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Schwarmfinanzierung: Kickstarter und Klone

Schwarmfinanzierung Krautfunder warten auf den Kickstarter-Effekt

Die Idee ist gut, die Portale stehen bereit: Auf der US-Seite Kickstarter kommen regelmäßig Hunderttausende Dollar für kühne Ideen und Projekte zusammen, die Nutzer machen es mit kleinen Beträgen möglich. Bei den deutschen Nachahmern will das Krautfunding nicht so recht zünden.

Geschafft! 20.000 Dollar hat Axel Pfaender im Internet für sein Projekt eingesammelt, fast ein Drittel mehr als nötig. Seine Idee: ein Verstärker für MP3-Player in Form eines mächtigen Pappradios. Auf der Website Kickstarter  konnte man Pfaenders "Berlin Boombox" unterstützen, für fünf Dollar Spende gab es als Dankeschön Musik zum Download, für 50 Dollar eines der fertigen Bastelsets.

Crowdfunding nennt sich das Prinzip, Schwarmfinanzierung. Kickstarter, seit 2009 online, ist die größte und bekannteste Crowdfunding-Plattform. 1,2 Millionen Dollar hat dort Amanda Palmer von den Dresden Dolls binnen Wochen für ein neues Album gesammelt, 3,3 Millionen Dollar die Entwickler des Computerspiels "Monkey Island" für ein neues Grafik-Adventure. Der Hersteller einer Uhr, die vom Smartphone mit Daten versorgt wird und diese anzeigt, kamen sogar auf 10,2 Millionen Dollar.

Meistens geht es um weitaus kleinere Beträge, weniger als 10.000 Dollar im Schnitt. Jetzt zahlen, später etwas bekommen, so funktioniert Crowdfunding. Kurzfilme werden finanziert, Bücher, Partys, Ausstellungen, Recherchereisen. Mehr als 24.000 Ideen wurden bei Kickstarter eingereicht, präsentiert mit eigenem Video, und erhielten dort mindestens die benötigte Summe. Die US-Plattform behält fünf Prozent der Einnahmen, etwa noch mal so viel bekommt Amazon als Zahlungsdienstleister.

Knapp eine Million Euro

Allerdings gibt es einen Haken: Um bei Kickstarter eine Idee einzustellen, braucht man ein Konto in den USA. Das Geld für die Boombox des Berliners  musste deswegen über das Konto einer guten Freundin laufen. Zwar gibt es eine ganze Reihe von deutschen Nachahmern, die Kreativen helfen wollen - doch das Crowdfunding für Krauts ist noch lange nicht so erfolgreich. "Alles, was ich da bisher gesehen habe, war mir zu trashig", sagt Boombox-Designer Pfaender.

Mehrere Portale versuchen, an den Kickstarter-Erfolg anzuknüpfen, darunter Startnext , Inkubato , Mysherpas , Pling  und Visionbakery . Richtig durchgestartet ist bisher keine von ihnen, auf der größten Plattform, Startnext aus Dresden, kamen seit Herbst 2010 immerhin knapp eine Million Euro zusammen. Den Besuchern der Seite wird derzeit empfohlen: ein Internetportal  zum Austausch von Lebensmittelresten, die Unterstützung einer Videoreihe  über die Einwohner Berlins und ein Amateurkunstporno . Insgesamt 33.000 Euro brauchen die drei Projekte.

Was funktioniert, sind Abenteuerreisen: Eine junge Filmemacherin aus Österreicher wanderte mit Crowdfunding-Hilfe wochenlang durch Island. Nun ist sie mit einem Kollegen in Madagaskar unterwegs, für einen guten Zweck, wieder mit Web-Unterstützung. Ihre Spender bekommen Postkarten, Tagebucheinträge und nachher ein Video - weitere Abenteuerfilme sind schon angekündigt. Ein Zwillingspaar bekam 9000 Euro für eine Abenteuer-Radreise von Berlin nach Shanghai zusammen.

Kleinkunst statt kühner Visionen

Aber während Kickstarter ständig neue, erfolgreiche Projekte präsentieren kann und die gescheiterten schnell versteckt, finden sich gerade auf den kleineren deutschen Plattformen jede Menge Projektleichen. Klickt man sich durch die Portale, lässt sich jede Menge Selbstverwirklichung sponsern - Krimiautoren, die keinen Verlag gefunden haben, Metal-Musik aus dem Hobbykeller. Schräge Bastelarbeiten, Designobjekte und kühne Erfindungen sind noch die Ausnahme, bodenständige Kleinkunst die Regel.

Das wohl erfolgreichste Crowdfunding-Projekt der jüngsten Zeit kam dann auch ohne den Support von Kickstarter-Klone aus: Die Filmfirma Brainpool sammelte für einen "Stromberg"-Kinofilm eine Million Euro von Fans ein, die dafür am möglichen Erfolg des Projekts beteiligt werden sollen. Die Crowdfunding-Profis sprechen deshalb allerdings lieber von Crowdinvesting . Daneben gibt es auch noch das Crowddonating (Spenden) und das Crowdsponsoring (letztlich Werbung). Während die deutsche Szene noch Begriffe studiert und sich fragt, ob sie noch einen Roman im Selbstverlag oder den nächste Videodreh einer bisher unbekannten Band finanzieren will, fließen beim Original die nächsten Millionen.

Der Netzwerk-Effekt - wer hat, dem wird gegeben - lässt Kickstarter weiter wachsen. Für die "Berlin Boombox" ein großer Vorteil. Pfaenders Idee wurde im Netz schnell bekannt, auch auf SPIEGEL ONLINE landete eine kleine Meldung über die Designidee. "Die PR, die sich durch Kickstarter ergeben hat, wäre unbezahlbar für mich gewesen", sagt Pfaender. Die Nutzerschaft der Krautfunding-Plattformen hält sich im Gegensatz dazu noch in engen Grenzen.

Eigentlich eine gute Nachricht, es kann nur besser werden. Bleibt nur noch die Frage, ob es womöglich einen kulturellen Unterschied bei der grundsätzlichen Bereitschaft zur lustvollen Vorfinanzierung gibt. Pfaender jedenfalls sagt: "Ich glaube, Amerikaner haben an so was einfach mehr Spaß."