbeiten, der es auch will", sagt Stoll.

Insgesamt ist die Akzeptanz jedoch groß: "Nahezu alle olympischen Spitzensportverbände arbeiten heute mit Psychologen zusammen", sagt Jan Mayer, Leiter der zentralen Koordinierungsstelle für Sportpsychologie beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Dahinter stecke die Überzeugung, Resultate verbessern zu können.

"Klar ist, dass es neben der körperlichen Fitness in eigentlich jeder Sportart eine mentale Komponente gibt, die zur Leistung mit beiträgt", sagt Mayer. "Bei der sportpsychologischen Arbeit in unseren Verbänden handelt es sich ja nicht um Hokuspokus, sondern um die Zusammenarbeit mit hoch qualifizierten Fachkräften. Das ist uns wichtig, nicht zuletzt, weil der olympische Spitzensport in erster Linie durch staatliche Mittel finanziert wird."

Stoll und Mayer betonen, dass Sportpsychologen nicht als Therapeuten mit den Athleten arbeiten. "Bei Olympia geht es in erster Linie um Leistung, und die Sportpsychologen sollen helfen, diese zu optimieren", sagt Mayer. Sie seien nicht etwa dafür angestellt, um über Niederlagen hinwegzuhelfen.

Gegen die Verbissenheit

Einen etwas anderen Ansatz, um Sportler mental zu stärken, verfolgt Jonathan Briefs. Er ist kein Psychologe, hat aber als sogenannter Humorcoach schon mit der deutschen Ski-alpin-Herrenmannschaft gearbeitet. Mit Methoden des Improvisationstheaters versuchte er, den Sportlern zu mehr Leichtigkeit zu verhelfen und sie vom Leistungsdruck zu befreien. "Ich bringe sie dazu, sich zu erinnern, was ihnen in der Kindheit so große Freude an ihrem Sport gemacht hat", sagt Briefs. Skifahrer Felix Neureuther riet er zum Beispiel zu einer "neuen Definition von Erfolg". Neureuther habe sich daraufhin als persönliches Ziel gesetzt, bei einer Abfahrt die schönsten Schwünge zu machen und nicht mehr in erster Linie um die Platzierung zu fahren.

"Mit Psychologie und Coaching kann man Leistungsmaschinen schaffen, wenn man das will", sagt Briefs. "Oder man kann jungen Sportlern helfen, in ihrer Persönlichkeit zu reifen." So stellte der früher oft als verbissen geltende Neureuther vor wenigen Monaten ein witziges Video online: Darin tanzt er minutenlag den HipHop-Hit Harlem Shake  - mal in Skifahrermontur, mal in Bikinioberteil und Röckchen. Keine Idee von Briefs, sagt der. "Aber mir hat es große Freude gemacht zu sehen, dass Felix sich gedanklich so frei machen kann."