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Diablo III: Muss nur noch kurz die Welt retten

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"Diablo III" im Test Das Schwert ist willig, die Maus ist schwach

Alte Welt mit neuem Anstrich: Der dritte Teil der Fantasy-Prügelei "Diablo" ist bunt, laut und ziemlich simpel, aber trotzdem gelungen. Das Spiel appelliert an uralte Instinkte. Nun müssen nur noch die Server robuster werden - und meine Maushand.

Ich hatte mir geschworen, "Diablo III" nicht zu spielen. Zum einen gruselt es mich etwas, wenn ich überlege, wie viel Zeit ich in den Vorgänger investiert habe. Irgendwann habe ich von dem Geräusch geträumt, das ein fallendes Amulett kennzeichnet. Zum anderen droht der nötige Klickmarathon, meine von PC-Arbeit ohnehin angegriffenen Unterarmsehnen samt Maushand endgültig ins Verderben zu stürzen. Welt gerettet, Arm kaputt. Die lieben Netzwelt-Kollegen kündigten meine Besprechung denn auch - sehr passend - als Erfahrungsbericht einer "Diablo-II-Veteranin" an, körperliche Gebrechen also inklusive. Nun bin ich doch schwach geworden und hoffe, mein Orthopäde liest nicht mit.

Es dauert nur zwei, drei Stunden, bis ich mich auch im Spiel ziemlich alt fühle. Eben noch steht die Dämonenjägerin neben mir, deren Name in für mich unleserlichen asiatischen Schriftzeichen erscheint. Dann stecke ich plötzlich mitten drin in ihrem Speedrun - etwas anderes als der Versuch, das Spiel in Rekordzeit zu beenden, kann ihre Herangehensweise nicht sein.

Als mich gerade zwei riesige Baumwesen angreifen, haut sie einfach ab. Und während meine (wie nennen wir an dieser Stelle den weiblichen Mönch? Ich sage mal:) Nonne um ihr Leben schlägt und tritt, sehe ich, wie die Dämonenjägerin eine Queststation nach der anderen erreicht. "Hey, warte mal!", würde ich ihr gern zurufen, aber wenn ich jetzt chatte, statt zu prügeln, stirbt meine arme Nonne garantiert. Das wird zwar nur mit etwas Abrieb an Rüstung und Waffen geahndet, lässt sich aber nicht mit meinem Stolz vereinbaren. Also weiterkämpfen. Die eilige Asiatin hat Minutenbruchteile später das nächste Zwischenziel erreicht und, wahrscheinlich von meiner Langsamkeit enerviert, die gemeinsame Session verlassen.

Kurzes Gespräch vor dem gemeinschaftlichen Prügeln

Hallo? Noch jemand da, der es bei "Diablo III" ruhiger angehen lässt?

Danke, der nächste Mitspieler hat sogar Zeit für ein kurzes Gespräch. "Playing or rushing?", fragt der tiefenentspannte Zauberer. "Playing." Wir wechseln ein paar Sätze, ehe wir uns durch Wellen und Wellen von Monstern prügeln. So macht das Spiel richtig Spaß. Schön ist sie geworden, die altbekannte, aber grundrenovierte Welt, die Blizzard eröffnet hat. Egal ob düstere Keller, flirrende Wüsten oder nasse Kanalisation - zwar wirkt die isometrische Sicht von schräg oben etwas antiquiert, doch alles sieht deutlich besser aus als im Vorgänger. Dafür hat sich Blizzard ja auch zwölf Jahre Zeit gelassen mit der Entwicklung.

Zwölf Jahre, Äonen in Spiele-Zeitrechnung. Im Jahr 2000 hat mich "Diablo II" dazu gebracht, meinen betagten 486er gegen einen neuen PC auszutauschen, um mit Freunden den Multiplayer-Modus zu spielen. Der Nachfolger kommt drei Rechner später. Wobei die alten "Diablo II"-Veteranen in den Tiefen des Neuesten noch existieren. Von einem Gerät aufs nächste wurden sie kopiert - virtueller Gnadenhof. Im Einsatz waren sie ein paar Jahre nicht mehr, Sie wissen schon: die Maushand. Jetzt werden sie definitiv nicht mehr reaktiviert, die Ablösung ist ja da.

Wenn sie denn bereitsteht. Der Online-Zwang, den Blizzard verordnet hat, entpuppt sich als Geduldsprobe. Dass die Server zum Start abrauchten, passierte mit Ansage, kein Problem. Aber auch in den Tagen danach gab es immer wieder Ausfälle. Prinzipiell könnte ich damit leben, dass mich ein Spiel zur permanenten Netzverbindung nötigt. Es nervt aber, wenn ich dadurch nicht spielen kann, wann ich will.

Sobald das Spiel läuft, gibt es indes wenig Grund zur Klage. Gut, das Effektfeuerwerk, das jeder Charakter mit seinen Fertigkeiten zündet, nervt bisweilen, besonders wenn Hexendoktoren mit von der Partie sind, die ständig Gebiete mit fahlen Spinnen und anderem Geschmeiß zupflastern. Wer weiß, vielleicht hätte ich die sensorische Überlastung vor zwölf Jahren begeistert aufgenommen.

Auch die Geschichte, die die vielen Level des Prügelns und Gegenständesammelns zu einem Gesamtkunstwerk zusammenkittet, ist kein Garant für Gänsehaut oder gar Tränen - aber für unerwartete Wendungen, komplexe Entscheidungen oder frei erkundbare Welten greift man eben zu anderen Titeln, die sich im Gegensatz zu "Diablo III" Rollenspiel nennen.

"Slay and Loot"

Das Faszinierende an "Diablo" ist etwas anderes: Sobald die Gegner die ersten magischen Gegenstände fallen lassen, entwickelt es den typischen Sog, der auch die Vorgänger zu Endlosspielen machte. "Hack and Slay" heißt das Genre, aber "Slay and Loot", "Erschlagen und Plündern" wäre passender, weil das Sammeln - und Erschaffen - magischer Ausrüstung den Spielspaß erst komplettiert. Eigentlich ein simples, geradezu blödes Spielkonzept. Nur: Irgendwo tief im Gehirn, in den Bereichen, die sich in den vergangenen Jahrtausenden nicht großartig verändert haben, hüpft eine kleine Jägerin und Sammlerin vor Begeisterung bei jeder neuen, nur etwas besseren Waffe oder Rüstung.

Zwei auffällige Neuerungen bietet "Diablo III" für Artefakt-Hungrige. Einen Schmied, der magische Gegenstände herstellt, wenn man genug Gefundenes zu Pulver verarbeitet (großartige Ergänzung), sowie das Echtgeld-Auktionshaus, das eher für Unmut sorgt, obwohl es noch gar nicht eröffnet wurde. Aus Sicht von Blizzard ist die Einrichtung ein logischer Schritt. Am florierenden, wenn auch verbotenen Handel mit "Diablo II"-Artefakten hat vor allem Ebay verdient, nun will Blizzard dieses Geld selbst einstreichen. Wie sich Begeisterung für ein Spiel entwickeln soll, wenn man, genügend Kapital vorausgesetzt, einfach jeden Gegenstand kauft, ist mir persönlich schleierhaft. Auf der anderen Seite wäre es wohl illusorisch, dem Handel mit den virtuellen Gütern komplett den Riegel vorschieben zu wollen.

Im Vorfeld hörte man auch Klagen über das stark veränderte Charaktersystem. Aber gerade für Spieler, die nicht alles von Beginn an bis ins letzte Detail durchplanen wollen, ist es ein Segen. Einfach alles ausprobieren und bei dem bleiben, was am meisten Freude bereitet. Unter den fünf verschiedenen Charakterklassen sollte auch jeder einen Typ finden, der passt.

In den ersten zwei Akten des Spiels sind die Gegner zudem so leicht zu besiegen, dass ein paar Fehltritte kein Problem darstellen. Erst der Endgegner von Akt II schafft es, meinen momentanen Begleiter - einen Dämonenjäger - und meine Nonne gleichzeitig auszuschalten. Im zweiten Anlauf stirbt der Avatar des Mitspielers umgehend wieder, also heißt es alleine klicken, auch wenn der Arm schmerzt, bis der böse Belial Geschichte ist. Gelungen! Autsch! Fünf Minuten Pause für die vom Arzt verordneten Übungen für die Unterarme. Danach geht es weiter. Zumindest noch ein Stündchen.

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