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Lungenleiden COPD: Wenn die Atemwege streiken

Foto: Helmholtz Zentrum München

Lungenkrankheit COPD Das Volk röchelt

Husten, Auswurf, Atemnot - und im schlimmsten Fall der Tod: Das schwere Lungenleiden COPD droht laut einer aktuellen Studie jedem vierten Menschen, doch Mediziner wissen bisher nur wenig darüber. Deutsche Forscher ändern das nun.

Hamburg - Der Tag beginnt mit Husten. Mit Schleim, der aus den Atemwegen heraus muss. Beim Treppensteigen fällt das Atmen schwer. Schleichend verschlechtert sich der Zustand; das Gefühl, nicht genug Luft zu bekommen, verstärkt sich. Atemnot, Husten, Auswurf - das sind die Hauptsymptome einer weit verbreiteten Krankheit: COPD.

Jedem vierten Menschen droht im Laufe seines Lebens die sogenannte chronisch obstruktive Lungenerkrankung - die erschreckende Zahl haben kanadische Forscher im Fachmagazin "The Lancet"  veröffentlicht. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation ist COPD die vierthäufigste Todesursache weltweit . Da die Erkrankungszahlen weiter steigen, wird sie laut WHO-Prognose bis zum Jahr 2030 sogar die dritthäufigste Todesursache sein.

Trotzdem wird in der Öffentlichkeit über die Krankheit - im Gegensatz zu Krebs, Herzkreislauferkrankungen oder Diabetes - nur wenig gesprochen. Woran das liegt? Adrian Gillissen vom Klinikum Kassel kann nur spekulieren, aber "bestimmt hängt es damit zusammen, dass Husten und Auswurf prinzipiell nichts Schönes sind, sondern eher eklig."

Gillissen schränkt das in der kanadischen Studie ermittelte hohe Erkrankungsrisiko etwas ein: "Wie viele Menschen unter COPD leiden, hängt von der Definition ab. Es gibt Ärzte, die sich dafür starkmachen, die Lungenfunktion altersabhängig zu betrachten und eine etwas schlechtere Lungenfunktion im Alter eher als normal zu definieren." Dann hätte man weniger Fälle. "Ungeachtet dessen handelt es sich bei der COPD wegen ihrer Häufigkeit um eine Volkskrankheit", so Gillissen. Schätzungen zufolge sind mehr als fünf Millionen Menschen in Deutschland betroffen, wobei die Krankheit mit steigendem Lebensalter immer häufiger auftritt.

Wohl bekannter als die Abkürzung COPD ist ein umgangssprachlicher Ausdruck: Raucherlunge. Tabakkonsum gilt als größter Risikofaktor. "Die COPD ist eine im Grunde vermeidbare Erkrankung", erklärt Gillissen. In über 90 Prozent der Fälle werde sie durch eingeatmete Schadstoffe, insbesondere Zigarettenrauch, verursacht. Doch auch Passivrauchen oder durch Staubpartikel belastete Luft können die Lungenkrankheit fördern. "Ein Viertel der COPD-Kranken in westlichen Ländern hat nie geraucht", sagt Mediziner Klaus Rabe vom Krankenhaus Großhansdorf.

Viele gehen zu spät zum Arzt

COPD ist kein einfaches Krankheitsbild, es hat viele verschiedene Ausprägungen - oft haben ältere Erkrankte zudem noch andere chronische Leiden. "Bei manchen Patienten sind vor allem die Bronchien betroffen, so dass sie sehr viel Schleim produzieren und ständig husten. Andere entwickeln ein Lungenemphysem", erklärt Klaus Rabe. Dann hat sich die Lunge aufgebläht, weil sich Luft in den Lungenbläschen gesammelt hat, die durch die veränderten Atemwegsverzweigungen nicht mehr entweichen kann. Das schränkt die Atmung und die Sauerstoffeinnahme deutlich ein. Bei einigen Erkrankten lässt sich das daran erkennen, dass die Haut sich bläulich-rot verfärbt. Manche Menschen bauen deutlich Muskelmasse ab.

"Die zugrunde liegenden Prozesse sind bisher kaum verstanden. Man weiß schlicht nicht, wie und warum ein Emphysem entsteht", sagt Rabe. Einige Forscher vermuten, es könnte eine Autoimmunerkrankung sein, bei der die Körperabwehr außer Kontrolle geraten ist.

Gefürchtet bei der COPD sind sogenannte Exazerbationen: Dann verschlimmern sich akut eines oder auch alle Symptome. Bakterielle Infektionen können dies fördern, doch es gibt auch COPD-Patienten, die aus bisher unbekannten Gründen häufiger mit Exazerbationen zu kämpfen haben als andere.

Um solchen akuten Anfällen vorzubeugen und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern, können Ärzte verschiedene Medikamente verordnen, etwa sogenannte Bronchodilatatoren, die die Atemwege weiten.

Impfungen gegen die Grippe und Pneumokokken werden COPD-Kranken ebenfalls empfohlen. Dazu kommen Physiotherapie, Schulungen und Ernährungsberatung sowie, wenn nötig, eine Sauerstoffbeatmung. Das alles lindert die Symptome; von einer Heilung ist man jedoch weit entfernt. Ein weiteres Problem: "Die Anfangsbeschwerden werden häufig nicht als solche erkannt oder ernst genommen. Viele Patienten gehen daher zu spät zu einem Arzt - nachdem die Krankheit schon Jahre lang vor sich hingeschwelt hat. Entsprechend schlecht greift dann die Behandlung", sagt Gillissen.

Vernachlässigte "Pfui-Krankheit"

Im Spätstadium operieren Ärzte bisweilen. Doch das ist alles andere als unproblematisch. Einige Operationsmethoden erwiesen sich als zu riskant. Eine nun getestete Methode, bei der die Luft aus der aufgeblähten Lunge dauerhaft durch implantierte Röhrchen  entweichen soll, half nicht mehr als eine Scheinoperation. Lungentransplantationen können die Gesundheit langfristig verbessern; sie kommen aber nur für einen Teil der Patienten in Betracht - zudem macht der Mangel an Spenderorganen diesen Eingriff zur Ausnahme.

In Deutschland leben laut Tobias Welte von der Medizinischen Hochschule Hannover eine halbe Million Menschen mit einer Lungenkrankheit im Endstadium - neben COPD leiden sie unter anderem an Fibrosen. Im Jahr 2010 führten Ärzte in Deutschland aber nur 298 Lungentransplantationen durch.

Welte schildert ein großes Problem der Lungenfachärzte: "Die Forschung im Bereich COPD hängt zehn bis zwanzig Jahre zurück, weil die Krankheit weder von Gesundheitspolitikern, Patienten noch vielen Ärzten ernst genommen wurde." Er vermutet, wie Gillissen, psychologische Gründe: Husten, Auswurf - es sei eine "Pfui-Krankheit". Zwar würde sich die Lage bessern, so gebe es jetzt das Deutsche Zentrum für Lungenforschung , in dem 18 Einrichtungen zusammenarbeiten - "aber wir werden Jahre brauchen, um die Versäumnisse aufzuholen".

Es gebe zwar schon gute Daten, wie Patienten mit fortgeschrittener COPD optimal behandelt werden. "Aber die Therapie im frühen Stadium ist noch schlecht erforscht", sagt Welte. Dabei ließen sich hier entscheidende Erfolge erzielen, wenn Ärzte das Fortschreiten der Krankheit deutlich verzögern oder gar stoppen könnten.

Vergleichsweise wenig Forschungsaufwand benötigt man dagegen für die Vorbeugung: "Wer nicht raucht, hat die allerbesten Chancen keine COPD zu entwickeln", sagt Gillissen.