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Kampf gegen Burnout Arbeitgeber blockieren Anti-Stress-Verordnung

Der Berufsalltag ist für viele Deutsche eine Hetzjagd. Laut dem "Stressreport 2012" klagen Arbeitnehmer über Multitasking, Termin- und Leistungsdruck. Politik und Gewerkschaften wollen gegensteuern. Doch die Arbeitgeber ziehen nicht mit.
Stress im Job: Vorwurf der "Arbeitgeber-Blockade"

Stress im Job: Vorwurf der "Arbeitgeber-Blockade"

Foto: Corbis

Jeder zweite Beschäftigte leidet häufig unter starkem Termin- und Leistungsdruck. Das geht aus dem "Stressreport 2012"  hervor, den Arbeitsministerin Ursula von der Leyen heute vorstellte.

Kein Grund zur Eile für die Arbeitgeber: Sie verweigerten ihre Unterschrift unter die "Erklärung zur psychischen Gesundheit bei der Arbeit", die das Bundesarbeitsministerium, die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und die Gewerkschaften gemeinsam verabschieden wollten. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sprach von einer "Arbeitgeber-Blockade".

"Notwendig sind klare Regeln durch eine Anti-Stress-Verordnung, mehr Mitbestimmung und Sanktionen gegen die Unternehmen, die das Arbeitsschutzgesetz nicht einhalten", erklärte Buntenbach. "Eine große Anti-Stress-Koalition ist durch die Verweigerung der Arbeitgeber geplatzt", sagte Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall. Burnout und arbeitsbedingter Stress träfen immer mehr Menschen, "nicht zuletzt durch wachsende prekäre Beschäftigung und Entgrenzung der Arbeitswelt. In Deutschland scheinen dies einzig und allein die Arbeitgeber noch nicht begriffen zu haben".

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Stress in Deutschland: Immer auf Drehzahl oder total angeödet?

Foto: Corbis

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt folgt einer anderen Logik und analysierte, dass Beschäftigte seltener an psychischen Erkrankungen leiden als Nichtbeschäftigte. "Daher ist es auch falsch, psychische Erkrankungen vorrangig auf Arbeit zurückzuführen, das Gegenteil ist richtig."

Dennoch hätten die Arbeitgeber mit Bundesregierung und Gewerkschaften in vielen Punkten Einigkeit erzielt, insbesondere im Hinblick auf notwendige Maßnahmen zur Verbesserung der Situation. "Wir brauchen nicht neue Rechtsvorschriften, sondern eine verbesserte Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen", sagte Hundt. Die Arbeitgeber würden die Gespräche mit diesem Ziel fortsetzen.

Gute Stimmung im Team

Für den "Stressreport 2012" wertete die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin unter anderem telefonische Befragungen von rund 18.000 Erwerbstätigen in der Zeit von Oktober 2011 bis März 2012 aus. Danach sehen sich die Beschäftigten häufig Multitasking (58 Prozent), starkem Termin- und Leistungsdruck (52 Prozent) oder ständig wiederholenden Arbeitsvorgängen (50 Prozent) ausgesetzt. 44 Prozent erleben während ihrer Arbeit häufig Störungen. Weitere Ergebnisse der Studie finden Sie in unserer Bildergalerie.

Riecht's schon brenzlig?

Bemerkenswert nannten die Experten, dass über Branchen und Berufe hinweg mindestens vier von fünf Erwerbstätigen über ein gutes soziales Klima am Arbeitsplatz berichteten. Dies trage mit dazu bei, die Belastungen zu bewältigen. Auch gebe es bei psychischer Belastung keine Hierarchieebenen: Von Stress berichteten sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeiter.

Von der Leyen stellte die Studie auf einer Fachtagung in Berlin vor. 2011 seien bundesweit 59,2 Millionen Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund psychischer Erkrankungen registriert worden. Das sei ein Anstieg um mehr als 80 Prozent in den vergangenen 15 Jahren. Dies habe zu einem Ausfall an Bruttowertschöpfung - das ist der Produktionswert aller Leistungen und Dienstleistungen abzüglich der Vorleistungen - von 10,3 Milliarden Euro geführt.

Ein Drittel hat mehr als 40 Stunden

Die Ministerin wies darauf hin, dass ein Drittel der Befragten angab, ihre Pausen wegen eines zu großen Arbeitsaufkommens ausfallen zu lassen. Gesundheitliche Beschwerden durch psychische Belastungen nähmen zu. Knapp 17 Prozent - und damit jeder sechste Beschäftigte - fühlten sich während der Arbeit sowohl körperlich als auch emotional erschöpft.

Nach der Studie sind Termin- und Leistungsdruck in Deutschland stärker verbreitet als im Durchschnitt der 27 EU-Länder: Jeder zweite Befragte (52 Prozent) gibt das an. Fast jeder Zweite (44 Prozent) wird bei der Arbeit durch Telefonate und E-Mails unterbrochen. Knapp 60 Prozent fühlen sich durch das gleichzeitige Erledigen verschiedener Aufgaben belastet. Für 35 Prozent ist die Arbeitswoche länger als 40 Stunden. 26 Prozent klagen darüber, dass sie keine Pausen machen können. Insgesamt 64 Prozent arbeiten auch samstags, 38 Prozent an Sonn- und Feiertagen. Besonders belastet fühlen sich dabei Chefs.

dpa/dapd/end