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"Maniac Mansion" wiederentdeckt: Zum Lachen in den Folterkeller

"Maniac Mansion" wiederentdeckt Zum Lachen in den Folterkeller

Depressive Tentakelmonster und Mumien im Fitnesswahn: 1987 lachte sich unser Autor über das spielbare B-Movie "Maniac Mansion" scheckig. Aber macht das genreprägende C64-Adventure heute noch Spaß? Ein Test.

"Ich bin ja sooo deprimiert!", jammerte das grüne Tentakelwesen, als es durch sein Jugendzimmer schleimte. Es lief gerade nicht so: mit der Band, weil ihm zum Musizieren die Arme fehlten; mit dem Hausherren seiner Gruselvilla, Dr. Fred, weil der sich mit einem bösen Meteor im Folterkeller verschanzt hatte; und mit seinem Mitbewohner Purpurtentakel, da der im Gegensatz zu ihm in Dr. Freds Pläne eingeweiht wurde, die Welt zu unterjochen, indem sie der jungen Sandy das Gehirn aussaugen.

Um das zu verhindern war ich hier, mit meinen drei Figuren: Sandys Freund Dave, dem Nerd Bernard und Punkerin Razor. Und schlug mich mit Tentakelwesen, Mumien und ein paar außerirdischen Polizeibeamten rum.

Es war 1987, das Jahr, in dem Matthias Rust auf dem Roten Platz landete. Aber das interessierte mich mit zehn herzlich wenig. Seit Tagen hockten ich und Jens bei einer fragwürdigen Diät aus Tri-Top-Verdünnsaft und Fruchtzwergen vor meinem bahamabeigen C64 und zockten das Adventure "Maniac Mansion". Nicht primär, um Sandy zu retten, die war schließlich ein Mädchen, darum doof und brauchte gar nicht so dringend vorm Gehirnaussaugen gerettet werden, fanden wir.

Wir wollten vor allem all den Quatsch entdecken, den Designer Ron Gilbert im Spiel versteckt hatte: Etwa, wie man der galaktischen Polizei Klingelstreiche spielt. Viele unserer Experimente endeten mit dem Tod einer Spielfigur - wie die tolle Idee, einen mit Raketentriebwerk getunten Wagen zu starten. Andere hingegen... na ja, die Sache mit dem Hamster und der Mikrowelle vergessen wir besser.

Wo ist das Kettensägenbenzin?

"Ein Spiel wie im Kino", warb der Hersteller - zu Recht: Jens und ich waren mit Pac Man durchs Labyrinth gehetzt, hatten mit der Joystick-Rüttel-Olympiade "Summer Games" unsere Steuerknüppel verschrottet und fühlten uns wie Kaptain Kirk, wenn in "Elite" nach 30 Minuten ödem Flug durch die unendlichen Weiten des Alls (= weiße Punkte auf Schwarz) langsam ein Planet (= Kreis) erkennbar wurde. Aber eine so selbstironische Geschichte wie in diesem spielbaren B-Movie hatte uns noch keiner auf dem C64 erzählt.

Tage verflogen, während wir die menschenfressende Pflanze mit Cola zum Rülpsen brachten, Wachsobst an das Tentakelvieh verfütterten und überall Benzin für die verdammte Kettensäge suchten. Irgendwann hingen wir fest. So hartnäckig, dass wir das Tabu brachen: Mit den verpönten Spiele-Tipps aus der Zeitschrift "ASM" schafften wir es, den bösen Meteor zu besiegen!

Als der C64 endlich aus war und ich dabei, die Türme leerer Fruchtzwerge-Packungen einzusammeln, die irgendwie in meinem Zimmer gewachsen waren, fühlte ich mich allein. Nicht, weil Jens weg war - sondern weil mir Dave, das Tentakel und sogar Dr. Fred irgendwie fehlten. Weil "Maniac Mansion" etwas geschafft hatte, das ich aus Games nicht kannte: Es hatte seine Figuren zum Leben erweckt. Ob sich je wieder ein Spiel so anfühlen würde?

Grüß Dich, altes Haus!

Um das zu klären, bin ich nun übers Wochenende zu meinem Vater gefahren. Gleiches Dorf, gleiches Haus, gleiches Zimmer, nur gefüllt mit Krempel und Umzugskartons aus 30 Jahren Leben. Und das gleiche Spiel. Meinen C64 gibt es nicht mehr. Nur die labberige Floppy-Disk in ihrer Papierhülle finde ich noch in einer Kiste - ins Laptop passt die leider nicht.

So einfach wie früher, als ich nur "LOAD '*',8,1" und "RUN" tippen musste, startet das Spiel nicht mehr. Zwar gibt es eine Browsergame-Version, doch die ist verbuggt. Wer das Original in aller Pixelpracht spielen will und die Dateien auf den PC bekommt, kann es mit dem Emulator SCUMMVM zum Laufen bringen. Viel einfacher wäre natürlich, das aufgehübschte Remake "Maniac Mansion Deluxe" von 2004 zu spielen. Aber das wäre schummeln. Wie die Spieletipps der "ASM".

Nach Stunden nervtötenden Bastelns stehe ich endlich wieder zwischen seltsam elektrisch zirpenden Grillen vor der Villa. Zur Feier proste ich mir mit einem Glas Tri-Top (Orange-Mandarine) zu. Während ich noch dabei bin, den fiesen Geschmack mit einem Fruchtzwerg zu überdecken, habe ich mich schon ins Haus geschlichen. Sieht aus, als hätte ich es gerade erst verlassen: Am Küchenmesserblock hängt noch die Kettensäge, im Kronleuchter noch immer der Schlüssel, den ich früher erst nach Stunden des Bildschirmabsuchens fand.

"Pixeljagd" schimpfte man das - damals, im Games-Pleistozän, konnte man ja wirklich noch jedes Pixel sehen. Optisch stört das heute erstaunlich wenig, genausowenig wie die verwaschenen Farben, bei denen schon mal schweinchenrosa Menschen vor schweinchenrosa Wänden verschwinden. Um Grafik ging es nie in Adventures, hier zählen innere Werte.

Und Seele hat das Spiel. Immer wieder muss ich schmunzeln: Etwa, wenn ich im Fitnessraum der Mumie das Centerfold "Miss Mumie 982 v. Chr." finde - oder den Farbfernseher im Sarkophag des Bandagenmanns. Irgendwie muss man die Jahrtausende ja totschlagen.

Monster in der Sackgasse

Auch spielerisch macht vieles noch Spaß. Vor allem wenn unter Zeitdruck mehrere Figuren zusammenarbeiten, wird es spannend: Nachdem etwa eine die Hauptwasserleitung unter dem Haus zugedreht hat, kann eine andere im Hof den leeren Swimmingpool durchsuchen. Dumm nur, dass Dr. Fred seinen Reaktor mit dem Pool kühlt - also beeilt man sich besser. Interessant sind auch die verschiedenen Enden und Lösungswege, je nachdem, welche Spielfiguren man aus Sandys Clique wählt.

Leider ist nicht alles an dem Spiel so gut gealtert. So machte sein Interface "Maniac Mansion" 1987 noch zum Wegbereiter des Point-and-Click-Adventures. Statt wie zuvor Textbefehle zu tippen und zu hoffen, dass das Spiel sie versteht, klickte man sich nun aus Verben und Objekten Kommandos zusammen. Das schuf ungekannten Spielfluss - wirkt inzwischen aber verstaubt: Während man Sätze zusammenbastelt, vergehen gefühlte Ewigkeiten. Was zudem ausbremst: Das Spiel sagt mir nicht, ob ich auf ein benutzbares Objekt zeige. Also klicke ich ständig mit dem "Was ist"-Befehl auf alles. Das Tempo wird dadurch so behäbig, dass ich oft nebenbei SMS schreibe.

Noch schlimmer ist, wie unfair das Adventure heute wirkt: Schon, dass Figuren dauerhaft sterben können, ist für moderne Adventures eher ungewöhnlich. Wirklich katastrophal sind allerdings die vielen Sackgassen - inzwischen tabu im Adventure-Design. Oft erkennt man sie erst, wenn es zu spät ist . Finde ich etwa einen Umschlag im Safe und reiße ihn sofort auf, habe ich das Spiel unter Umständen unlösbar gemacht. So viele dieser Sackgassen gibt es, dass ich irgendwann doch wieder Lösungstipps lese.

Natürlich ist es auch nicht fair, "Maniac Mansion" nach heutigen Standards zu bewerten. Andererseits sieht man die Welt inzwischen einfach anders - auch die virtuelle. Ja: Es war toll, nach all den Jahren wieder das alte Haus und seine Bewohner zu sehen. Trotzdem: Richtig Klick gemacht hat es nicht mehr. Irgendwie deprimierend.

Also sammle ich die Fruchtzwerge-Packungen ein und lege die Diskette zurück in einen Umzugskarton. Ein wenig vorsichtiger, als ich sie herausgeholt habe.