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Zubereitung: Gegrilltes Eisbein

Foto: Peter Wagner

Gegrilltes Eisbein Ich hab die Haxen dicke!

Eisbein dürfte in die Top Ten urdeutscher Küchenklassiker gehören - wie aber bekommt man die Haxe auf dem Grill richtig knusprig? Ein Rezept für gegrilltes Eisbein mit Weinkraut und Kohlrabikroketten.

In der Hitparade der urdeutschen Küchenklassiker rangiert der gekochte, gepökelte oder gebratene Schweineextremitätenabschnitt auf Augenhöhe mit den Big Nine: Roulade, Pichelsteiner, Leipziger Allerlei, Krautwickel, Hackbraten, Kassler, Jägerschnitzel, Currywurst und Buletten. Nahezu jeder wichtige Volksstamm zwischen Wittmund und Tittmoning hat seine eigene regionale Besonderheit in der Zubereitung entwickelt. Dennoch lässt sich das Land grob unterteilen in die Kocher/Pökeler (Norden und Westen) und die Brater/Griller (Süden).

Aus Schlachtersicht ist das schnurzegal, wird für diese Speisen doch stets das Spitzbein zwischen Knie- oder Ellenbogengelenk und den Fußwurzelgelenken am Unterschenkel der Vorder- oder Hintergliedmaßen des Schweins eingesetzt. Unterscheiden kann auch der Laie das etwas kleinere und dünnere Vordereisbein (österr.: Stelze), das fast immer gekocht und/oder gepökelt (z.B. für Eisbein mit Sauerkraut), aber fast nie gegrillt wird. Für den Backofen oder den Grill eignet sich das deutlich größere, dickere obere Spitzbein von den Hinterläufen weitaus besser - das nicht nur in Bayern als knusprige "Schweinshaxe" beliebt ist, sondern auch in Österreich und Tschechien zu den Gourmand-Gassenhauern zählt.

Haxenfleisch braucht lange Kochzeiten, ganz im Gegensatz zu der am Tier nur geringfügig weiter oben angesiedelten Keule. Sie ist das begehrteste Stück am Schwein, aus dem Hintern werden Schinken - sogar im Ganzen mitsamt Oberschenkel und Knochen wie beim Jamón Ibérico - hergestellt. Das Eisbein dagegen liefert keine Kurzbratartikel (Schinkenschnitzel), es eignet sich viel besser zum Verzehr im Ganzen, wenn es nach ausreichend langer Garzeit dann zum Beispiel in Berlin als Eisbein mit Sauerkraut und Erbspüree serviert wird, in Köln als Hämmchen (Achtung beim Bestellen: so nennen sie dort auch die von der Blutgrätsche blau getretene Fußballerwade!), in Frankfurt als Haspel oder in Magdeburg als "Bötel mit Lehm und Stroh" (also mit Erbsbrei und Kraut).

Reedermünder, fettverschmiert

Auch die Schweizer lieben ihr Schweinswädli (Gnagi), einzig die Franken brauchen wieder eine Extrawurst. Das gegrillte Bein steht dort oft als "Adlerhaxe" auf der Karte - nicht zu verwechseln mit dem oft fälschlich als Eisbeinsynonym verwendeten fränkischen "Knöchla": das wird in der Zerlegung aus dem oberen Bereich der Schweinefüße geschnitten und als gepökeltes Fleischstück zusammen mit Sauerkraut gegart. Sogar die "Vereinigung Hamburger Schiffsmakler und Schiffsagenten e.V.", aus der Sicht vieler Linken-Wähler also die fast schon kriminelle Vereinigung der Reeder, Schifffahrtmillionäre und sonstiger geldgestopfter Pfeffersäcke, feiert mit Gleichgesinnten aus aller Welt seit über 60 Jahren traditionell im November mit Massen von gepökelten Eisbeinen. In diesem Jahr werden am 4.11. im riesigen Hamburger CCH wieder mehr als 4.500 glibberige Fleischbatzen vertilgt.

Zu der Herkunft des Begriffes gibt es viele Theorien - vom optischen Eindruck (weiße Speckhaut sieht wie tiefgefroren aus) über die bevorzugte Genusssaison (bei Eis & Schnee), die Bedeutungsverschiebung des althochdeutschen isbn (Hüfte) hin zur Bezeichnung des Unterschenkels bis zu der frühzeitlichen Verwendung von gespaltenen Röhrenknochen als Kufen für Schlitt- und Schneeschuhe ("Eisknochen").

Wie auch immer, die enorme intersoziale und metakulturelle Beliebtheit dieses feisten Kaloriensprenggürtels rührt vor allem von seiner unkomplizierten Zubereitung her. Fast ringsherum vor dem Austrocknen durch die Speckschwarte geschützt und noch dazu mit dem die Temperatur gut ins Innere leitenden Knochen in der Mitte, wird das Fleisch bei fast allen Zubereitungsarten butterzart, wenn es denn mindestens zwei Stunden Garhitze abbekommen hat. Das fertig gekochte Häxlein kann, was für die Gastronomie sehr wichtig ist, auch problemlos über den halben Tag warm gehalten werden, während sich in früheren Zeiten natürlich auch die durch das Pökeln gewonnene längere Haltbarkeit als weiterer Eisbeinkarriereturbo erwies.

Entgegen der "Tageskarte"-Tradition, heilige Kochklassiker gern mal molekular zu dekonstruieren, verkneifen wir uns die "Gravitationsbefreiten Eisbeinravioli mit heißem Sauerkrautespuma" und machen auch einen Bogen um die "Frühlingsrolle von gekochtem Eisbein auf Glasnudel-Kraut-Salat" vom Lafer Hansi. Nein, wir zeigen einfach, wie die Haxe auf dem Grill so richtig schön knusprig wird.

Und das ist echt schweinegeil.

Rezept für Gegrilltes Eisbein mit Weinkraut und Kohlrabikroketten (Hauptgericht für 4 oder Alleingericht für 2 Personen)

Vorbereitungszeit: 20 Minuten

Zubereitungszeit: 2 Stunden

Schwierigkeitsgrad: einfach

Zutaten

Eisbein
1 Stück Schweinehaxe (oberes Spitzbein der Hinterhaxe), ungepökelt, ca. 1,6 kg
1 El Meersalz
1 Tl frisch gemahlener schwarzer Pfeffer
300 ml dunkles, nicht zu bitteres Bier wie z.B. "Darkon"*

Weinkraut
800 g frischer Weißkohl, in sehr dünne Streifen gehobelt
1 Stück gelbe Zwiebel
2 El Traubenkernöl
1 El weißer Zucker
350 ml nicht zu trockener Weißwein
150 ml Gemüsefond
0,5 Tl frisch gemahlener Kümmel
3 El Tomatenwürfelchen (ohne Schale und Kerne)
100 g kleine, kernlose Weintrauben
1 Prise Pfeffer und Salz
1 Spritzer Weißweinessig

Kohlrabikroketten
400 g Kohlrabiwürfel
150 ml Gemüsefond
1 El Butter
1 Prise Pfeffer und Salz
0,5 Tl Selleriesalz
1 Stück Eigelb
2 El Semmelbrösel

1 Stück Ei
200 g Semmelbrösel
700 ml gutes Pflanzenöl zum Frittieren

Zubereitung

Eisbein
Fleisch unter fließendem kalten Wasser abwaschen, gut trocknen, rundherum das Salz und den Pfeffer kräftig einmassieren. Haxe auf Grill-Drehspieß stecken (längs direkt am Knochen entlang) und bei 210 Grad 2 Stunden unter langsamen Drehen grillen. Nach 45 Min. alle 15 Min. mit etwas Bier übergießen.

Das Bier, mit dem das Fleisch übergossen wird, darf auf keinen Fall zu viel Bitterstoffe enthalten, aber auch nicht zu süß sein, damit die Schwarte nicht karamellisierend verbrennt. Vor allem viele norddeutsche Schwarzbiere haben einen hierfür ungeeignet hohen Bitterwert. Wir benutzten bei diesem Rezept die Sorte "Darkon"* - bei anderen Sorten sollte eine kleine Biermenge in der Sauteuse auf ein Viertel reduziert und dann probegeschmeckt werden - erst dann lässt sich die Bitterwirkung auf Fleisch und Sauce abschätzen.

Das Rezept lässt sich in einem Backofen (Ober/Unterhitze, erst in den letzten 30 Min. auf Heißluft umstellen) und in großen Grills mit Deckel, Drehspieß und indirekter Heizoption realisieren - bei Kohle/Holz die Glut an die Seiten schieben und Haxe mittig befestigen; bei Mehrkreis-Gasgrills den mittleren Brenner ausschalten und Aluschale mit Räucherholz seitlich dazu stellen; jeweils direkt unter das Fleisch eine flache Metallschüssel zum Auffangen der Bratflüssigkeit stellen.

Am Ende der Garzeit sollte das Fleisch innen zart vom Knochen fallen und die Kruste knackig bis mürbe sein.

Weinkraut
Zwiebel schälen, fein würfeln und in großer Sauteuse oder Wok mit dem Öl und dem Zucker leicht anziehen lassen, mit Wein ablöschen, auf die Hälfte reduzieren. Kraut (3 El Kraut für die Garnitur aufheben), Fond und Gewürze unterheben, bei mittlerer Temperatur 20 Min. köcheln lassen. Tomaten unterheben, weitere 10 Min. dünsten, Trauben unterheben und Temperatur stark verringern. Vor dem Servieren evtl. mit ein paar Spritzern Weißweinessig abschmecken.

Kohlrabikroketten
Gemüse in Butter und Fond mit Pfeffer und Salz weich dünsten (Sauteusendeckel geschlossen halten), am Ende bei offenem Deckel solange weiterköcheln, bis die Masse beginnt, am Topf anzusetzen. Dabei immer wieder mit Gabel die letzten Stückchen zerdrücken. Auf Teller streichen und erkalten lassen. Masse mit Semmelbrösel, Selleriesalz und Ei gut durchkneten, aus dem Teig vorsichtig nicht zu große Kroketten formen.

Kroketten mit verquirltem Ei und Semmelbrösel panieren und portionsweise in dem Öl bei 170 Grad goldgelb frittieren. Direkt nach dem Frittieren im Backofen bei 120 Grad auf Krepp gut entfetten.

Anrichten

Haxe vor dem Servieren 5 Min. ruhen lassen, in dieser Zeit die Bratflüssigkeit mit Zucker und evtl. Salz zu einer Sauce abschmecken und die 3 El Kraut im Krokettenöl goldgelb frittieren; anschließend auf Krepp entfetten und leicht salzen. Kroketten und Weinkraut auf Platte geben, Haxe auf das Kraut setzen, mit dem Krautstroh garnieren und alles zusammen mit einem guten Tranchierbesteck servieren. Sauce nach Belieben à part anbieten, aber eigentlich sind Fleisch und Kraut saftig genug.

Küchen-Klang

Nein, wir wollen das Eisbein nicht zur Haute Cuisine hochjazzen. Das überlassen wir lieber drei aktuellen Jazz-CDs, die unterschiedlicher nicht sein können: Der Pianist Marc Copland dialogisiert wortlos, aber unglaublich beredt mit dem Gitarristen John Abercrombie in den meditativen, hoch-erwachsenen Tracks von "Speak To Me" (Pirquet/edel), während der deutsche Krawallposaunist Nils Wogram seinem CD-Titel "Sturm und Drang" (Nwog/Harmonia Mundi) mit einer Ohr-Attacke zwischen Funk, Schepper-Lounge und nervöser Urbanität alle Ehre macht. Zu hektisch? Dann mal bei Norah Jones kleiner Cousine im Geiste reinhören: "The One" (Care Music) von Chuck Loebs singender Tochter Lizzy ist ein feines, leicht angejazztes Debüt einer außergewöhnlich erzählfreudigen Singer/Songwriterin.

Getränketipp

Am besten passt natürlich die Biersorte zum Essen, mit der auch das Fleisch übergossen wurde. Wer lieber Wein trinkt, sollte einen frischen, kräftigen Elsässer wählen, wie er dort auch gern zum Choucroute gebechert wird - zum Beispiel der fruchtige, gut strukturierte 2008er Hugel & Fils Pinot Blanc AOC*.


*Bezugsquellen:
Darkon-Bier;  
2008er Hugel & Fils Pinot Blanc AOC.