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Nobelpreisträgerin: Die kanadische Erzählerin Alice Munro

Foto: DPA/ Man Booker Prize

Kanadische Meistererzählerin Alice Munro erhält den Literaturnobelpreis

Die Schwedische Akademie hat entschieden: Der mit gut 900.000 Euro dotierte Nobelpreis für Literatur geht in diesem Jahr an die Kanadierin Alice Munro. Die "Meisterin der Kurzgeschichte" galt schon lange als eine der Anwärterinnen auf den Preis.

Stockholm/Hamburg - Eigentlich wollte sie schon mehrfach mit dem Schreiben aufhören, doch diese Auszeichnung dürfte ihr das noch schwerer machen: Die kanadische Autorin Alice Munro erhält in diesem Jahr den Nobelpreis für Literatur. Das gab der Sekretär der Nobelpreis-Akademie Peter Englund am Donnerstag in Stockholm bekannt. Die Akademie würdigte Munro damit als "Meisterin der zeitgenössischen Kurzgeschichte".

In einer ersten Reaktion zeigte sich die Preisträgerin überrascht und bescheiden. Sie sei "sehr dankbar", heißt es in einem Statement, das der "New York Times" vorliegt. "Vor allem bin ich froh darüber, dass diese Auszeichnung so viele Kanadier glücklich macht", sagte sie. "Und es freut mich, dass die kanadischen Schriftsteller nun mehr Aufmerksamkeit bekommen werden."

Die 82-jährige Munro galt seit Jahren als eine der Anwärterinnen auf den Preis. Sie hat mehr als zehn Kurzgeschichtenbände veröffentlicht. Ihr Schriftstellerkollege Jonathan Franzen nennt sie "die beste Prosa-Autorin im heutigen Nordamerika".

Munro wurde 1931 in der kanadischen Provinz Ontario geboren. Dort bewirtschafteten ihre Eltern eine Farm. Obwohl sie von ihren Eltern auf eine Zukunft als Frau eines Farmers vorbereitet wurde, wollte Munro schon mit neun Jahren Schriftstellerin werden. Im Jahr 1949 erhielt sie ein Stipendium für die University of Western Ontario und studierte Journalismus, musste ihr Studium aber nach zwei Jahren wegen Geldmangels wieder abbrechen.

Sie perfektionierte die kurze Form

Schon während des Studiums schrieb sie erste Kurzgeschichten. Auch in der Zeit danach, in der sie sich vor allem um Haus und Kinder kümmerte, gab sie das Schreiben nicht auf und veröffentlichte ihre kurzen Erzählungen vereinzelt in Zeitschriften. Gerne bezeichnete sie sich auch später noch als schreibende Hausfrau.

1968 kam ihr erstes Buch auf den Markt, - da war Munro schon fast 40 Jahre alt. In der Sammlung von Kurzgeschichten "Dance of the Happy Shades" erzählt sie von Jugendlichen, die in Munros Heimatstaat, dem ländlichen Ontario, Gefühle wie Liebe und Angst entdecken.

Ihre Kurzgeschichte "The Bear Came over the Mountain", die 2003 in der Sammlung "No Love Lost" erschien, lieferte die Vorlage für den gefühlvollen kanadischen Spielfilm "An ihrer Seite" (2006) von Sarah Polley, in dem Schauspiellegende Julie Christie eine an Alzheimer erkrankte Ehefrau spielt, die freiwillig in ein Pflegeheim geht.

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Foto: DPA/ Man Booker Prize

In ihren weiteren Veröffentlichungen perfektionierte Munro die kurze Form und ist so eine der wenigen Schriftstellerinnen, die ihren Ruhm nicht Romanen - sie schrieb nur einen: "Kleine Aussichten" - sondern Short Storys verdankt. Sie gilt als subtile Meisterin der Beschreibung von Gefühlen, besonders ihrer weiblichen Protagonistinnen.

Meist porträtiert in ihren selten länger als 30 Seiten langen Erzählungen das Leben in der kanadischen Provinz, die selbst ihr Zuhause ist. Oft in lakonischem Stil erzählt sie vom großen Glück oder Unglück. Sie interessiert sich für das Wesentliche, für große Umwege ist in einer Kurzgeschichte sowieso kein Platz.

Krönender Abschluss oder Motivation zum Weitermachen?

Im Jahr 2009 erhielt die begnadete Erzählerin den renommierten Booker Prize, 1994 und 2004 wurde sie mit dem Giller Prize ausgezeichnet, dem wichtigsten kanadischen Literaturpreis.

Zuletzt erschienen in deutscher Übersetzung unter anderem der Band "Tricks" mit acht Erzählungen und 2011 zu ihrem 80. Geburtstag die Sammlung "Zu viel Glück". (Hier finden Sie eine ausführliche Würdigung ihres Werks)

Die Auszeichnung bietet sich als krönender Abschluss für ihre Karriere an, schließlich hat sie schon öfter mit dem Gedanken ans Aufhören gespielt. "Mit so einem Geschenk abzutreten, ist wirklich das Allergrößte", sagte Hans Jürgen Balmes vom Fischer Verlag, in dem ihre Bücher in Deutschland erscheinen, zur Vergabe des Nobelpreises. Die Autorin habe alledings schon dreimal gesagt, dass sei ihr letztes Buch gewesen. "Jetzt hoffen natürlich alle, dass es auch dieses Mal nicht das letzte Buch war", so Balmes.

50 Jahre Geheimhaltung

Der Nobelpreis gilt als wichtigste literarische Auszeichnung der Welt. Der von der Schwedischen Akademie seit 1901 fast jährlich vergebene Preis ist mit acht Millionen Schwedischen Kronen (etwa 920.000 Euro) dotiert. Stifter ist der schwedische Industrielle Alfred Nobel (1833-1896) - das ausgezeichnete Werk soll von hohem literarischen Rang sein und dem Wohle der Menschheit dienen. Überreicht wird der Preis am 10. Dezember, dem Todestag Alfred Nobels, in Stockholm.

Das fünfköpfige Nobel-Komitee wählt aus den zahlreichen Vorschlägen zunächst fünf Nominierte, aus denen die Mitglieder der Schwedischen Akademie dann nach eingehender Beschäftigung mit den Werken den Preisträger wählen. Der komplette Prozess ist streng geheim. Die Nominierten dürfen laut Nobel-Statuten erst 50 Jahre später veröffentlicht werden.


Alle bisherigen Preisträger im Überblick

1901 wurde der Literaturnobelpreis zum ersten Mal verliehen, 2013 vergibt die Schwedische Akademie zum 117. Mal die weltweit wichtigste Auszeichnung für Schriftsteller.

Klicken Sie hier für eine Übersicht aller Preisträger seit 1901.


sha/seh/dpa