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Gehirnschäden durch Fußball Mediziner warnen vor zu vielen Kopfbällen

Kopfbälle machen doof. Oder nicht? Seit Jahren streiten Forscher um die Folgen der Ballannahme mit dem Haupt. Eine neue US-Studie offenbart Hirnschäden bei Amateurfußballern - und ab welcher Menge Kopfbälle zu Matschbirnen führen.
Klose: Den Kopfball hat er nicht bekommen - Glück für sein Gehirn?

Klose: Den Kopfball hat er nicht bekommen - Glück für sein Gehirn?

Foto: PATRIK STOLLARZ/ AFP

Seine Jubel-Saltos nach dem Tor hat Miroslav Klose schon zurückgefahren - zu riskant. Muss er jetzt auch Kopfbälle zählen, damit die ihm nicht aufs Gehirn schlagen? Forscher der Yeshiva University in New York stellen jetzt auf dem Kongress der Nordamerikanischen Radiologen-Gesellschaft (RSNA)  eine Studie vor, die bei kopfballfreudigen Fußballern Anzeichen von einem Schädel-Hirn-Trauma zeigt.

Die Wissenschaftler um Michael Lipton untersuchten 38 Männer, die seit ihrer Kindheit Amateurfußball spielen. Die Studienteilnehmer sollten angeben, wie oft sie im vergangenen Jahr Bälle mit dem Kopf spielten. Um die Auswirkungen der Kopfpässe zu messen, scannten die US-Forscher die Gehirne der Kicker mit einer sogenannten diffusionsgewichteten Magnetresonanztomografie (MRT). Diese eignet sich besonders, um Nerven- und Hirngewebe sichtbar zu machen.

Die Ergebnisse zeigen: Kopfbälle bleiben nicht ohne Folgen. Männer mit mehr Kopfeinsatz wiesen Hirnschäden in fünf verschiedenen Bereichen auf, die unter anderem wichtig für Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Verhaltenssteuerung sind. Die Veränderungen in den Fußballerköpfen ähneln Schäden, die Mediziner sonst nur bei Schädel-Hirn-Traumata zu sehen bekommen. Üblich sind solche Gehirnerschütterungen nach Verkehrsunfällen. Die Betroffenen haben dann häufig Gedächtnislücken, Schwindelgefühle oder Kopfschmerzen.

Die Menge machts

Doch längst nicht alle Fußballer weisen solche Schäden auf. Die Veränderungen im Gehirn treten erst auf, wenn die Männer zwischen 1000 und 1500 Mal im Jahr den Kopf statt den Fuß einsetzen. Das sind drei bis vier Kopfbälle pro Tag.

Mit ihren Ergebnissen können die US-Forscher die Aussage des britischen Sportmediziners Paul McCrory von 2003 entkräften. Es sei unwahrscheinlich, dass Kopfbälle zu Verletzungen führten, sagt McCrory, weil die Bälle mit einer viel geringeren Wucht auf den Kopf aufprallten, als für eine Gehirnerschütterung nötig sei. Lipton zufolge entstehen die Schäden jedoch nicht plötzlich, sondern sind die Folge von häufigen Kopfpässen: "Ein Kopfball zerstört nicht sofort Nervenfasern, aber wiederholtes Köpfen kann eine Kette von Reaktionen im Gehirn in Gang setzen, die zu einer Schädigung von Hirnzellen führen kann."

Das könnte auch die Befunde einer Studie von der Universität Regensburg aus diesem Jahr erklären. Die Forscher ließen Männer und Frauen nur ein 15-minütiges Kopfballtraining absolvieren und führten anschließend neuropsychologische Tests durch. Nach dem Training waren die Aufmerksamkeit sowie das Gedächtnis der Probanden unverändert. Einige weibliche Teilnehmer klagten jedoch über Kopfschmerzen.

Zuvor gab es aber auch Studien, die darauf hindeuteten, dass Kopfbälle durchaus zu Gedächtnis- oder Aufmerksamkeitsproblemen führen können. Daher untersuchten die US-Forscher um Lipton ihre Probanden nicht nur im Scanner, sondern auch neuropsychologisch. Tatsächlich offenbarten sich Defizite bei einigen Amateuren. Kopfaktive Spieler, also jene mit mehr als tausend Kopfbällen pro Jahr, schnitten in Gedächtnistests und Koordinationsübungen schlechter ab, als weniger kopflastige Fußballer.

Kaum Gefahr bei Profis - dafür umso mehr bei Kindern

Eine norwegische Studie wirft jedoch die Frage auf, ob Profispieler möglicherweise frei von solchen Langzeitfolgen bleiben. Die Forscher fanden 2005 bei rund 290 Spielern der norwegischen Bundesliga keine neuropsychologischen Defizite, selbst wenn diese auf einer Position mit vielen Kopfbällen spielten. Womöglich liegt in der bewährten Trainer-Formel "Wer Kopfbälle bewusst und mit der Stirn spielt, der verletzt sich dabei nicht", doch ein Fünkchen Wahrheit? Wissenschaftliche Beweise dafür gibt es bisher nicht.

Lipton rät vor allem Freizeitspielern aller Altersklassen zur Vorsicht. Fußball sei der beliebteste Sport weltweit und das Interesse nehme zu - vor allem unter Kindern. Er schlägt eine Art Kopfballreglement vor. So etwas habe sich bereits im Baseball durchgesetzt. Um Schulterverletzungen vorzubeugen, wurde dort die Zahl der Schläge in der US-Kinderliga begrenzt.

Mit Material von dpa
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