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Packungsbeilagen von Medikamenten EU-Kommission fordert bessere Informationen

Werbung für verschreibungspflichtige Medikamente bleibt in Europa verboten. Pharmafirmen sollen aber nach dem Willen des EU-Gesundheitskommissars John Dalli den Patienten bessere Informationen liefern - auf kontrollierbaren Kanälen.
Packungsbeilage ist kein Ersatz: Bei Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker

Packungsbeilage ist kein Ersatz: Bei Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker

Foto: Corbis

Werbung für Medikamente macht Arzneien teurer. Das zeigt zumindest das Beispiel USA, wo das sogenannte "Direct-to-consumer-advertising"  erlaubt ist. In Europa hingegen dürfen Pharmafirmen ihre verschreibungspflichtigen Medikamente nicht anpreisen, und das soll nach dem Willen der EU-Kommission auch so bleiben. EU-Gesundheitskommissar John Dalli hat heute in Brüssel Vorschläge für eine Neuregelung zu Patienteninformationen über verschreibungspflichtige Arzneien vorgelegt.

Im Wesentlichen geht es um zwei zentrale Punkte: Zum einen sollen Patienten in der EU sichere, sachlich richtige und verständliche Informationen zu Arzneien immer dann bekommen können, wenn sie danach suchen - und nicht, wenn sie in Radio, Fernsehen oder Zeitung davon überrascht werden. Zum anderen sollen Meldungen über Risiken oder Nebenwirkungen von Mitteln, die bereits auf dem Markt sind, schneller an alle Mitgliedstaaten weitergereicht werden als bisher. Nach der Vorlage von der EU-Kommission gehen die Vorschläge nun an den Rat und das Europäische Parlament, wo sie erörtert werden müssen.

Für deutsche Patienten würde sich auf den ersten Blick nicht viel verändern. Nach dem Willen der EU-Kommission dürfen Pharmafirmen in Zukunft nicht nur Packungsbeilagen zur Verfügung stellen, sie müssen es auch. "In Ländern wie Frankreich galt das bisher als Werbung", erklärt Nils Behrndt, stellvertretender Kabinettchef im Gesundheits- und Verbraucherpolitikkabinett der EU-Kommission. Allerdings dürfen die Konzerne dafür nur registrierte Websites oder gedruckte Versionen verwenden, die Patienten auf Anfrage erhalten - nicht etwa Radio, Fernsehen oder Print-Medien.

"Anfällig für Missbrauch"

"Die Suche im Internet wird dabei auch weiterhin anfällig für Missbrauch sein", sagt Behrndt im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. "Werbung ist aber auch im Internet verboten, und jedes Land ist dann für die Kontrolle und entsprechende Sanktionen zuständig." Außerdem soll der Inhalt der Informationen auf Preise, klinische Studien, Nebenwirkungen und Gebrauchsanweisungen beschränkt bleiben.

Allerdings ist die direkte Werbung nicht das einzige Mittel, um Arzneimittel anzupreisen. "Einige Verhütungspillen für Erstnutzerinnen werden mit Schminkspiegel geliefert und suggerieren, dass die Haut mit ihrer Einnahme besonders schön wird", sagt Maik Pommer, Pressesprecher des Bundesinstitutes für Arzneimittelsicherheit (BfArM). Da würden Dinge in den Vordergrund geschoben, die verdecken, dass es sich um ein Arzneimittel handelt. "Auch junge Patientinnen müssen sich kritisch mit den vorhandenen Informationen auseinandersetzen und verantwortungsvoll mit Medikamenten umgehen", so Pommer.

Neu wäre nach den Vorschlägen der EU-Kommission in Deutschland, dass alle zusätzlichen Informationen, die ein Pharmakonzern verfasst, vor Veröffentlichung von einer staatlichen Behörde geprüft werden müssen. Will eine Firma etwa im Rahmen eines Diabetes-Kongresses eine Broschüre herausgeben, so muss diese bei europaweit zugelassenen Medikamenten zuvor von der Europäischen Arzneimittelagentur (Emea) oder - bei nationalen Zulassungen - von den Landesbehörden genehmigt werden. Diese sogenannte ex-ante-Regelung soll der Werbung einen weiteren Riegel vorschieben.

Überarbeitet haben die EU-Politiker auch die Überwachung der Arzneimittelsicherheit, die sie verstärken wollen. Insbesondere der Fall des Diabetes-Medikamentes Mediator, das in Frankreich Hunderte von Menschen das Leben gekostet haben könnte, hatte den EU-Politikern vor Augen gehalten, welche Lücken das System hat. Daher sollen Pharmafirmen nun verpflichtet werden, nicht nur die Emea oder die Behörden im eigenen, sondern auch in den übrigen Ländern zu informieren, wenn eine Arznei vom Markt genommen wird. Zudem müssen die Gründe angegeben werden. "Natürlich kann ein Unternehmen lügen, aber wir wollen die Kontrollinstrumente und die Sanktionen verschärfen", so Behrndt.

Außerdem sollen Medikamente, die nach ihrer Zulassung im Alltagsgebrauch noch beobachtet werden sollen, auf einer für Patienten und Ärzte erreichbaren Liste veröffentlicht werden. Schon seit 2010 können nicht nur Mediziner, sondern auch Patienten in Deutschland Nebenwirkungen beim BfArM melden. "Der Beipackzettel ist ein dynamisches Dokument, das den derzeitigen Wissensstand über Sicherheit und Risiken widerspiegelt", so Maik Pommer vom BfArM. Sobald sich neue Hinweise auf Nebenwirkungen ergeben und sich diese in der Prüfung bestätigen, müssen sie in den Beipackzettel aufgenommen werden.

hei