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Ernährung Was den Salat so gesund macht

Viel Wasser, wenig Gehalt - immer wieder heißt es, Salat würde mächtig überschätzt. Doch in den grünen Blättern stecken diverse gesunde Pflanzenstoffe. Sie verringern laut neuer Studien auch das Diabetes-Risiko.
Von Sabine Letz
Frischer Salat: "Es ist die Vielfalt, die den Ausschlag gibt"

Frischer Salat: "Es ist die Vielfalt, die den Ausschlag gibt"

Foto: Corbis

Wenn es um gesunde Ernährung geht, kommt man um den Salat nicht herum: enthält kaum Kalorien, macht satt und liefert dazu noch wertvolle Pflanzenstoffe. Doch es gibt auch Kritiker der grünen Blätter, wie den Ernährungsguru Udo Pollmer. Genauso gut könnten wir nasse Papiertaschentücher essen, der Nährwert sei in etwa derselbe, spottet der Lebensmittelchemiker, der seither von Salatmuffeln gerne zitiert wird.

Ihre simple Rechnung lautet: Ein grüner Kopfsalat enthält pro hundert Gramm ganze 95 Gramm Wasser und liefert dabei gerade mal zwölf Kalorien. Um vernünftig satt zu werden, müsste man das Grünzeug kiloweise futtern. Stimmt nicht, hält Ernährungsphysiologe Bernhard Watzl vom Max Rubner-Institut in Karlsruhe dagegen. Das Gehirn signalisiere nämlich schon über das bloße Volumen des Salats: "Nahrung kommt", so entstehe trotz der geringen Kalorienmenge ein Sättigungseffekt. Wer zu Beginn der Mahlzeit Salat isst, hat deshalb weniger Lust, sich anschließend den Bauch vollzuschlagen. "Darum eignet sich Salat gut, das Gewicht zu halten", betont Watzl. Eine Marinade mit Essig tut in puncto Linie noch ein Übriges, denn Essig wirkt resorptionsverzögernd, das heißt, er verlangsamt die Aufnahme dickmachender Kohlenhydrate ins Blut.

Aber Salat ist nicht nur der Figur zuträglich: Frischer und zugleich reifer Salat versorgt uns mit reichlich sekundären Pflanzenstoffen wie etwa Carotinoiden, Flavonoiden, Phytosterinen oder Polyphenolen, die Herz- und Kreislauferkrankungen vorbeugen, sagt Watzl. Bei dem Wort "reif" stutzt man erst mal. Doch der Ernährungsexperte erklärt, dass Kopfsalat, der aus dem Treibhaus kommt, nicht nur weniger Geschmack, sondern auch weniger antioxidative Inhaltsstoffe aufweist, eben weil er nicht ausgereift ist: "Kopfsalat enthält im Winter eine höhere Menge an Nitrat, da die aufgenommene Menge Stickstoff nicht verarbeitet wird, somit ist er quasi unreif", sagt Watzl. Nitrat in hohen Dosen steht im Verdacht, Krebs zu erregen. Aus diesem Grund sind in der kalten Jahreszeit die klassischen Wintersorten wie Feldsalat, Chicorée oder Radicchio geschmacksintensiver und gesünder. Ergo sollte man die Salate am besten in den Monaten essen, in denen sie Saison haben. Dann stammen sie in der Regel aus der Region, das heißt, die Transportwege sind kürzer und sie landen frischer auf dem Teller: "Ein voller Geschmack und Geruch weist generell auf einen höheren Nährwert eines Gemüses hin", sagt der Ernährungsphysiologe.

Je frischer die Blätter, desto höher der gesundheitliche Gewinn

Dass frischer Blattsalat das antioxidative Potenzial, also die Fähigkeit, schädliche freie Radikale zu binden, im Blut erhöhen kann, bestätigt auch eine Studie mit elf Probanden, die in Rom durchgeführt wurde. Die Forscher untersuchten deren Blutplasma nach dem Verzehr von frischem sowie von gelagertem, abgepacktem Kopfsalat. Dabei zeigte sich: Je frischer die Blätter, desto höher der gesundheitliche Gewinn. Während frisch gepflückte Blätter zwei bis drei Stunden nach dem Verzehr die Stoffe Quercetin, Vitamin C, Beta-Carotin, Cumarin- und Kaffeesäure freisetzten, stellte sich nach dem Genuss von abgepacktem Salat kein vergleichbarer Effekt ein.

Zwar steht die Wissenschaft bei der Erforschung der sekundären Pflanzenstoffe erst am Anfang. Bereits jetzt gilt jedoch als gesichert, dass die Sekundärverbindungen unsere Gesundheit positiv beeinflussen, etwa vor Arteriosklerose und Bluthochdruck schützen können.

Menschen, die häufig Spinat und Salat essen, haben überdies ein geringeres Risiko, an Typ-2- Diabetes zu erkranken. Das ist das Ergebnis einer Metastudie von britischen Wissenschaftlern um Patrice Carter von der englischen Universität Leicester, die im vergangenen Jahr veröffentlicht wurde. Nach Meinung der Forscher ist neben den im grünblättrigen Gemüse enthaltenen Antioxidantien der hohe Magnesiumgehalt für die Schutzwirkung verantwortlich. Die Wissenschaftler werteten insgesamt sechs Studien aus den USA, China und Finnland aus, mit mehr als 220.000 Teilnehmern über einen Zeitraum von vier, sechs und 23 Jahren. Der zusätzliche Verzehr von eineinhalb Portionen grünblättrigem Gemüse pro Tag verringere das Diabetes-Risiko um 14 Prozent, so lautet das Fazit von Studienautor Professor Jim Mann. "Eine der fünf Portionen Gemüse und Obst am Tag (als Portion gelten auch zwei Karotten oder ein Apfel), die immer empfohlen werden, sollte idealerweise aus grünem Blattgemüse bestehen." Dazu zählen neben grünem Salat, Spinat, Endiviensalat und Kresse sowie im Winter Feldsalat unter anderem auch Grünkohl, Rosenkohl, Mangold und die chinesischen Kohl-Varianten.

Allerdings erwähnt der Münchner Ernährungsmediziners Hans Hauner auch folgenden Zusammenhang: "Menschen, die öfter Salat verzehren, essen auch mehr Gemüse und Obst als andere - sie leben grundsätzlich gesünder". Wohl auch deshalb erkranken sie seltener an Fettleibigkeit oder Diabetes. Auch von Vegetariern ist bekannt, dass sie gesünder leben, wenig Alkohol trinken, meistens nicht rauchen und sich mehr bewegen als der Durchschnitt (siehe natur+kosmos Mai 2011). Hauner ist überzeugt, dass "eine auf pflanzlichen Zutaten basierende Ernährung generell vorteilhafter für den menschlichen Körper ist".

Die Vielfalt gibt den Ausschlag

Ein Salat sollte dabei ruhig aus verschiedenen grünen Salatarten bestehen, gern auch weitere Rohkostanteile wie Radieschen oder Karotten haben. So hätten verschiedene Studien ergeben, dass bei einer gleich bleibenden Menge Salat, die Variante mit unterschiedlichen Zutaten die gesündere war. "Es ist die Vielfalt, die den Ausschlag gibt, weil unser Körper sie für sich zu nutzen weiß", sagt Watzl. Je komplexer die Zusammensetzung einer Mahlzeit, so sein Fazit, desto positiver die Wirkung.

Um den Effekt der hilfreichen Pflanzenstoffe quasi zu potenzieren, hat eine in den USA lebende Russin namens Victoria Boutenko sogenannte grüne Smoothies entwickelt. 60 Prozent der dickflüssigen Säfte aus pürierten, ganzen Früchten, die mitunter mit Äpfeln, Heidelbeeren, Mango oder Zitronensaft gemixt sind, sollen aus grünem Blattgemüse stammen. So könnten wir, ähnlich wie unsere Artverwandten, die Affen, von einer Fülle an Vitaminen, Mineralien, sekundären Pflanzenstoffen und essenziellen Aminosäuren aus dem Pflanzengrün profitieren, argumentiert Boutenko. Als Einsteiger-Rezept empfiehlt sie eine Banane mit zwei Äpfeln und 200 Gramm Blattspinat mit einem halben Liter Wasser zu einem grünen Smoothie zu verarbeiten.

Bernhard Watzl sieht den Effekt eher kritisch. "Das kann ab und an mal eine sinnvolle Zwischenmahlzeit sein statt eines ungesunden Snacks." Auf Dauer sollte ein grüner Smoothie jedoch nicht den Salat ersetzen. Bei fertigen Smoothies stelle sich die Frage, ob die Pflanzenstoffe überhaupt Wirkung zeigten. Auch könne der Körper bei Püriertem die zugeführte Energie nicht eindeutig erkennen. Das heißt, es macht weniger satt als ganze Blätter. Wer allerdings einen eigenen Garten hat, das grüne Blattkonzentrat selbst herstellt und stattdessen auf eine Leberkäsesemmel oder ein Mettbrötchen verzichtet, tue sich wahrscheinlich etwas Gutes, meint Watzl.

Immerhin gaben laut einer aktuellen Forsa-Umfrage mehr als die Hälfte der Bundesbürger an, bereits an drei Tagen pro Woche oder sogar noch häufiger kein Fleisch mehr zu essen. Dennoch muss es keiner gleich so weit treiben wie Tim Mälzer, der sich für seine TV-Sendung "Deutschland isst" eine reine Salatkur verschrieben hat. Mithilfe eines neuartigen Scanners von Wissenschaftlern der Berliner Charité konnte er öffentlichkeitswirksam beweisen, dass Salat messbar den Gehalt an Antioxidantien in der Haut steigert.

Ob so eine Radikalkur sinnvoll ist oder gar die Lust auf Salat fördert, darf bezweifelt werden. Schließlich soll Essen zwar möglichst gesund sein, schmecken soll es aber auch.