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Apple-Gründer Steve Jobs Abgang des iGod

Eine dürre Erklärung, mehr nicht: Apple-Gründer Steve Jobs inszeniert seinen Rücktritt so geheimnisvoll, wie er seine Produkte vermarktete. Kann das zeitweilig wertvollste Unternehmen der Welt ohne seinen genialen Guru ähnlich erfolgreich sein? Börse und Mitarbeiter zweifeln, die Konkurrenz kann hoffen.
Apple-Gründer Steve Jobs: Abgang des iGod

Apple-Gründer Steve Jobs: Abgang des iGod

Foto: Justin Sullivan/ Getty Images

Auf dem Apple-Firmengelände im kalifornischen Cupertino gibt es einen Merchandising-Shop, gleich rechts neben dem Haupteingang und den drei Fahnenmasten, an denen die amerikanische, die kalifornische und eine Flagge mit dem Apple-Logo wehen.

In diesem Shop verkauft der Kult-Konzern neben seinen eigentlichen Produkten auch allerlei Krimskrams zur Absatzförderung: Stifte, Blöcke und Visitenkartenetuis mit dem prägnanten Logo eines angebissenen Apfels gehören ebenso zum Sortiment wie T-Shirts, auf denen der Spruch prangt: "I visited the Apple campus. But that's all I'm allowed to say." Auf deutsch: Ich war auf dem Apple-Campus, aber das ist alles, was ich verraten darf.

Dieser Spruch soll selbstironisch sein, gilt Apple doch als Trutzburg der Geheimhaltung. Um das meiste, was auf dem weitläufigen Gelände passiert oder passieren könnte, gibt es traditionell lange Zeit nur Gerüchte - ob es um die neueste Version des Apple-Bestsellers iPhone geht oder um den Gesundheitszustand des Apple Mitbegründers Steve Jobs. Konkret wird es selten.

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Steve Jobs: Rückzug des Apple-Chefs

Foto: Justin Sullivan/ Getty Images

Insofern ist auch die Mitteilung über den Stabwechsel bei Apple nur konsequent schlicht: "Ich habe immer gesagt" schrieb Jobs am Mittwoch an den Verwaltungsrat und "die Apple-Community", "wenn der Tag kommt, an dem ich meinen Pflichten und Erwartungen als Vorstandschef von Apple nicht länger gerecht werden kann, werde ich der erste sein, der das mitteilt. Leider ist dieser Tag jetzt gekommen." Er wolle sich jetzt zum Chairman wählen lassen, eine Position ähnlich der des Aufsichtsratsvorsitzenden in deutschen Unternehmen - die es bisher bei Apple nicht gab. Fortan, so Jobs, wolle er nur noch ein "einfacher Apple-Mitarbeiter" sein. Neuer Vorstandsvorsitzender soll Tim Cook werden, der bisherige Technikchef.

Das wars. Keine Erklärung, keine Begründung. Bloß keine überflüssige Äußerung.

Die Branche fragt sich: Warum gerade jetzt?

Die karge Botschaft lässt Raum für Interpretationen. Und die Anleger hatten ihre eigene Deutung: Jobs als "einfacher Apple-Mitarbeiter" gefiel ihnen gar nicht. Kurz nach Bekanntwerden der Nachricht sackte der Kurs im außerbörslichen Handel um mehr als fünf Prozent ab. Und das dürfte noch nicht alles gewesen sein. Denn mit Jobs Abgang endet eine Ära im Silicon Valley. Apple war Jobs und Jobs war Apple. Nicht nur die Aktionäre werden sich jetzt fragen, was aus dem Konzern wird, der im vergangenen Jahr einen Rekordgewinn von 7,3 Milliarden Dollar verbuchte und mit mehr als 300 Milliarden Dollar Börsenwert inzwischen einer der wertvollsten der Welt ist.

Im Januar schon, anderthalb Jahre nach einer Lebertransplantation und sechs Jahre nach einer Bauchspeicheldrüsenkrebs-Diagnose, hat sich der 56-jährige Jobs aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen - vorrübergehend hieß es da noch. In ähnlich dürren Worten wandte er sich auch damals an seine Belegschaft und schrieb, er wolle sich "jetzt verstärkt meiner Gesundheit widmen".

Dennoch trat der Mann, der schwarze Rollkragenpullis, Bluejeans und Turnschuhe zu seinem Markenzeichen gemacht hat, noch am 6. Juni bei der World Wide Developer Conference (WWDC) in San Francisco auf. Dort stellte er Apples Strategie in der Cloud-Technologie vor - eine Methode, Daten nicht mehr auf heimischen Festplatten, sondern auf externen Servern im Internet zu speichern.

Einen Tag später zeigte sich Jobs im Stadtrat von Cupertino, um Bürgermeister Gilbert Wong und die Stadtverordneten von den Bauplänen eines neuen Apple-Campus zu überzeugen. Und im März präsentierte der Firmengründer, der von seinen Jüngern in Anlehnung an den Musikspieler iPod auch iGod genannt wird, noch seinen neuesten Clou: das iPad 2.

"Egal wie gut seine Offiziere sind, sie sind nicht Steve."

Was also ist los, dass der offizielle Rücktritt ausgerechnet jetzt bekannt wird? Tim Bajarin, Chef der Technologie-Beratungsfirma Creative Strategies, sagte, die Neuigkeiten seien "ein Schock, weil sie so abrupt kommen." Der Schritt befeuert die Gerüchte, wonach Jobs wohl nie wieder vollständig genesen wird.

Manche sehen deshalb bereits das Ende der Apple-Vorherrschaft nahen. Tom Hawkins zum Beispiel. Der ehemalige Apple-"Director of Strategy and Marketing" hatte sich in den frühen achtziger Jahren mit Jobs heftige Machtkämpfe geliefert. 1982 stieg Hawkins aus, heute ist er Chef der Firma Digital Chocolate, die Spiele für Mobiltelefone herstellt.

In einem Interview lobte Hawkings seinen Ex-Chef zunächst als den "größten Unternehmenschef in der Geschichte". Nur, um das Lob dann doch zu vergiften: "Wenn man sich die Institutionen der Geschichte anschaut, etwa das Römische Reich, wie sehen die auf ihrem Höhepunkt aus? Schaut Euch Apple an. Wie kann man auf den Gedanken kommen, dass Apple nicht seinen Höhepunkt erreicht hat?"

Noch lebe der Boss, sagte Hawkings voller Zynismus. Apple habe "dieses Tablet-Ding kreiert", mit dem iPhone das Telefon "neu erfunden" und dem Mac neues Leben eingehaucht. "Sie haben dieses Super-High-Marketing. Alle diese Dinge laufen so gut wie sie nur laufen können. Wie viel besser kann es noch kommen?" Vielleicht dauere es noch ein Jahr oder zwei. Dann werde der Abstieg einsetzen. Auch - aber nicht nur - wegen der großen Abhängigkeit Apples von Jobs. "Egal wie gut seine Offiziere sind, sie sind nicht Steve."

Aus dem eigenen Unternehmen rausgeworfen

Dabei war Jobs bei Apple gar nicht immer erste Wahl. 1976 gründeten Jobs und sein fünf Jahre älterer Freund Steve Wozniak zusammen mit Ronald Wayne die Apple Computer Company in Jobs' Garage in Palo Alto, Kalifornien. Jobs, der nie studierte, brachte den Apple I heraus, einen Heimcomputer, den er für 666,66 Dollar verkaufte. Für den Prototypen bastelten die drei noch ein primitives Holzgehäuse. 1984 stellte Apple den Macintosh vor. Es war der erste kommerziell erfolgreiche Computer mit einer grafischen Benutzeroberfläche.

Dennoch verlor Apple den Anschluss. Konkurrenten wie IBM, die auf Intel-Prozessoren und später auch auf die Benutzeroberfläche Windows von Microsoft setzten, zogen davon. Mitte der achtziger Jahre stand Apple kurz vor der Pleite. 1985 flog Jobs aus seiner eigenen Firma raus.

Zwölf Jahre später rief der Konzern den Mitgründer zurück und beschäftigte ihn zu einem symbolischen Gehalt von einem Dollar. Mit diesem Comeback begann der Siegeszug von Apple. Vor allem Jobs ist es zu verdanken, dass Apple-Produkte seither vor allem durch ihr innovatives Design auffallen. Er hatte die Idee, die Computer-Technik nicht in einem externen Gehäuse zu verstecken, sondern in einem transparenten, formvollendeten Monitor, den es in vielen Farben zu kaufen gab.

Auf den Computer iMac folgten die iBooks in stilprägendem Weiß, 2001 der iPod, mit dessen Online-Shop iTunes Jobs die gesamte Musikindustrie revolutionierte. Der iPod wurde zum meistverkauften digitalen Walkman der Welt. Im Anschluss krempelte Jobs mit dem Smartphone iPhone quasi im Alleingang den gesamten Telekommunikationsmarkt um. Frühere Handy-Giganten wie Blackberry oder Nokia können nur ratlos zuschauen, wie Apple ihnen die Marktanteile wegnimmt. Zuletzt entwickelte Jobs' Firma den Tablet-Computer iPad, der Verlage und klassische Computerhersteller gleichermaßen in Aufruhr versetzt.

Jobs' Nachfolger hat das Charisma eines Buchhalters

Doch in der Wirtschaft zählt die Vergangenheit nichts und die Gegenwart wenig. Aktionäre und Kunden wollen wissen, wie es in Zukunft weiter geht. Ohne Jobs, ohne "dessen Vision, immer zu wissen, was die Nutzer wollen", wie die "New York Times" schreibt? Das Geheimnis von Steve Jobs sei nicht sein Genie oder sein Charisma, "sondern seine außergewöhnliche Risikobereitschaft", sagt Alan Deutschman, der eine Biografie über Jobs geschrieben hat.

Ob der neue Vorstandschef Cook diese Risikobereitschaft mitbringt, ist fraglich. Zwar ist auch er ein Apple-Urgestein und seit 13 Jahren im Unternehmen. Doch die, die ihn kennen, schreiben dem 50-Jährigen eher das Charisma eines Buchhalters zu. Schon während Jobs' teilweiser Auszeit soll es im Vorstand immer wieder Diskussionen und Streitereien über die künftige Ausrichtung des Konzerns gegeben haben. Solche Auseinandersetzungen konnte Jobs allein durch die natürliche Autorität eines Firmengründers wieder befrieden.

Doch das dürfte jetzt vorbei sein. Jobs will sich nicht mehr einmischen.

Angeblich hat Apple für die kommenden Jahre viele neue Produkte in der Pipeline. Aber kaum jemand glaubt, dass sie ohne Jobs ähnlich einflussreich die Märkte erobern wie mit ihm. "Entweder hat Steve genügend von seiner DNA in Apple injiziert, so dass es einigermaßen erfolgreich weitergeht", sagt Guy Kawasaki, der in den späten achtziger Jahren im Vorstand des Konzerns saß. "Oder Apple wird ohne Steve straucheln. Aber auf keinen Fall wird Apple ohne Steve besser als mit ihm."