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Nach der Lehman-Pleite: Berufswunsch ehrlicher Banker

Foto: Frankfurt School of Finance

Banker-Lehren aus der Lehman-Pleite Das bisschen Ethik macht sich von allein

Banker klagen, dass das Image ihres Berufsfelds nur knapp über dem des Zuhälters liegt. Aber out ist der gutbezahlte Job deshalb noch lange nicht. Die Branche versucht, ihr Ansehen aufzupolieren. Das zeigt sich nirgendwo so deutlich wie an den Bankenschmieden der Republik.
Von Katharina Pauli

Frankfurt/Wiesbaden - "Wo studierst du eigentlich?" Wenn Georg Wässa diese Frage auf einer Party gestellt bekommt, überlegt er sich genau, wie er antwortet. "Ist es jemand aus einer eher linken Ecke, dann antworte ich einfach 'Frankfurt'", sagt der 23-Jährige. Ist er unter seinesgleichen, legt er die Karten offen auf den Tisch: "An der Frankfurt School of Finance and Management".

Die private, staatlich anerkannte Hochschule liegt mitten in Frankfurt in der Nähe des Mains. Von der weitläufigen Dachterrasse, auf der sich im Sommer die Studenten drängen, blickt man auf die Skyline der Stadt. In die Wände der Lobby sind Flachbildschirme eingelassen, die nonstop Börsenkurse und Nachrichten abspielen.

Wer an der ehemaligen Bankakademie studiert, den interessiert die Welt von Aktien, Anlagen und Anleihen. Doch es ist auch die Welt, in der vor drei Jahren die Investmentbank Lehman Brothers   pleite ging. Die Banker galten fortan als maßlos und gierig. Und noch immer haftet dieses schlechte Image an ihnen. Auch die Studenten spüren die Kritik - nicht nur beim Small Talk auf Partys.

Dennoch strahlt das Investmentbanking auf die BWLer weiterhin eine große Faszination aus: Sie erzählen begeistert vom Handel mit Wertpapieren, dem Kauf und Verkauf von Firmen und anderen Formen, Geld arbeiten zu lassen. Und davon, dass sie ehrliche Banker sein möchten - sagen sie jedenfalls.

Wirtschaftsethik im Lehrplan

Georg Wässa studiert im dritten Semester BWL in Frankfurt. Vorher hat er eine Ausbildung zum Bankkaufmann gemacht - und das Chaos während der Wirtschaftskrise miterlebt: Unsichere Kunden, die nicht wussten, wie es um ihr Geld steht. "Das Privatkundengeschäft am Schalter war nicht so mein Ding", sagt der 23-Jährige. Geschichten, wie beispielsweise einer alten Dame ein Bausparvertrag angedreht wurde, haben ihn abgeschreckt. "In Zukunft will ich nur mit Leuten mit Fachkenntnis verhandeln", sagt der Student.

Wässas Kommilitone Florian Meyer sieht das ähnlich: Auch er hat direkt nach dem Abitur 2005 eine Ausbildung bei einer Bank gemacht. "Als es noch ein halbwegs anerkannter Beruf war", so der 26-Jährige. Das negative Image, das an den Bankern haftet, hält Meyer für ungerechtfertigt: "Es wird immer irgendwo schwarze Schafe geben und Leute, die das eigene Streben nach Profit über alles stellen."

Die meisten Studenten interessierten sich einfach für wirtschaftliche Zusammenhänge, glaubt Meyer. Sie wollten lernen, mit knappen Ressourcen umzugehen und Profit zu machen - aber im überschaubaren Maße. Das klingt vielversprechend, danach, dass es ein Umdenken gegeben hat. Aber was wirklich passiert, wenn die Studenten einmal im Job sind, weiß niemand. Wahrscheinlich nicht mal sie selbst.

Themen wie Wirtschaftsethik und nachhaltiges Handeln werden seit Ausbruch der Krise verstärkt an der Hochschule gelehrt. Seit vergangenem Jahr bietet die Frankfurt School sogar einen Master in Risk Management and Regulation an. Dennoch ist den Studenten klar: Einen Ehrenkodex zu unterschreiben, wie es US-Studenten nach der Wirtschaftskrise taten, wirkt nett gemeint, ist aber keine Garantie für verantwortungsvolles Handeln.

Doch wer trägt nun die Schuld am miesen Banker-Image? Viele Kunden seien genauso gierig wie die geschmähten Banker - und dann auch noch beratungsresistent, finden die Studenten. Den "Küblböck-Effekt" nennen sie das: Der bayerische Entertainer erzählt in Talkshows gerne von seinen Investments in Solar-Energie. Dann würden die Leute denken, das sei hip und investieren, ohne zu überlegen. "Aber wenn es Verluste gibt, ist das Geschrei groß", sagen die Studenten.

Gutes Einkommen wichtig

Die üppigen Verdienstmöglichkeiten seien nicht ihre Hauptmotivation, so die angehenden Banker. Doch ganz unwichtig ist ihnen Geld auch nicht. Schließlich investieren sie einiges in ihre Ausbildung: Sie kostet pro Semester 6.000 Euro. Dass sie diese Kosten möglichst schnell wieder herausholen möchten, sagen die Studenten offen.

Die Eindrücke der Frankfurter Studenten sind für Christoph Beck nichts Neues. Er forscht an der FH Koblenz zum Image von Berufsbildern. Das Ansehen des Bankers liegt knapp über dem des Zuhälters, hat ihm kürzlich ein Bankenvorstand geklagt. Früher war es noch ein angesehener Ausbildungsberuf, sagt der Professor. Heute dagegen scheinen die Banker aus dem Kundengeschäft angestaubt, und die Investmentbanker wurden durch mediale Hetze zu bösen Spekulanten. An diesem Bild sollten die Banken arbeiten, findet Beck, "sie müssen wieder sexy sein".

Studenten sind von Klischees genervt

60 Kilometer westlich von Frankfurt, in den Weinbergen des Rheingaus, dominiert das Schloss der European Business School (EBS) das 12.000-Seelen-Dorf Oestrich-Winkel. Hier sind die Nachbarn manchmal vom Treiben der angehenden Wirtschaftselite genervt und beschweren sich über Alkoholexzesse. Rund 1200 Studenten sind an der Privatuni, die in den vergangenen Monaten viele Negativschlagzeilen gemacht hat, in Bereichen wie "International Business" und "General Management" eingeschrieben.

Die ganzen Klischees, die seit der Finanzkrise in den Köpfen der Menschen über die Banker herumgeistern, will EBS-Studentensprecher Thilo Bühnen nicht mehr hören. "Das sind doch alles Zerrbilder, die an vielen Studienfächern haften", ärgert er sich. Er kann sich zwar vorstellen, später im Banking zu arbeiten, doch nicht allein des guten Gehalts wegen - sagt er zumindest heute: "Das ist schon eine wichtige Sache, aber ich würde Geld nicht über meine Grundsätze stellen."

Wer an der EBS studiert, hat beste Aussichten auf einen Job, sagt Ferdinand Mager, Professor am Lehrstuhl Banking & Finance: "Unsere Studenten kommen immer unter." Als Lehman 2008 pleiteging, "waren die Jobaussichten für BWL-Studenten nicht rosig", erinnert sich Mager. Nun sehe es zwar besser aus, "doch die Arbeitgeber sind selektiver geworden".

Mager hält viel vom angelsächsischen Uni-System, das an der EBS gepflegt wird: Neben dem wirtschaftswissenschaftlichen Schwerpunkt belegen die Studenten Ethikkurse und diskutieren mit ihren Professoren Themen wie die Lehman-Pleite.

Dieses Jahr hat eine Gruppe Studenten und Professoren einen Eid entwickelt, der zum verantwortungsbewussten Handeln anleiten soll. "Die Studenten sollen keine philosophischen Gebäude aufsagen, sondern Denken lernen und sich eine eigene Meinung bilden." Doch von der Vorstellung, dass die Privatuni Studenten zu ethisch richtig handelnden Menschen erziehen kann, hat sich Mager verabschiedet: "Wir wollen sie aber dazu bringen, die Folgen ihres Handelns zu durchdenken."