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Sechster Geschmackssinn entdeckt Das überraschende Gespür für Fett

Fünf Geschmackssinne hat der Mensch: süß, sauer, salzig, bitter und umami, also herzhaft. Eine neue Studie aber liefert nun den bislang stärksten Hinweis auf einen sechsten Sinn. Auf der menschlichen Zunge gibt es Knospen, die auf Fett reagieren. Manche Menschen scheinen besonders sensibel.
Fettiges Essen (Archivbild): Forscher finden Hinweise auf sechsten Geschmackssinn

Fettiges Essen (Archivbild): Forscher finden Hinweise auf sechsten Geschmackssinn

Foto: CARLOS BARRIA/ REUTERS

Postdam - Die menschliche Zunge kann möglicherweise nicht fünf, sondern sechs Geschmacksrichtungen unterscheiden. Indizien dafür haben deutsche Wissenschaftler entdeckt. In den Geschmacksknospen der Zunge und im umliegenden Zungengewebe identifizierten sie einen bislang unbekannten Fettsensor. Der Rezeptor werde durch langkettige Fettsäuren aktiviert, welche hauptsächlich für den typischen Fettgeschmack verantwortlich seien, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin "Chemical Senses" .

Bisher war man davon ausgegangen, dass der Mensch süß, salzig, sauer, bitter und umami - also fleischig-herzhaft - schmecken kann. Der Umami-Geschmack beruht auf Bausteinen von Eiweißmolekülen wie Glutamat. Fett dagegen, so glaubte man, werde nur indirekt über Aromastoffe und seine Beschaffenheit wahrgenommen. Die aktuelle Studie belege nun jedoch, dass es auf der Zunge einen Rezeptor gebe, der Fett direkt wahrnehmen könne, sagen die Forscher. Ob dieser seine Signale auch an das Gehirn sende, müsse aber erst noch geprüft werden.

Die neuen Erkenntnisse bestätigten frühere Untersuchungen. Versuche mit Nagetieren hatten bereits Hinweise dafür geliefert, dass auch Geschmacksrezeptoren an der Wahrnehmung von Fett beteiligt sein könnten, sagen die Forscher um Maria Mercedes Galindo vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE).

Auch erste Versuche mit Menschen hatten bereits Hinweise auf den Fett-Geschmackssinn geliefert: Bei einem Test mit 30 Probanden schienen Menschen, die wenig Fett essen, in der Lage, aus ansonsten geschmacklosen Lösungen verschiedene Fettsäuren herauszuschmecken. "Wir fanden heraus, dass die Probanden, deren Geschmackssinn für Fett ausgeprägt ist und die somit sehr geringe Konzentrationen von Fett schmecken, weniger Fett essen als diejenigen, deren Geschmackssinn für Fett weniger ausgeprägt ist", sagt Russel Keast von der Deakin University. Bei Tieren ist dieser Zusammenhang bereits bekannt.

Knospen auf der Zunge

In der neuen Studie analysierten die Forscher nun Geschmacksknospen der menschlichen Zunge. Dabei suchten sie gezielt nach dem bereits von den Nagetieren bekannten Rezeptor GPR120 - und wurden fündig. Weiteren Aufschluss über die mögliche Funktion des neu entdeckten Sensors gaben Tests mit einer sogenannten "künstlichen Zunge". Mit diesem zellulären Testsystem kann man nach Angaben der Forscher im Labor untersuchen, ob ein Rezeptor von einer bestimmten Substanz aktiviert wird. Die Wissenschaftler stellten bei ihren Experimenten fest, dass GPR120 auf genau die langkettigen Fettsäuren reagierte, die auch bei Testpersonen einen typischen Fettgeschmack hervorrufen.

"Dies als Beweis für die Existenz einer sechsten Grundgeschmacksqualität 'fettig' zu sehen, wäre aber sicher vorschnell", sagt Ko-Autor Wolfgang Meyerhof vom DIfE. Hierfür müsse man erst nachweisen, dass das durch den Fettrezeptor ausgelöste Signal über spezialisierte Geschmackszellen und nachgeschaltete Nervenbahnen ans Gehirn weitergeleitet werde. Die Forscher wollen dies in weiteren Studien klären und so herausfinden, ob es tatsächlich eine sechste Grundgeschmacksqualität gibt oder nicht.

boj/dapd

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