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Blackberry Z10 im Test Handy mit Nottank

Neustart mit Touchscreen: Der kriselnde Smartphone-Hersteller Research in Motion benennt sich in Blackberry um. Zwei Smartphones sollen ihn retten. Das Touchscreen-Gerät Z10 ist das erste der neuen Generation. Der Test zeigt: Es ist einfacher zu bedienen - hat aber auch einen gravierenden Mangel.

Der Blackberry Z10 ist da. Auf dieses Handy haben Blackberry-Fans lange gewartet, und von ihm hängt die Zukunft des Herstellers ab. Research in Motion (RIM) hat sich gerade in Blackberry umbenannt. Bei einer großen Pressekonferenz in New York stellte Firmenchef Thorsten Heins zwei neue Smartphones vor. Das Q10 (mit Tastatur) und das Z10, bei dem die klassische Blackberry-Tastatur fehlt. Es wird nur per Touchscreen bedient, eine neue Software soll das Tippen beschleunigen.

Eigentlich sollte das Z10 schon vor einem Jahr fertig sein. Jetzt enthüllt das Unternehmen endlich, wie das Gerät wirklich aussieht und was es kann. Wir haben eines der ersten Serienmodelle vorab getestet.

Die Hardware birgt keine Überraschungen, entspricht besseren Mittelklasse-Handys. Dem 1,5 GHz schnellen Prozessor stehen 2 GB Arbeitsspeicher zur Verfügung. Für Apps, Musik, Dokumente und Filme sind 16 GB Speicher eingebaut, die per microSD-Karte um bis zu 32 GB erweitert werden können. Eine zum Anwender gerichtete Zwei-Megapixel-Kamera steht für Selbstporträts und Videochats bereit, Fotos und Videos nimmt man mit einer Acht-Megapixel-Kamera samt LED-Blitz auf.

Der 4,2 Zoll große Bildschirm zeigt 1280 x 768 Pixel an, steckt in einem schnörkellosen Metallgehäuse, dessen Rückseite von einem Plastikdeckel abgeschlossen wird. In dem steckt auch der NFC-Empfänger. Das Z10 funkt noch über einige andere Netzwerkstandards: Bluetooth 4.0, W-Lan nach IEEE 802.11 a/b/g/n, HSPA+ und LTE.

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Starke Software, schwacher Akku: Das ist der Blackberry Z10

Foto: SPIEGEL ONLINE

Wichtiger als die Hardware ist die Software, die Blackberry von Grund auf neu programmiert hat. Das erste Wow-Erlebnis hat man schon, wenn man mit einem Finger von unten über den Sperrbildschirm wischt, um das Gerät aus dem Ruhezustand zu wecken. Wie ein Vorhang wird der Bildschirmhintergrund sanft nach oben geschoben, er folgt dabei auch seitlichen Bewegungen des Fingers. Zudem muss man keine Taste drücken, um das Gerät zu entsperren - ein Fingerwisch reicht aus.

Ebenso einfach gelangt man zum Blackberry Hub, einer Nachrichtenzentrale, in der E-Mails, Chat-Nachrichten, SMS, verpasste Anrufe und Nachrichten aus sozialen Netzwerken gesammelt werden. Diese Sammelstelle kann man mit einer simplen Geste immer und aus jeder laufenden App heraus erreichen.

Die schnellste Tastatur

Das Highlight ist die neu entwickelte Bildschirmtastatur. Sie macht es einem leicht, die richtigen Buchstaben zu treffen, weil sie sich den Tippgewohnheiten des Anwenders anpasst. Die Software korrigiert automatisch, wenn man immer wieder das "B" trifft, obwohl man eigentlich die Leertaste drücken wollte.

Zudem hat die Software des Z10 eine gute Funktion zum Auto-Vervollständigen. Sie errät oft schon nach ein oder zwei Buchstaben, welches Wort man tippen will. So wird sehr schnelles Schreiben möglich. Das funktioniert auch mehrsprachig. Man kann also mitten im Satz vom Deutschen ins Englische wechseln und bekommt doch die richtigen Worte vorgeschlagen.

Spaß oder Arbeit? Beides!

Die Foto- und Videofunktionen des Z10 zeigen, dass Blackberry versucht, den Ruf als Manager-Werkzeug abzuschütteln. Die Foto-App enthält eine Art Serienfoto-Modus, der Gruppenbilder optimieren soll. Statt eines Fotos werden beim Auslösen mehrere nacheinander aufgenommen. Aus denen kann man sich entweder das beste aussuchen, oder sich selbst eines zusammenbasteln. Per Gesichtserkennung werden die Köpfe aller Personen markiert, so dass man vor einem fixierten Hintergrund jeweils das Porträt auswählen kann, auf dem die jeweilige Person am besten aussieht. Das Resultat ist ein Best-of-Foto, auf dem alle in die Kamera lächeln.

Weil solche Funktionen und manche Apps im Business-Umfeld keinen Platz finden, hat Blackberry schon vor einiger Zeit eine Möglichkeit geschaffen, Privates und Berufliches auf dem Gerät so strikt zu trennen, dass auch strenge IT-Administratoren damit leben können. Die Balance genannte Technik sorgt dafür, dass man einerseits sicher an die Firmen-IT angebunden ist, andererseits auf dem Firmen-Handy eigene Apps installieren kann.

Apps und Medien

Mit viel Aufwand hat Blackberry in den letzten Monaten Programmierer dazu motiviert, Apps für das neue Blackberry OS zu entwickelt. Nun stehen vom Start weg mehr als 70.000 Apps im Blackberry World genannten Onlineshop bereit. Die Auswahl kann sich sehen lassen, enthält populäre Titel wie die "Angry Birds"-Serie und Apps einiger englischsprachiger Nachrichtenseiten. Doch die Lücken sind unübersehbar. Eine Spotify-App fehlt ebenso wie eine gute Auswahl an RSS-Readern. Zudem gibt es viele Redundanzen. So findet man sicher rund hundert Uhren-Apps und dutzende Karten-Apps auf Basis von Google Maps. Eine native Google-Maps-App dagegen nicht.

Kurz vor der Einführung tauchten auch die ersten Musikangebote in der Blackberry World auf. Blackberry bedient sich dafür der Dienste des britischen Dienstleisters 7digital, der die Kataloge der vier großen Plattenfirmen (EMI, Sony BMG, Universal und Warner) bereitstellt. Einzelne Songs kosten meist 99 Cent, Alben 9,99 Euro. Ein Film- und TV-Angebot ist geplant, wird aber zunächst nur in Nordamerika und Großbritannien eingeführt.

Schwacher Akku hält nur einen halben Tag

So gelungen die Software und so potent die Hardware des Z10 ist, so schlapp ist die Akku-Leistung. Zugegeben, wir hatten nur wenige Tage Zeit, das Smartphone auszuprobieren und haben es währenddessen oft intensiv genutzt. Die Akku-Laufzeiten dabei waren enttäuschend. Morgens um sieben Uhr vom Netzteil getrennt, erreichte die Ladestandsanzeige bereits am frühen Mittag den roten Bereich. Zwischen fünf und sieben Stunden hielt der Z10 durch, länger nicht.

Unsere Rettung war, dass mit dem Testgerät ein Zweit-Akku geliefert wurde, den man als mobiles Notladegerät per USB anschließen konnte, quasi als Zusatztank. So hielt der Z10 dann doch einen ganzen Arbeitstag durch. Trotzdem: An der Ausdauer muss Blackberry noch arbeiten. Vielleicht lässt sich diese Schwäche per Software-Update ausbessern. Apple beispielsweise hat die anfangs lausige Akkulaufzeit des iPhone 3G seinerzeit auch per Update auf ein erträgliches Niveau verlängert.

Fazit: Gute Software

So wenig aufregend die technischen Daten des Z10 sind, so gelungen ist das neue Betriebssystem. Die Bedienung ist logisch, die Optik ansprechend, die neue Bildschirmtastatur großartig. Zudem sieht der Z10 recht gut aus und liegt angenehm in der Hand. Schon nach kurzer Eingewöhnungszeit hat man typische Blackberry-10-Gesten verinnerlicht und den Blackberry Hub schätzen gelernt.

Und doch sind der Z10 und das neue Blackberry-System OS 10 keine Garantie dafür, dass Blackberry zu alter Bedeutung zurückfinden wird. Auch wenn der Zeitpunkt günstig ist, da das nächste iPhone und ein neues Android erst in Monaten erscheinen dürften.

Blackberry hätte so etwas wie den Z10 schon vor Jahren erfinden müssen, als sich der Markt für Touchscreen-Smartphones gerade entwickelte. Jetzt sind die Pfründe weitgehend zwischen iOS und Android aufgeteilt, Blackberry mit 3,4 Prozent weltweitem Marktanteil weit abgeschlagen. Wer sich bisher für eine der anderen Plattformen entschieden hat, hat sich auch an das Ökosystem dieser Plattform gebunden, Geld in Apps, Musik und Filme investiert.

Diese Kunden zu einem Umstieg auf Blackberry zu bewegen wird schwer - egal, wie gut der Z10 ist.