Pokémon Go:Nintendo ist wieder einmal auferstanden

  • Die App "Pokémon Go" hat den Börsenwert von Nintendo um zehn Milliarden Euro ansteigen lassen.
  • Anfang des Jahres hatten Anleger die Nintendo-Aktie abgestoßen - ein Fehler, wie sich jetzt zeigt.
  • Noch im Juli will Nintendo nachlegen und eine surrende Erweiterung fürs Handgelenk herausbringen.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Nintendo, der Computerspiele-Konzern aus Kyoto, ist wieder einmal auferstanden. Vergangenen Mittwoch hat das Unternehmen "Pokémon Go", eine Spiel-App für Smartphones, in den USA, Neuseeland und Australien für Android und das iPhone freigegeben. Nach nur zwei Tagen war die App auf mehr als fünf Prozent aller Android-Smartphones in den USA installiert. Nintendos Börsenwert ist in fünf Tagen umgerechnet um zehn Milliarden Euro auf fast 28 Milliarden Euro gestiegen.

Nintendo hatte lange damit gezögert, Spiele fürs Smartphone zu entwickeln. Die Firma sah darin eine Konkurrenz zu Spielekonsolen wie den Gameboy-Nachfolgern DS und 3DS sowie den stationären Konsolen Wii und Wii U. Die Integration von Spielkonsole und Software war für Nintendo eine sichere Einnahmequelle. Die bröckelte aber, weil sich das Smartphone zunehmend auch zur Spielekonsole entwickelte. Erst spät gaben der damalige Nintendo-Chef Satoru Iwata und sein Nachfolger Tatsumi Kimishima dem Druck nach. Mit "Miitomo" brachte der Konzern im März seine erste eigene App fürs Smartphone heraus, eine Mischung aus Spiel und Chat-Programm. Die anfängliche Begeisterung ebbte bei den Nutzern aber schnell wieder ab.

Noch im Juli soll die Pokémon-Go-Erweiterung fürs Handgelenk kommen

Und nun Pokémon Go: Dabei handelt es sich um eine Schatzsuche. Das Spiel macht Anleihen beim Geocaching, bei dem Spieler mithilfe der Positions-Software eines Smartphones Dinge finden. Im Falle von Pokémon Go sind diese Schätze virtuell: Pokémon-Figuren, die über den Smartphone-Bildschirm tanzen, wenn der Spieler sie findet. Dabei bildet die Kamera des Smartphones die reale Umgebung ab. Diese Technik, eine Kunstfigur auf einem Live-Kamerabild, wird "augmented reality" (erweiterte Realität) genannt. Fundorte sind öffentliche Anlagen, Sehenswürdigkeiten, Restaurants. Noch im Juli will Nintendo "Pokémon Go Plus" auf den Markt bringen, ein rot-weißes Gerät, das man wie eine Uhr am Handgelenk trägt. Es soll surren, wenn sich der Suchende dem Schatz nähert.

Anders als "Miitomo" wird Pokémon go zum Hype. In den USA haben die Fans Restaurants überrannt - und wurden wieder hinausgeworfen. Sie wollten nur spielen, nicht essen. Die Polizei muss die Spieler bereits zur Vorsicht ermahnen, sie sollten auf Umgebung und Verkehr achten. Und es gibt auch die Mutter aus Seattle, die berichtet, ihr pubertierender Sohn sei erstmals seit Jahren völlig überraschend dazu bereit gewesen, mit ihr spazieren zu gehen. Sie musste ihm dazu aber ihr Smartphone leihen, auf das er dann dauernd gestarrt habe - bis er im Park, wo auch andere mit Smartphones herumirrten, seine Pokémon-Figur fand.

Zu Jahresbeginn hatten Anleger die Nintendo-Aktien abgestoßen - ein Fehler

Nintendo-Chef Kimishima hatte mit der Strategie rund um Pokémon Go scheinbar den richtigen Riecher. Der Banker, der dem 2015 an Krebs gestorbenen Spieleentwickler Satoru Iwata nachfolgte, bricht mit vielen Konventionen des 125-jährigen Unternehmens. Er will Nintendos Beteiligung an den "Seattle Mariners" abstoßen, einem amerikanischen Baseball-Team. Und ins Filmgeschäft einsteigen. Fürs laufende Jahr verspricht er sich einen Gewinnsprung von 37 Prozent, etwa 390 Millionen Euro, so die Prognose des Unternehmens.

Das sah zu Jahresbeginn noch anders aus: Da Nintendo keine Smartphone-Strategie hatte, stießen die Anleger die Aktie noch im Februar ab. In den vergangenen vier Handelstagen, seit dem Start von Pokémon Go, hat das Papier um fast 60 Prozent zugelegt. Der Handel in Tokio wurde sogar vorübergehend eingestellt. Von früheren Höchstkursen ist die Nintendo-Aktie aber noch weit entfernt. Die Wirtschaftszeitung Nikkei zitierte eine Analystin von Morgan Stanley, Nintendo müsse mit Zusatz-App-Verkäufen monatlich 130 bis 173 Millionen Euro einnehmen, damit sich die kostenlose Pokémon-Grundversion positiv auf die Bilanz auswirke.

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