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DFB-Frauen im EM-Finale "Saugeil gespielt"

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft der Frauen steht im Finale der EM - und hat endlich zu alter Klasse gefunden. Besonders Sieg-Torschützin Dzsenifer Marozsan spielte gegen Schweden groß auf. Der unterlegene Gastgeber beklagte ein nicht gegebenes Tor.
Silvia Neid (Mitte): "Es war das vorweggenommene Finale"

Silvia Neid (Mitte): "Es war das vorweggenommene Finale"

Foto: Martin Rose/ Getty Images

Sie feierten diesen Sieg, als bekämen sie kurz danach schon den Pokal überreicht. Die deutschen Fußball-Frauen tanzten im Stadion des schwedischen Gamla Ullevi, beim stürmischen Pogo war selbst Silvia Neid wie entfesselt. Das 1:0 (1:0) im Halbfinale der Europameisterschaft gegen die favorisierte schwedische Mannschaft wurde tatsächlich so intensiv gefeiert wie ein gewonnenes Endspiel.

"Es war das vorweggenommene Finale", sagte Neid, als sie sich aus dem Feierkreis gelöst hatte. "Es wäre wunderschön, wenn wir am Sonntag auch den achten Titel holen würden. Aber im Moment zählt für uns nur dieser Halbfinalsieg." Die 49-Jährige strahlte, sie lachte und sie hüpfte wohl zu jeder der 23 Spielerinnen ihres Kaders und zu vielen der 22 Mitarbeiter aus dem Betreuerstab, um sich mit einer Umarmung zu bedanken.

Der Gefühlsausbruch kam nicht von ungefähr: Nach einer holprigen Vorrunde und einem schwer erkämpften, spielerisch aber kaum überzeugenden Erfolg im Viertelfinale gegen Italien (ebenfalls 1:0) fühlte sich das 1:0 in Göteborg gegen das Gastgeber-Team wie ein großer Triumph an.

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Frauen-Fußball-EM: Kampf fürs Finale

Foto: Carmen Jaspersen/ dpa

Mit Herz und Klasse konnte der siebenmalige Europameister zumindest in der ersten Halbzeit erstmals bei der EM an frühere Weltklasseleistungen anknüpfen. Dank des Tores von Dzsenifer Marozsan (33.) geht die Schweden-Reise weiter. Am Sonntag in Solna bei Stockholm treffen die DFB-Frauen auf den Sieger des zweiten Semifinales (Donnerstag 20.30 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE) zwischen Norwegen und Dänemark.

"Die Mannschaft hat saugeil gespielt", freute sich Kapitänin Nadine Angerer, die mit erst einem Gegentreffer in fünf Spielen zu den großen Stützen dieser Mannschaft zählt. Während die Torhüterin erste Interviews auf dem Spielfeld gab, verließen viele Schwedinnen weinend den Rasen.

Lotta Schelin, die die EM mit fünf Toren als bisher beste Torschützin beendete, war schwer enttäuscht. "Das ist echt krank", klagte sie. "Der Ball war doch drin. Ich verstehe nicht, wieso das Tor nicht gegeben wurde", sagte die 29-Jährige. In der 62. Minute bejubelten sie, 15.000 gelb-blaue Fans im Stadion und ungezählte Schweden vor den Fernsehschirmen das vermeintliche 1:1. Doch die Schweizer Schiedsrichterin Esther Staubli gab den Treffer nicht, weil Annike Krahn nach dem Zweikampf mit Schelin zu Boden gegangen war. Zudem stand die Schwedin, als sie angespielt wurde, im Abseits.

Marozsan spielte groß auf

"Wir hatten ein bisschen Pech, aber wir waren im Schlussdrittel des Spiels auch nicht gut genug", sagte Pia Sundhage, die große Erfolgstrainerin, die in London vor einem Jahr noch die USA-Frauen zum zweiten Mal zu Olympia-Gold geführt hatte. Mit Schweden schaffte sie es nicht, die lange Serie von Niederlagen gegen Deutschland bei großen Turnieren zu beenden. "Die deutsche Mannschaft besitzt einfach eine ausgezeichnete Qualität. In der Offensive ist sie Weltklasse. Es hat nur etwas gedauert, bis sie mit einigen neuen Spielerinnen in das Turnier hereingefunden hat", so die 53-Jährige.

Das Lob erhielt noch zusätzlichen Wert durch die Tatsache, dass Mittelstürmerin Celia Okoyino da Mbabi wegen einer Oberschenkelzerrung bei der Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes ausfiel. Anja Mittag rückte in die Sturmzentrale. "Jenny" Marozsan, die Torschützin, kehrte zurück in die Startelf und zeigte endlich eine Auftritt jener Klasse, mit der sie im vorigen Jahr zur besten Spielerin der U-20-Weltmeisterschaft gewählt wurde.

Das Publikum verabschiedete sich fair und mit großem Applaus von beiden Mannschaften. Aber die Enttäuschung über das Ausscheiden des eigenen Teams war sehr groß. "Das ist der Sommer, für den wir leben", lautete eine Schlagzeile der Zeitung "Dagens Nyheter" vor dem Spiel und meinte damit die vergangenen Wochen mit wunderschönem Wetter in Schwedens Süden und den herrlich spielenden Fußball-Frauen des Landes. 13:2 Tore in vier Spielen schoss das Team und spielte so gut wie noch nie zuvor. Bis die deutschen Frauen kamen.