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Jugendliche IT-Gründer: Dollar-Millionen, bitte hier entlang

Foto: Alton Sun

Zuckerberg 2.0 Die Kinder des Silicon Valley

Sie buhlen um Venture Capital, viele dürfen noch kein Auto fahren, verwalten aber Millioneninvestitionen: Zu einer Konferenz der jungen Nerds trafen sich amerikanische Jungunternehmer in Palo Alto im Silicon Valley. Ihre Chancen für ihre App-Spielereien stehen gut: Frisches Geld gibt es hier an jeder Ecke.

Die Szenerie erinnert an einen Ausflug ins Schullandheim. Rechts neben der Tür steht ein langes Frühstücksbuffet, es gibt Obst und Säfte, Milch und Muffins. Links liegen Dutzende Rucksäcke in der Ecke, Zeitschriftenstapel auf dem Tisch, daneben türmen sich T-Shirts bedruckt mit Web-Symbolik. Zahnbespangte Schüler sitzen auf Stufen, scherzen oder fachsimpeln, und hätten nicht beinahe alle Computer auf dem Schoß oder Smartphones in der Hand, mit denen sie unablässig Nachrichten ins Web schicken, könnte man das Ganze tatsächlich für ein Ferienlager im kalifornischen Sommer halten.

Um Spaß geht es hier im George-E.-Pake-Auditorium zwar auch, in erster Linie aber um handfestes Business. Zur vierten "Teens in Tech"-Konferenz sind mehr als 250 Jugendliche nach Palo Alto gekommen, in die Herzkammer des Silicon Valley, Heimat der Kult-Konzerne Apple, Google oder Facebook.

Die zahlreichen Jungs und wenigen Mädchen treffen sich nicht, um zu sehen, was die Branchenriesen aushecken. Sie selbst sind die Unternehmer, die ihre Ideen präsentieren, die ihre Firmen vorstellen und hoffen, noch ein paar wertvolle Tipps von IT-Veteranen zu bekommen, die da sind, um zu sehen, was der Nachwuchs drauf hat.

Noch keine 20, nennt Wong sich Digital-Marketing-Guru

Daniel Brusilovsky, 18, hat "Teens in Tech" ins Leben gerufen. Er begann schon mit 14 Jahren, sich selbständig zu machen, und arbeitete mit Start-ups wie "Oik" zusammen, das von Skype übernommen wurde, er war Mitbegründer von "TechCrunch", gekauft von AOL, oder hob "Atebits" aus der Taufe, das heute zu Twitter gehört. "Mit Teens in Tech wollte ich den jungen Leuten eine Basis bieten, sich auszutauschen und Ratschläge von erfahrenen Experten einzuholen", sagt der leicht pummelige Brusilovsky. "Mich hat damals niemand an die Hand genommen und Hilfestellungen geleistet", ergänzt er etwas altklug. Und: "So wie es nie zu spät ist, ein eigenes Unternehmen zu gründen, so ist es auch niemals zu früh."

Seine Hilfe trägt offenbar Früchte, etwa bei Brian Wong. Noch keine 20, nennt er sich Entrepreneur, Social-Media-Experte und - ganz unbescheiden - Digital-Marketing-Guru. Sein Unternehmen heißt "FollowFormation", Wong entwickelt Mini-Programme für Twitter, die es Nutzern ermöglicht, andere Twitterer mit gleichen Interessen in der Nähe aufzuspüren. Wongs zweite Firma heißt "Kiip.me". Sie stellt Werbeplattformen für Spiele auf Mobilgeräten zur Verfügung. Den Risikokapital-Firmen Hummer Windblad, True Ventures und Crosslink Capital war diese Idee vier Millionen Dollar wert, als sie im April bei Wong einstiegen.

Oder die Gründer Cory Levy und Michael Callahan, beide 19. In ihre Firma "one" floss im Juli rund eine Million Dollar, von gleich acht Risiko-Kapitalgebern - und das, obwohl die Idee eine ganz ähnliche ist, wie die von Wong: Die Entwicklung einer App, die Interessen der User abgleicht, die in der Umgebung sind. Bei genügend Übereinstimmungen wird das betreffende Profil auf der eigenen Facebook-Seite empfohlen.

Vom Klischee-Nerd bis zum Westentaschen-Business-Man

Manche der Kids in Palo Alto sehen aus, wie man sich den klassischen Nerd vorstellt: lange, leicht fettige Haare, die Klamotten altmodisch und zu groß, die Unterhaltungen drehen sich nur um das eine: Computer. Andere wollen aussehen wie harte Business-Kerle von der Wall Street, auch wenn etwa Matt Linton, 15, sehr unbeholfen wirkt. Linton's blaues Sakko könnte sein Papa in den Achtzigern ausrangiert haben, die helle Hose schlabbert um dünne Beine, an den Füßen stecken weißen Turnschuhe. Linton ist Spiele-Entwickler, die großen Gesten hat er sich sehr genau von seinen Vorbildern abgeschaut. Auf der Bühne präsentiert er seine neueste Spielkreation so, wie Apple-Chef Steve Jobs stets neue Produkte vorstellt.

Linton und seine Generation treibt vor allem eines an - sie wollen so sein wie die großen Macher von nebenan. Zumindest aber sollen ihre Ideen mal so groß rauskommen.

"Unternehmen wie Apple oder Google haben es vorgemacht, dass auch vermeintlich kleine Ideen am Ende einmal großen Erfolg haben können", sagt Linton. Es ist viel von "mission" die Rede und von "challenge". Missionen und Herausforderungen hat auch James Maa. Der 17-Jährige entwickelte eine soziale Plattform, mit deren Hilfe es einfacher sein soll, sich mit Freunden zu verabreden. Der Gedanke, die Kumpels einfach mal anzurufen, erscheint Maa vollkommen abwegig. "Mit meiner App sehe ich immer gleich, wer verfügbar ist. Mit dem Telefon müsste ich sie ja alle nacheinander anrufen, das ist viel zu kompliziert."

Student mit zwölf, drei Abschlüsse und zwölf Mitarbeiter mit 20

Lintons oder Maas Ideen mögen noch Spielerei sein, das große Geld dürften sie kaum bringen. Bei Andrew Hsu, 20, hingegen könnte das anders aussehen. Mit enormer Zielstrebigkeit verfolgt der junge Mann aus Seattle das Ziel, mit seiner Firma das Lernverhalten an den Schulen zu revolutionieren. Hsu schreibt gerade ein Programm, das die Computerspiel-Leidenschaft bei Kindern und den Lerndruck, den Eltern und Lehrer ausüben, versöhnen soll. Geht es nach ihm, soll seine Lernsoftware bald an allen amerikanischen Schulen Einzug halten und Lehrstoff spielerisch vermitteln.

Hsu selbst ist ein Überflieger, wie man nur wenige auf der "Teens in Tech" findet. Mit zwölf studierte er an der University of Washington und erwarb drei Abschlüsse in Neurobiologie, Biochemie und Chemie. Dann lernte er im neurowissenschaftlichen Programm der Stanford University. Jetzt residiert er mit seinem Unternehmen "Airy Labs" in der AOL-Dependance in Palo Alto, beschäftigt zwölf Mitarbeiter und kassierte bereits 1,5 Millionen Dollar von Venture-Capital-Firmen. "Man darf sich nichts vormachen", sagt Hsu, "der Erfolg kommt nicht spielerisch. Ich arbeite oft von 10 Uhr morgens bis 3 Uhr nachts." Annehmlichkeiten, die das AOL-Gebäude bietet, wie ein Schlagzeug, Darts, Billard, Kicker oder schicke Designermöbel zwischen den gläsernen Konferenzräumen, beachtet Hsu kaum.

Dotcom-Blase reloaded? Venture-Kapitalisten verteilen reichlich Geld

Viel lieber lauscht er Michael Simmons, einem IT-Veteran im Silicon Valley. Simmons war gute elf Jahre Software-Entwickler bei Apple, bevor er sich selbständig machte. Mit Optimismus-Parolen versucht er, den Jugendlichen Mut zu machen: "Fragt euch, warum ihr das macht. Macht es niemals allein. Setzt euch realistische Ziele. Erreicht ihr sie, setzt euch neue. Lasst euch nicht aus dem Konzept bringen. Glaubt an eure Ideen."

Von Skepsis oder gar Angst vor der Zukunft keine Spur. Im Gegenteil. Nie sah es auf dem Arbeitsmarkt für IT-Fachleute in den USA besser aus als heute. Während die allgemeine Arbeitslosigkeit im Juni auf 9,2 Prozent schnellte, sank sie für Technologieexperten seit Januar von 5,3 Prozent auf 3,3 Prozent. Mittlerweile veranstalten Recruiting-Agenturen in San Franciscos Nobelhotels exklusive Abendessen, um an Nachwuchs zu kommen und locken mit Kurztrips nach Las Vegas.

Warnungen wie die von Amir Efrati bleiben da ungehört. Efrati ist Redakteur des "Wall Street Journal" in San Francisco und Kenner der jungen IT-Szene. "Wir bekommen so viele E-Mails über neue Start-ups am Tag, dass wir sie gar nicht alle lesen können. Nur wenige haben tatsächlich eine Chance. Aber da es im Moment so einfach ist, an Geld zu kommen, versuchen es alle."

Selbst Unternehmen aus dem vergangenen Jahrhundert versuchen, etwas vom neuen Glanz abzubekommen. Einer der größten Sponsoren der "Teens in Tech"-Konferenz ist ausgerechnet General Motors. Der moribunde Megakonzern stellte eine ganze Flotte schnittige Corvettes zur Probefahrt vor die Halle, auch wenn die meisten der Teilnehmer noch gar keinen Führerschein hatten. Vielleicht aber, so der Hintergedanke, haben sie bald ihre erste Million, sind auf den Geschmack gekommen und können sich einen solchen Schlitten leisten.