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Studie an Mäusen Passivrauchen verursacht Gendefekte in Spermien

Forscher haben die Liste der schädlichen Folgen durch Passivrauchen erweitert: Männer, die den Zigarettenqualm einatmen, könnten möglicherweise Gendefekte in ihren Spermien davontragen - und so die Gesundheit ihres späteren Nachwuchses gefährden.
Spermium vor dem Eintritt in die Eizelle (Illustration): Gendefekte durch Zigarettenqualm

Spermium vor dem Eintritt in die Eizelle (Illustration): Gendefekte durch Zigarettenqualm

Foto: Corbis

Hamburg - Weltweit sterben Hunderttausende Menschen pro Jahr an den Folgen des Passivrauchens. Vom erhöhten Blutdruck bei Kindern über Herzleiden, Asthma und einem gesteigerten Risiko für Lungenkrebs - die Liste der möglichen schädlichen Folgen ist lang. Jetzt wird sie um eine weitere wissenschaftliche Erkenntnis ergänzt: Wer passiv raucht, schädigt nicht nur seine eigene Gesundheit, sondern möglicherweise auch die seiner späteren Kinder.

Der Grund: Wie ein internationales Forscherteam bei Mäusen herausgefunden hat, verursacht der Rauch aus zweiter Hand Genmutationen in den Spermien. Die Wahrscheinlichkeit sei hoch, so berichten es die Forscher um Francesco Marchetti vom Lawrence Berkeley National Laboratory in Kalifornien im Fachmagazin "Proceedings of the National Academy of Sciences" , dass diese Genveränderungen auch an den Nachwuchs weitergegeben werden - und dort gesundheitliche Schäden verursachen.

"Unsere Ergebnisse liefern zwingende Belege für das Argument, dass Passivrauchen auch beim Menschen als Keimzellen-Mutagen angesehen werden muss", schreiben die Wissenschaftler. Als Mutagen werden Stoffe bezeichnet, die das Erbgut eines Organismus verändern und beispielsweise zu Mutationen in wichtigen Genen führen.

Gendefekte nach längerer Rauchexposition waren bereits in früheren Studien nachgewiesen worden. Im aktuellen Experiment reichten jedoch bereits zwei Wochen des Passivrauchens, um bei den Mäusen Veränderungen im Erbgut der Spermienzellen zu verursachen.

Keine Schädigungen fanden sich dagegen in der DNA von Knochenmarks- und Blutzellen der Tiere. "Die Daten zeigen, dass passive Exposition gegenüber Zigarettenrauch in den Spermien bereits unter Bedingungen Mutationen auslösen kann, die noch nicht ausreichen, um in Körperzellen genetischen Schaden zu verursachen", sagen die Forscher.

Hohes Risiko für Spermienabnormitäten

Nach Angaben der deutschen Krebsgesellschaft rauchen in Deutschland rund 35 Prozent aller erwachsenen Männer. Dass dies nicht nur ihrer eigenen Gesundheit schadet, sondern auch der ihres Nachwuchses, haben in den letzten Jahren verschiedene Studien gezeigt. "Männer, die rauchen, haben ein hohes Risiko für verschiedene Spermienabnormitäten, darunter eine reduzierte Spermienbeweglichkeit, DNA-Brüche und Dopplungen sowie abnormale Chromosomen", schreiben die Wissenschaftler.

Zwei Wochen lang ließen sie in ihrem Versuch männliche Mäuse für 20 bis 90 Minuten täglich Tabakrauch aus dem sogenannten Seitenstrom einatmen. Dieser entspricht dem beim Passivrauchen aufgenommenen Rauchanteil. Die Dosis entsprach drei bis 16 Zigaretten pro Tag. Als Kontrollen dienten eine rauchfrei gehaltene sowie eine dem Rauch aus dem Hauptstrom ausgesetzte Mäusegruppe.

Sechs Wochen nach Versuchsende entnahmen die Wissenschaftler den Mäusen Vorstufen von Spermienzellen aus den Hoden. Sie analysierten die Mutationsrate in sogenannten "Short Tandem Repeats" (STR), DNA-Abschnitten, die aus zahlreichen Wiederholungen von Basenabfolgen bestehen. Die Mutationsrate bei den passiv rauchenden Mäusen war signifikant erhöht. Mit vier Prozent am höchsten lag sie überraschenderweise bei den Mäusen, die die geringere Rauchdosis erhalten hatten.

Nach Ansicht der Wissenschaftler ist dieses Ergebnis wahrscheinlich auf den Menschen übertragbar. "Unsere Daten verstärken die Beweislast für eine Klassifikation von Tabakrauch als menschliches Keimzellen-Mutagen. Ebenso implizieren sie auch den Rauch aus zweiter Hand als mutationsauslösend bei Keimzellen", schreiben sie in ihrem Artikel.

cib/dapd