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Fast-Food-Kette "McDonald's ist nicht grün!"

McDonald's verkauft Fleisch. Als Cheeseburger, BigMac oder Big Tasty Bacon - 41.000 Tonnen Rind waren es vergangenes Jahr allein in Deutschland. enorm-Autorin Kathrin Hartmann sprach mit dem Deutschland-Chef der Burger-Kette , Bane Knezevic, über die Folgen für die Umwelt.
Deutschland-Chef Bane Knezevic: "Ideen haben wir"

Deutschland-Chef Bane Knezevic: "Ideen haben wir"

Foto: Andreas Gebert/ dpa

Frage: Herr Knezevic, als McDonald's 2009 die Hintergrundfarbe des Logos von rot nach grün änderte, nannte Ihr Stellvertreter Holger Beeck das ein "Bekenntnis zur und Respekt vor der Umwelt". Ein paar Wochen später nahmen Sie diese Aussage zurück und sagten der Süddeutschen Zeitung: "Wir sind kein grünes Unternehmen." Wie haben Sie das gemeint?

Knezevic: Die Farbe zu ändern bedeutet nicht, dass wir ein grünes Unternehmen werden. Es bedeutet für uns nur, dass wir mehr natürliche Farben und Materialien in unseren Filialen verwenden, viel Holz, viel Stein. Man kann nicht davon ausgehen, dass sich das gesamte Unternehmen ändert, nur weil man eine andere Hintergrundfarbe gewählt hat.

Frage: McDonald's hat in diesem Jahr erstmals einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht. Haben Sie Ihre Meinung also doch geändert?

Knezevic: Auch ein Nachhaltigkeitsbericht macht einen noch nicht zu einem grünen Unternehmen. Für McDonald's steht das konkrete Handeln an erster Stelle. Wir haben innerhalb unseres eigenen Systems ein Nachhaltigkeitsprogramm aufgestellt und werden kontinuierlich darüber berichten. Wir können vieles nachhaltiger gestalten, und das haben wir bereits in der Vergangenheit getan. Mit der Publizierung unserer Bemühungen bekommen wir mehr Öffentlichkeit - man kann jedes Jahr lesen, wie weit wir fortgeschritten sind, und in Zukunft kann man uns anhand dieser Berichte bewerten.

Frage: Seit Kurzem ist der ehemalige Greenpeace-Chef Gerd Leipold Berater von McDonald's. Wieso haben Sie sich ausgerechnet einen Ihrer schärfsten Kritiker ausgesucht? Man könnte auf die Idee kommen, McDonald's hätte Greenpeace gekauft...

Knezevic: Greenpeace ist eine Marke, eine große Organisation, die für viele nachhaltige Veränderungen in der Welt steht. Wenn ein ehemaliger Greenpeace-Aktivist uns nun berät, können wir das viel ernster nehmen und besser zuhören. Wenn man sich wirklich verändern will, dann muss man die Hauptkritiker überzeugen. Gerd Leipold hat eine ganz klare Haltung. Deswegen haben wir ihn ausgesucht. Und natürlich sind wir nicht immer einer Meinung.

Frage: Gibt es denn Streitpunkte, bei denen Sie auf keinen gemeinsamen Nenner kommen?

Knezevic: Ja, sicher. Er ist sehr hartnäckig und will immer mehr. Aber das ist gut so, denn damit bringt er uns auch zum Nachdenken.

Frage: Welches sind die wesentlichen Änderungen, die Leipold angestoßen hat?

Knezevic: Einer der wichtigsten Punkte ist, einen Zeitplan für die Umstellung auf grüne Energie zu entwickeln und damit weniger CO2 auszustoßen. Bis 2014 wollen wir Energie aus 100 Prozent Ökostrom nutzen, außerdem wollen wir einen nachhaltigen Gebäudestandard etablieren. Ein anderes diskutiertes Thema war, wie wir Nachhaltigkeit ins Management bringen. Ich fand seinen Vorschlag sehr interessant, finanzielle Anreize für gesellschaftliche und ökologische Leistungen zu setzen. Das ist unser Ziel für 2013. Leipold ist ein sehr praktischer Mensch, er versteht beide Seiten: die der Unternehmen und die der Umweltschützer.

Frage: Allein in Deutschland kaufte McDonald's im vergangenen Jahr 41.000 Tonnen Rind, 3300 Tonnen Geflügel und 3500 Tonnen Schwein. Der weltweit wachsende Fleischkonsum hat aber verheerende Folgen: Laut World Watch Institute ist die Produktion von Fleisch für die Hälfte der klimaschädlichen Gase verantwortlich. 30 Prozent der eisfreien Flächen werden direkt oder indirekt für die Tierzucht genutzt. Wie kann das jemals nachhaltig sein?

Knezevic: Als ich in der Schule war, habe ich gelernt, dass die Weltbevölkerung 3,5 Milliarden Menschen zählt. Heute sind es sieben Milliarden, also doppelt so viele. Das Wachstum der Fleischindustrie, des Landwirtschaftssektors und der Wasserindustrie geht Hand in Hand mit dem Wachstum der Bevölkerung. Was machen wir, wenn wir zehn Milliarden Menschen haben? Wir müssen die Leute ernähren.

Frage: Der weltweite Fleischkonsum hat sich in den vergangenen 50 Jahren verfünffacht, bis 2050 soll er sich noch mal verdoppeln. Und das vor allem in den reichen Ländern, wo Fleisch nicht lebensnotwendig ist.

Knezevic: Fleisch ist eine Quelle von Eisen und Eiweiß und einer Menge anderer Stoffe, die der Mensch zum Leben braucht. Wenn ich kein Fleisch esse, dann brauche ich eine andere Quelle für Proteine. Die nächste Quelle ist Soja. Wenn jetzt alle Soja essen, dann wird dafür der Regenwald gerodet.

Frage: Mehr als ein Drittel des weltweit angebauten Getreides landet nicht auf Tellern, sondern in Futtertrögen. 80 Prozent des weltweit angebauten Sojas wird an Tiere verfüttert.

Knezevic: Die Produktion der Landwirtschaft wird wachsen. Wir können nicht das Bevölkerungswachstum stoppen, aber wir können darüber nachdenken, wie wir dieses Wachstum nachhaltig gestalten. Außerdem: Die technische Entwicklung schreitet voran - Lebensmittelproduktion und Landwirtschaft werden sich ändern. Unser Rindfleisch stammt übrigens von Milchkühen, die nur zu einem geringen Anteil mit Soja gefüttert werden.

Frage: Im Weltagrarbericht, einer von Uno und Weltbank veröffentlichten Studie, belegen 400 Wissenschaftler und 30 Regierungen, dass nur ökologischer Landbau die Welt nachhaltig ernähren kann. Dazu müsste der Fleischkonsum dramatisch zurückgehen, um Anbau- und Weidefläche zu gewinnen. Das wäre das Ende von McDonald's, oder?

Knezevic: Nein, sicher nicht. Wissen Sie, was eine der häufigsten Kundenbeschwerden der letzten Jahre war? Dass es keinen vegetarischen Burger gibt. Also haben wir ihn nach zehn Jahren wieder eingeführt. Und er verkauft sich gut. Fleisch macht in Deutschland etwa die Hälfte unseres Geschäfts aus. Wir haben auch Salat, Eis und Pommes.

Frage: Aber die meistverkauften Produkte in Deutschland sind Cheeseburger und BigMac. McDonald's will wachsen - allein 2010 haben Sie 25 neue Filialen eröffnet, jede bedeutet: mehr Fleisch. Gibt es den Plan, das Fleischangebot zu reduzieren?

Knezevic: Wir verkaufen unseren Gästen, was sie haben möchten, natürlich. Aber wir sind nicht der einzige Abnehmer und Anbieter von Fleisch - davor kommen die Einzelhandelsketten. Es kommt darauf an, die Lieferkette nachhaltig zu gestalten. Daran arbeiten wir europaweit unter anderem mit dem McDonald's Agricultural Assurance Programm (MAAP).

"Für den Müll rund um unsere Filialen werden wir zu Recht kritisiert"

Frage: Im Unterschied zum Ökolandbau gibt es beim MAAP aber keine verbindlichen Bestimmungen zu Käfig- und Stallgröße, Auslauf, Fütterung und Verwendung von Pestiziden. Eine grundlegende Änderung der konventionellen Landwirtschaft ist das nicht.

Knezevic: Dies ist so nicht richtig. Das MAAP enthält Bestimmungen, die auch sämtliche gesetzliche Regelungen integrieren und zum Teil darüber hinausgehen. Außerdem ist das Programm ein dynamischer Prozess, der zunächst dazu dient, die Rohwaren kontrollieren zu können. Alle Produkte müssen demselben Qualitätsstandard entsprechen. Durch die Ausrichtung der MAAP-Kriterien an den Nachhaltigkeitsgrundsätzen unseres europäischen Lieferkettenmanagements wollen wir aber auch die Haltungsbedingungen verbessern, Biodiversität schützen, Pestizide und CO2 reduzieren. Und als gutes Beispiel haben wir die Flagship-Farms.

Frage: Was darf man sich darunter vorstellen?

Knezevic: Das ist ein Projekt, das wir zusammen mit der Food Animal Initiative und der Oxford University entwickelt haben. Flagship-Farms sind Höfe, die als Best-Practice-Beispiele dienen. Sie können online begutachtet werden und dienen als Orientierung für andere Landwirte. Derzeit gibt es elf Flagship-Farms in Europa, eine davon in Deutschland, zwei weitere befinden sich hierzulande im Aufbau.

Frage: Das Rindfleisch von McDonald's Deutschland stammt von Milchkühen, die in bestimmten Zeiträumen Milch geben, den sogenannten Laktationsperioden. Diese Kühe kommen aus der konventionellen Landwirtschaft und werden schon nach drei Laktationsperioden geschlachtet, weil sie völlig ausgelaugt sind. Das ist nicht nachhaltig.

Knezevic: McDonald's hat mit dem WWF 2009 das sogenannte Sustainable Landmanagement Commitment verabschiedet, in dem wir uns für die Förderung nachhaltiger landwirtschaftlicher Methoden einsetzen. Ein Schwerpunkt darin ist die Erforschung nachhaltiger Rinderhaltung.

Frage: Wirklich nachhaltig wäre es, Kühe nicht der Milch-, sondern der Lebensleistung entsprechend zu halten. Bis zu 15 Laktationsperioden kann eine Kuh dann haben. Das gibt es aber nur in der Ökolandwirtschaft.

Knezevic: Das Thema wird zurzeit in der gesamten Branche rege diskutiert. Denn es ist ja im Sinne aller Beteiligten, die Laktationszeiten von Milchkühen zu verlängern.

Frage: 2006 veröffentlichte Greenpeace den Report "Eating up the Amazon". Die Organisation hatte herausgefunden, dass das Soja, das an die Rinder in McDonald's-Burgern verfüttert wird, auf illegal gerodetem Regenwaldboden in Brasilien wächst. Daraufhin gründete McDonald's zusammen mit Greenpeace und Agrarkonzernen wie ADM, Bunge und Cargill das Soja-Moratorium. Wie funktioniert das?

Knezevic: Das Soja-Moratorium wurde im Juli 2006 zwischen lokalen und internationalen NGOs sowie den Sojaproduzenten- und -handelsverbänden ausgehandelt und seither jedes Jahr verlängert. Darin verpflichten sich die Unternehmen, nicht mit Soja von Waldflächen im Amazonasgebiet zu handeln, die nach Juli 2006 gerodet wurden. McDonald's verpflichtete seine Hähnchenlieferanten dazu, auf den Einsatz von diesem Soja zu verzichten. Damit ist sichergestellt, dass bei McDonald's für Hähnchenfleisch kein Sojamehl oder -öl von gerodeten Waldflächen im Amazonasgebiet zum Einsatz kommt.

Frage: Hähnchenfleisch hat aber einen ziemlich geringen Anteil an den McDonald's-Produkten - die größte Menge Fleisch stammt vom Rind. Der durchschnittliche Anteil von Soja im Milchleistungsfutter für die Kühe beträgt laut BUND Naturschutz immerhin 20 Prozent.

Knezevic: Erster Abnehmer des Produktes Milch ist die Milchindustrie, dann folgen als Fleischabnehmer die Einzelhandelsketten. Um bei der Rinderhaltung etwas zu erreichen, muss die gesamte Lieferkette zusammenarbeiten. Wir haben bereits den intensiven Austausch dazu begonnen. Einen direkten Einfluss auf die Zusammensetzung der Futtermittel für Rinder und Schweine kann McDonald's nicht nehmen, wir haben dazu keine Verträge mit den Landwirten. Von allen anderen Lieferanten fordert McDonald's, Soja von Vorlieferanten zu kaufen, die sich an die Vorgaben des Soja-Moratoriums halten.

Frage: Seit Januar nimmt die Rodung des Regenwalds wieder zu. Bis Juli wurden allein in Mato Grosso, woher auch McDonald's Soja bezieht, 673 Quadratkilometer Wald abgeholzt. Grund: Die brasilianische Regierung will auf Druck der Soja-Lobby ein neues Waldgesetz verabschieden, das die Abholzung von 400.000 Quadratkilometern auf geschütztem Land erlaubt. Hauptgrund für das gestiegene Flächen-Interesse: steigende Soja-Preise wegen des wachsenden Fleischkonsums. Welchen Einfluss hat das auf das Soja-Moratorium?

Knezevic: Das Moratorium ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie Umweltaktivisten und Unternehmen zusammenarbeiten können. Alle Parteien halten am Soja-Moratorium fest. Deshalb wurde es jüngst zum vierten Mal verlängert.

Frage: Foodwatch kritisiert in der Kampagne "Burger-Bewegung" bereits seit 2004, dass McDonald's Fleisch von Tieren verarbeitet, die gentechnisch verändertes Futter bekommen. Vor einem Jahr schickte Ihnen Foodwatch 72.000 Unterschriften für genfreie Burger.

Knezevic: Wir stimmen der Aufforderung zu. Grundsätzlich verwendet McDonald's keine genveränderten Zutaten. Zudem wollen wir keine genveränderten Futtermittel in unserer Lieferkette. Dies können wir für das in unseren Produkten verwendete Hähnchenfleisch sowie die in den Restaurants eingesetzten Eier garantieren. Bei Rind- und Schweinefleisch gestaltet sich das wie gesagt deutlich schwieriger.

Frage: Zurück nach Deutschland: Viele Menschen empfinden es als Ärgernis, wie es rund um McDonald's-Filialen aussieht. Die öffentlichen Mülleimer dort quellen über, die Allgemeinheit muss also für die Entsorgung des McDonald's-Mülls aufkommen. Haben Sie schon mal über ein Pfandsystem nachgedacht?

Knezevic: Für den Müll rund um unsere Filialen werden wir zu Recht kritisiert. Dennoch sind die Papierverpackungen noch immer die hygienischste und nachhaltigste Verpackung in der Lebensmittelindustrie. Wenn man Teller und Tassen verwenden würde, dann hätte man einen enormen Wasserverbrauch. Wir haben auch schon über Maisstärke nachgedacht, aber dann bräuchte man riesige Mengen Mais. Wir verwenden zwar schon zu 75 Prozent Recyclingpapier - aber trotzdem werden wir daran arbeiten müssen in den kommenden Jahren. Ideen haben wir, die darf ich aber noch nicht verraten.

Das Interview führte Kathrin Hartmann (Wirtschaftsmagazin enorm Ausgabe 4/2011)