Zum Inhalt springen

Tonaufnahme Wal imitiert Stimmen von Menschen

Ahmen Meerestiere die menschliche Stimme nach? Forscher glauben, erstmals einen direkten Beweis dafür gefunden zu haben: Auf alten Tonaufnahmen versucht ein junger Belugawal offenbar, wie seine Betreuer zu klingen. SPIEGEL ONLINE gibt eine Hörprobe.
Belugawal (im Shedd Aquarium in Chicago): Manche Meeressäuger klingen wie Menschen

Belugawal (im Shedd Aquarium in Chicago): Manche Meeressäuger klingen wie Menschen

Foto: Keith Pamper/ AP

Es klang seltsam, was Sam Ridgway und seine Mitarbeiter 1984 in der Nähe eines Wal- und Delfinbeckens hörten. Den Forschern war, als hörten sie Menschen, die sich in einiger Entfernung unterhielten. Auch Taucher in dem Becken seien verunsichert gewesen - einer sei sogar an die Wasseroberfläche gekommen und habe gefragt, wer ihn zum Auftauchen aufgefordert habe.

Es stellte sich heraus, dass die Quelle des Wortes "out" und der merkwürdigen Geräusche ein neun Jahre alter Beluga namens Noc war. Ridgway arbeitet für die National Marine Mammal Foundation. Er nahm mit Kollegen vom Meeressäuger-Programm der US-Marine die Töne auf. Doch erst jetzt, fast 30 Jahre später, haben die Forscher ihre Erkenntnisse veröffentlicht.

Im Fachblatt "Current Biology"  schreiben sie, dass es schon früher Berichte von Walen gegeben habe, die anscheinend menschliche Geräusche imitierten. Dies sei aber die erste Untersuchung, die diese Fähigkeit direkt nachweise.

Die Analyse der Aufnahmen ergab, dass Nocs Geräusche nicht nur in der Tonlage, sondern auch in Dauer und Rhythmus der menschlichen Stimme erstaunlich ähnlich waren. Die üblichen Walgeräusche seiner Art liegen um mehrere Oktaven höher, so die Forscher.

Für Mobilnutzer: Hier klicken, um die Walgeräusche zu hören.

Um solche Töne zu erzeugen, musste das Tier demnach seine normale Methode der Lauterzeugung verändern. Normalerweise nutzen Wale dafür den nasalen Trakt - und nicht den Kehlkopf, wie Menschen es tun. Noc habe deshalb den Druck in seinem Nasaltrakt verändert und Muskeln sowie Höhlungen im Kopfbereich eingesetzt, um zu klingen wie ein Mensch. "Das war nicht einfach", meinen Ridgway und seine Kollegen. Das sei eine bewusste Anstrengung gewesen - und damit möglicherweise ein Wunsch nach Kontakt.

"Das ist ein eindeutiger Hinweis auf Lautlernen bei Belugas", meinen die Forscher. Der junge Beluga habe den Klang menschlicher Stimmen in den sieben Jahren seiner Gefangenschaft vermutlich nicht nur von den Menschen gelernt, die sich außerhalb des Wassers befanden, sondern auch von Tauchern, die Geräte zur Kommunikation mit den Kollegen auf dem Trockenen nutzten.

Später trainierten die Biologen Noc sogar darauf, einem Pfiff mit den menschenähnlichen Tönen zu antworten. Über Mikrofon-Aufnahmen und einem in die Nase eingeführten Katheter konnten sie genauer untersuchen, wie der Wal diese Töne hervorbringt und welche Eigenschaften sie haben. "Die Grundfrequenzen dieser Töne lag im Bereich von 200 bis 300 Hertz - sie sind damit der menschlichen Stimme ähnlich und liegen mehrere Oktaven unter den üblichen Lauten der Wale", berichten die Wissenschaftler.

Es ist bei weitem nicht das erste Mal, dass Meeressäuger verblüffende Kommunikationsfähigkeiten zeigen. So ahmen Wale auch ihre Artgenossen nach - und manche ihrer Lieder entwickeln sich so zu regelrechten Hits. Legendär ist auch Hoover, ein Seehund, der wie Noc Menschen nachzuahmen versuchte - und dabei klang wie ein betrunkener Seemann.

Der Belugawal Noc allerdings verlor offenbar das Interesse am Nachahmen von Menschen, als er erwachsen wurde. Er wurde zwar nicht stiller, aber äußerte fortan nur noch Beluga-typische Pfeiflaute. Vor fünf Jahren ist Noc endgültig verstummt: Nach 30 Jahren bei der National Marine Mammal Foundation ist der Wal gestorben.

mbe/dpa/dapd
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.