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Gesundheit Abspeck-Strategien

Schlanke Taille und Knack-Po sind käuflich

Wie Dominique Bellas, die in diesem Jahr in London zur "Miss Slinky" gewählt wurde, ihre Pfunde los wurde, ist unbekannt. Doch bei starkem Übergewicht mit gesundheitlichen Beschwerden raten Experten zur Vorsicht. Der ärztliche Rat sei unverzichtbar Wie Dominique Bellas, die in diesem Jahr in London zur "Miss Slinky" gewählt wurde, ihre Pfunde los wurde, ist unbekannt. Doch bei starkem Übergewicht mit gesundheitlichen Beschwerden raten Experten zur Vorsicht. Der ärztliche Rat sei unverzichtbar
Wie Dominique Bellas, die in diesem Jahr in London zur "Miss Slinky" gewählt wurde, ihre Pfunde los wurde, ist unbekannt. Doch bei starkem Übergewicht mit gesundheitlichen Beschwer...den raten Experten zur Vorsicht. Der ärztliche Rat sei unverzichtbar
Quelle: pa
Das renommierte Fachjournal "The Lancet" präsentiert eine Studie zum Prinzip von Weight Watchers: Übergewichtige Frauen sollen mit dem Programm gut abnehmen.

An der „Wall of Fame“, im Weight-Watchers-Zentrum im Berliner Stadtteil Friedrichshain kleben rund 30 Sterne aus goldfarbener Abziehfolie an der Wand. Auf ihnen stehen mit schwarzem Filzstift die Namen derer, die ihr Ziel erreicht haben.

Bei manchen waren es fünf, bei anderen 20 Kilogramm. Die Wand gibt es erst seit wenigen Wochen – doch einen Platz für die goldglänzende Siegerurkunde zu finden, der sofort ins Auge fällt, ist bereits schwierig. Zwei Damen quetschen unter Applaus ihren Stern zwischen die anderen. Beide halten ihr Wunschgewicht seit sieben Jahren.

Eine Studie, die jetzt im Fachjournal „The Lancet“ veröffentlicht wird, zeigt, dass Weight-Watchers-Teilnehmer über den Zeitraum eines Jahres doppelt so viele Kilos verlieren wie Abnehmwillige, die es allein mit ihrem Hausarzt versuchen. An der von dem Unternehmen selbst finanzierten Studie nahmen 772 Teilnehmer aus Australien, Deutschland und aus Großbritannien teil.

Im Durchschnitt lag ihr Body-Mass-Index (BMI), das Verhältnis von Körpergewicht zur Körpergröße im Quadrat, bei rund 32. Erwachsene mit einem BMI von über 25 gelten nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation als übergewichtig, mit einem BMI über 30 als adipös.

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Die Studienteilnehmer wurden in zwei Gruppen aufgeteilt. Ein Teil erhielt eine, den nationalen Leitlinien zur Gewichtsreduktion entsprechende, ärztliche Betreuung. Im Wesentlichen bestand diese aus einer Ernährungsberatung zu gesunder, kalorienarmer Kost und der Ermunterung zu mehr Bewegung. Zudem bekamen die Patienten von ihrem Arzt Prospekte und Anregungen, um sich weiter zu informieren.

Die andere Gruppe nahm ein Jahr lang am kommerziellen Programm teil. Auch die Kosten hierfür trug das Unternehmen. Diejenigen, die zwölf Monate lang durchhielten, nahmen damit im Durchschnitt 6,7 Kilogramm ab. Die Teilnehmer, die von ihrem Hausarzt beraten wurden, verloren rund 3,2 Kilogramm.

„Uns war es wichtig, in der Studie die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Weight Watchers zu untersuchen“, erklärt Susan Jebb, Leiterin des Medical Research Council Human Nutrition Research, einer unabhängigen britischen Forschungsorganisation.

„Der Arzt ist die beste Anlaufstelle für Menschen, die mit Übergewicht zu kämpfen haben. Er kann verschiedene Behandlungsmöglichkeiten vorschlagen“. Jebb und ihre Kollegen der TU München und des Boden Institute in Sydney wollten mit ihrer Arbeit überprüfen, ob das Abnehmkonzept des Unternehmens im Rahmen einer Gewichtsreduktion sinnvoll ist.

Deswegen hatten auch Hausärzte im Vorfeld entschieden, ob einer oder mehrere ihrer Patienten als Studienteilnehmer für eine Gewichtsabnahme mit dem Programm infrage kommen. Die Folge des Auswahlsystems durch die Ärzte war jedoch, dass 87 Prozent der Probanden weiblich waren.

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Womöglich wenden sich mehr Frauen als Männer mit Gewichtsproblemen an ihren Arzt, vermutet Jebb. Eine weitere Erklärung sei, dass Männer entweder nicht an der Studie teilnehmen wollten oder schlicht kein Interesse an Weight Watchers hatten.

„Frauen sind die primäre Zielgruppe“, bestätigt Thomas Ellrott vom Institut für Ernährungspsychologie der Universität Göttingen. Seit Jahrzehnten wende sich das Unternehmen gezielt an sie. Im Jahr 1961 entschied sich Jean Nidetch, eine übergewichtige Hausfrau aus Brooklyn, New York, durch gesunde Diät und mithilfe von Verbündeten abzunehmen. Dazu versammelten Nidetch und ihre Mitstreiterinnen sich wöchentlich, um sich über ihren Erfolg auszutauschen und sich gegenseitig aufzumuntern. Zwei Jahre später, und rund 32 Kilogramm leichter, gründete Nidetch das seit 1974 an der New Yorker Börse notierte Unternehmen Weight Watchers.

Auch im Berliner Zentrum sitzen an einem Mittwochvormittag ausschließlich Frauen im Alter von Ende 20 bis über 70 Jahren. Sie unterhalten sich eine Dreiviertelstunde lang über ihre Erfahrungen beim Abnehmen. Zuvor sind alle – besockt oder mit nackten Füßen – auf die Waage im Eingangsbereich getreten. Ihr„Wochenergebnis“, die Zahl auf dem Anzeigefeld, kennen nur die Frauen selbst und die Leiterin der Gruppe, Eva-Maria Weigel. Am Anfang der Mitgliedschaft hat jede Frau gemeinsam mit Weigel ein gesundes Wunsch- und Wohlfühlgewicht ausgearbeitet.

Wie lang es dauern soll, bis dieses Gewicht erreicht ist, haben sie auch besprochen. Das kann auch vom Geldbeutel abhängig sein. Eine Monatsmitgliedschaft kostet rund 40 Euro, das macht etwa 480 Euro im Jahr. Die Kosten werden von gesetzlichen Krankenkassen nicht übernommen.

In England ist das anders, dort bezahlt die Kasse im Einzelfall. Ob das auch in Deutschland in Zukunft möglich wird, ist fraglich. Denn Ärzte dürfen ihrer Berufsordnung zufolge keine bestimmten gesundheitlichen Leistungen empfehlen. Es sei jedoch zu prüfen, heißt es von der Bundesärztekammer, ob Weight Watchers überhaupt in diese Kategorie gehöre.

Alternativ bieten viele Krankenkassen selbst Abnehmsysteme an. AOK-Mitglieder etwa bekommen die Teilnahmegebühr, rund 50 Euro, am versicherungseigenen Programm „Abnehmen mit Genuss“ erstattet, wenn sie bis zum Ende dabeibleiben.

Auch empfehlenswert sei, so Ellrott, das Selbsthilfeprogramm der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, „Ich nehme ab“, das auch auf eine dauerhafte Umstellung der Ernährung setzt. Welche Option sich für den Einzelnen am besten eignet, das muss jeder selbst entscheiden. „Ein kategorisches Besser oder Schlechter gibt es nicht, allerdings ein Besser oder Schlechter auf die individuelle Lebenssituation zugeschnitten“, sagt Ernährungspsychologe Ellrott.

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„Merken Sie schon, dass sich etwas an Ihrem Kleidungsstil verändert hat?“, fragt Teamleiterin Weigel. Das Thema des Treffens ist das geschickte Umspielen der mehr oder weniger schmelzenden Pfunde. „Ich trage wieder Jeans“, sagt eine Dame. „Und ich nur noch Kleider“, sagt eine andere.

Zwischendurch geht es um die Grundprinzipien des Abnehmens mit dem firmeneigenen System: Bewegung, Essverhalten, Unterstützung der Gruppe und des Leiters und die gesunde Ernährung nach Punkten, Points genannt. Allen Lebensmitteln wird ein Wert zugeordnet, der Tabellen entnommen oder mit einem Taschenrechner selbst errechnet werden kann.

In die Formel fließen Protein-, Fett-, Kohlenhydrat- und Ballaststoffanteil ein. Jeder Teilnehmer hat ein bestimmtes Kontingent, das er täglich zu sich nehmen darf. Hinzu kommt ein wöchentlicher Bonus, etwa für ein Glas Wein am Abend oder ein Stück Torte zum Kaffee, die sich nicht mit dem errechneten Tagesbudget abdecken lassen.

„Wie viel Points hat denn nun eine Laugenbrezel?“, fragt eine Anhängerin. Das Vokabular der Frauen erscheint fremd. „Das hat den Vorteil, dass sich innerhalb der Gruppen ein Zugehörigkeitsgefühl entwickelt, weil sie eine eigene Sprache sprechen“, sagt Ellrott. Das motiviere. Dabei kämen die Kriterien des Programms den Empfehlungen der Fachgesellschaften sehr nah.

Rund 3,5 Kilogramm betrug die Differenz zwischen Weight-Watchers-Teilnehmern und der Vergleichsgruppe in der aktuellen Studie. Die Gründe hierfür wurden noch nicht erforscht. Jedoch sei aus früheren Untersuchungen bekannt, dass eine regelmäßige Gewichtskontrolle einen positiven Einfluss habe, sagt Jebb. Die Weight-Watchers-Studienteilnehmer hätten im Durchschnitt drei Treffen pro Monat besucht und seien dort gewogen worden. Die restlichen Probanden hätten monatlich meist nur einen Termin mit ihrem Arzt vereinbart.

Ellrott warnt jedoch vor überzogener Hoffnung. In der aktuellen Studie werde das Programm mit einer ärztlichen Beratung, nicht etwa mit einer gezielten Therapie verglichen. Zudem hätten die Probanden einen vergleichsweise niedrigen Ausgangs-BMI. Mit einer Therapie, die sich an weit übergewichtigere Menschen richte, sei auch eine viel höhere Gewichtsabnahme möglich.

Doch Menschen die aufgrund ihres extrem hohen Gewichts an schweren Krankheiten wie etwa Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden, werden bei Weight Watchers ohnehin meist nicht ohne ärztliche Empfehlung aufgenommen. Sie nahmen auch an der Studie nicht teil. Um Kranke zu behandeln, dazu fehle die fachliche Kompetenz, sagt Ellrott.

„Wir müssen aufpassen, dass Weight Watchers nicht für alle übergewichtigen Personen angepriesen wird“, ergänzt Jebb. Denn viele Mitarbeiter werden vom Unternehmen selbst geschult und durchlaufen keine gänzlich unabhängige medizinische oder ernährungswissenschaftliche Ausbildung.

So ist es auch bei der Gruppenleiterin Eva-Maria Weigel. Sie ist studierte Journalistin und arbeitete auch als Antiquitätenhändlerin auf dem Trödelmarkt. Im Jahr 2002 verlor sie mit dem Abnehmkonzept zehn Kilogramm. Ein Jahr später begann sie, als Teamleiterin zu arbeiten. Zuvor schloss sie eine auf Weight Watchers ausgerichtete Weiterbildung zur Fachfrau für Ernährungs- und Gewichtsmanagement der Industrie- und Handelskammer ab.

Kommen bei den regelmäßigen Treffen medizinische Fragen auf, verweist sie auf den behandelnden Arzt. Dafür ist sie nicht zuständig, das macht sie den Frauen klar. „Ich bin dafür da, Druck zu machen“, sagt Weigel lachend. Die „Wall of Fame“ mit den goldfarbenen Sternen war ihre Idee.

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