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Das Smartphone wacht über die Gesundheit

Chefkorrespondent Wissenschaft
Die Deutsche Telekom bietet ab 2012 eine App an, die jederzeit die aktuelle Fitness des Nutzers angibt - mit einer Zahl von 1 bis 1000

Künftig gibt es eine Zahl, die den Gesundheitszustand eines Menschen ganzheitlich beschreiben soll. Entwickelt hat diesen "Health Score" das Schweizer Unternehmen Quentiq in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern des Universitätsspitals Zürich sowie des Massachusetts Institute of Technology in Boston. Aus den Basisdaten Alter, Geschlecht, Gewicht und Körpergröße sowie genetischen Faktoren, Blutwerten und der körperlichen Aktivität errechnet die Software von Quentiq eine Zahl zwischen 1 und 1000 - wobei die Fitness und die Gesundheit mit dieser Zahl zunehmen. Der "Health Score" wird von der Deutschen Telekom ab 2012 als Smartphone-App angeboten. Die App kann mit Sensoren sportliche Aktivitäten in Echtzeit erfassen und den Score auf diese Weise beständig aktualisieren. Das System soll eine gesunde Lebensweise auf spielerische Art fördern. Die Teilnehmer können Freunde aus sozialen Netzwerken zu gemeinsamen Wettbewerben herausfordern. Die Nutzer können sich auch eigene Ziele setzen, wie etwa "zweimal die Woche Sport". Das Smartphone samt Sensoren registriert alle Aktivitäten und sendet sie an das High-Score-System. Mit Peter Ohnemus, dem Geschäftsführer von Quentiq, sprach Norbert Lossau.

Die Welt: Kann man den Gesundheitszustand eines Menschen wirklich mit einer einzigen Zahl auf einer Skala von 1 bis 1000 beschreiben?

Peter Ohnemus: Mit dieser Frage haben wir uns intensiv auseinandergesetzt. Ich hatte die Idee, dass dies irgendwie möglich sein muss. Unser Health-Score-System basiert auf insgesamt rund 30 Parametern. Zu den Kerndaten zählen Alter, Geschlecht, Größe, Gewicht und Blutdruck. Darüber hinaus wird die genetische Disposition berücksichtigt. Da geht es also um die Frage, ob bestimmte Krankheiten, etwa Krebs, Herzinfarkte oder zu hoher Blutdruck, in der Familiengeschichte häufiger auftreten. Überdies fragt das System ab, wie man sich subjektiv fühlt, das ist also die psychische Komponente. Und schließlich geht es darum, was der Einzelne aktiv für seine Gesundheit tut - wie viel Sport er also treibt und wie er sich ernährt. Aus all diesen Daten berechnet unsere Software einen Parameter für den Gesundheitszustand insgesamt. Und das ist dann ein Wert zwischen 1 und 1000.

Die Welt: Ist die Aussagekraft dieses Health-Scores wissenschaftlich abgesichert?

Peter Ohnemus: Absolut. Wir haben Daten wissenschaftlicher Studien aus acht Ländern ausgewertet. In unserem Modell sind Datensätze aus mehr als 70 Millionen Mannjahren berücksichtigt. Wir haben mit der britischen Firma Nuffield zusammengearbeitet, die mehr als 200 000 Gesundheitschecks pro Jahr durchführt. Auch deren Erfahrungen sind in unser Modell eingeflossen. Entwickelt haben wir es gemeinsam mit Forschern des Universitätsspitals Zürich und des Massachusetts Institute of Technology in Boston.

Die Welt: Und wenn der Health-Score den Wert null annimmt, ist der Mensch tot?

Peter Ohnemus: Ja, dann ist man wohl klinisch tot.

Die Welt: Was versprechen Sie sich von der Messung des Health-Scores?

Peter Ohnemus: Es gibt in den Gesundheitssystemen auf diesem Planeten zweifelsohne sehr viel Ineffizienz. Wenn man bedenkt, dass in diesem Jahr weltweit 4,2 Trilliarden Dollar im Gesundheitswesen ausgegeben werden, dann wird deutlich, welche Potenziale hier durch eine verbesserte Effizienz gehoben werden könnten. Bislang arbeitet die Gesundheitsindustrie noch immer analog. Das Digitalzeitalter könnte hier viele Verbesserungen bringen.

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Die Welt: Was könnten das für Verbesserungen sein?

Peter Ohnemus: Ich denke hier an die personalisierte Medizin und eine aktive Prävention. Das Gesundheits- und Versicherungswesen wird dadurch Kosten einsparen können. Und wenn es einfacher wird, den Gesundheitszustand zu beschreiben, dann kann sich auch ein Arzt schneller ein Bild machen, wie es um den betreffenden Patienten steht.

Die Welt: Wäre ein Health-Score von 500 guter Durchschnitt?

Peter Ohnemus: Ja. Ein normaler Mensch landet irgendwo im Bereich zwischen 500 und 550. Wenn man regelmäßig Sport treibt, liegt man im 600er-Bereich. Wer extrem viel Sport macht, erreicht mehr als 700 und sogar bis zu 850.

Die Welt: Und das haben Sie mit Probanden überprüft?

Peter Ohnemus: Ja. Wir haben unser System seit Juni an 250 Probanden in vier Ländern getestet; das waren Männer und Frauen im Alter zwischen 28 und 75 und einem Körpergewicht zwischen 50 und 135 Kilogramm.

Die Welt: Nimmt der Health-Score mit fortschreitendem Alter automatisch ab?

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Peter Ohnemus: Nein. Die Daten sind normalisiert, also der entsprechenden Altersgruppe angepasst. Für einen 20-Jährigen ist es viel härter, einen Score von 500 zu erreichen, als für einen 70-Jährigen.

Die Welt: Gibt es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Health-Score und der Lebenserwartung?

Peter Ohnemus: Das Aussprechen von wahrscheinlichen Lebenserwartungen ist eine sehr gefährliche Sache. Im Prinzip ist das auf der Basis der erhobenen Daten natürlich möglich. Doch wir verzichten auf eine solche Aussage - auch aus rechtlichen Gründen. Doch ein Experte wird aus dem Health-Score schon seine Schlüsse ziehen können. So viel kann ich sagen: Wenn Ihr Health-Score 900 beträgt, dann werden Sie mit großer Wahrscheinlichkeit älter als 80 Jahre - wenn Sie nicht vorher durch einen Unfall ums Leben kommen.

Die Welt: Ihr System setzt ja voraus, dass die Menschen regelmäßig ihre Blutwerte bestimmen lassen, damit sie in das Modell eingegeben werden können. Ist das überhaupt realistisch?

Peter Ohnemus: Früher konnte man diese Werte nur beim Arzt ermitteln lassen. Das hat dann 200 bis 500 Euro gekostet. Heute können Sie Ihre Blutwerte dank moderner Messtechnik einfach in Ihrer Apotheke bestimmen lassen. Ein kleiner Tropfen Blut reicht, und nach drei Minuten haben Sie die Werte. Das kostet dann nur noch 40 bis 50 Euro. Ich empfehle, dass man zwei Mal pro Jahr einen solchen Bluttest durchführen sollte.

Die Welt: Dass wenig Bewegung und Übergewicht nicht gut für die Gesundheit und Lebenserwartung sind, ist den meisten Menschen ja durchaus bewusst. Dennoch schaffen es nur sehr wenige, ihren Lebensstil zu ändern und gesünder zu leben. Kann denn Ihr System den Menschen wirklich helfen, den inneren Schweinehund zu überwinden?

Peter Ohnemus: Genau das ist ja der entscheidende Punkt. Wir bringen den Spaßfaktor in die Sache und setzen auf den Spieltrieb des Menschen. Das Schlagwort lautet Gaming. Die Online-Spielindustrie hat weltweit 500 Millionen Kunden und setzt 69 Milliarden Dollar um. Unsere Idee ist nun also, den Health-Score mit einem spielerischen Belohnungssystem zu kombinieren. Dass solche Motivationssysteme durchaus funktionieren, zeigen ja auch die Beispiele Weightwatchers oder Anonyme Alkoholiker.

Die Welt: Was heißt Gaming konkret für Ihr Health-Score-System?

Peter Ohnemus: Wenn man seinen Health-Score steigert, erntet man Anerkennung bei den anderen Teilnehmern im System. Darüber hinaus können bestimmte Ziele vorgegeben werden, die bei Erreichen zu einer Belohnung führen. Nimmt man beispielsweise fünf Kilogramm ab, so erhält man dafür eine Medaille. Oder wer 100 Kilometer pro Monat gejoggt hat, wird dafür ebenfalls belohnt. Das alles lässt sich mit sozialen Netzen wie Facebook kombinieren, sodass meine Freunde sehen können: Wow, der Ohnemus hat fünf Kilo abgenommen, oder: er ist heute 40 Kilometer Rad gefahren. Es lassen sich Herausforderungen definieren, die dann von Gruppen aus dem Freundeskreis, der Firma oder dem Sportverein gemeinsam angegangen werden können. Das System unterstützt 30 verschiedene Sportarten. Dieser Wettbewerb macht den Teilnehmern Spaß. Und schließlich planen wir auch ein Fernsehprogramm mit dem Arbeitstitel "Watch your Health-Score" bei dem dann - über einige Wochen hinweg - beispielsweise vier Privatpersonen gegen einen berühmten Sportler antreten könnten.

Die Welt: Es geht also um den Vergleich mit Personen, die man selbst kennt, und nicht um anonyme Gesundheitswettkämpfe im Internet?

Peter Ohnemus: Ja, doch wir werden durchaus auch im Internet zu Wettbewerben aufrufen, an denen dann jeder teilnehmen kann. Eine Aufgabe könnte da zum Beispiel sein: Wer fährt in den nächsten vier Wochen in Deutschland die längste Strecke auf dem Rad? Der Gewinner eines solchen Wettbewerbs würde dann von uns einen Preis erhalten - zum Beispiel ein neues Apple-Powerbook.

Die Welt: Wie wollen Sie dabei sicherstellen, dass ein Teilnehmer nicht schummelt und tatsächlich die Rekordstrecke mit seinem Rad gefahren ist?

Peter Ohnemus: Das wird mit GPS-Satelliten überwacht. Die Teilnehmer müssen einen entsprechenden Empfänger mit sich führen. Wir haben in unserem System sogar die topologischen Verhältnisse gespeichert, sodass wir wissen, ob jemand im Flachland radelt oder gerade einen steilen Berg erklimmt. Das dafür verwendete Höhenprofil haben wir von der Nasa erhalten.

Die Welt: Bei Indoor-Aktivitäten funktioniert eine solche Kontrolle aber nicht.

Peter Ohnemus: Nicht per GPS. Doch man kann ein Herzband tragen, das permanent den Puls registriert und an das System via Smartphone sendet. Daraus lässt sich die körperliche Aktivität ebenfalls ermitteln. Das funktioniert vom Tanzen bis hin zu Karate. Inzwischen gibt es auch schon RFID-Chips in Baumwolle, die man unter dem Herz tragen kann. Die senden die Pulsdaten via Bluetooth an das Handy.

Die Welt: Welches Business-Modell steckt hinter Ihrem Health-Score-System?

Peter Ohnemus: Quentiq ist ein strategischer Partner der Deutschen Telekom. Wenn Sie künftig bei der Telekom ein Smartphone kaufen, wird es einen Voucher für das Health-Score-System geben. Nutzer zahlen für den Service mit der Telekom-Rechnung. Quentiq bekommt davon einen Anteil.

Die Welt: Was muss ein Kunde für die Nutzung der Health-Score-App bezahlen?

Peter Ohnemus: Der Monatspreis wird bei etwas unter zehn Euro liegen; das Jahresabo wird es bereits für unter 100 Euro geben. Ich denke, das sind attraktive Preise.

Die Welt: Mit wie vielen Kunden rechnen Sie?

Peter Ohnemus: Langfristig gehe ich von einer Million Nutzern in Deutschland aus. In einem Jahr dürften es nach meiner Erwartung 100 000 sein. Wir vermarkten das System auch in Großbritannien und in der Schweiz. Insgesamt rechne ich in Europa mit einer halben Million Nutzern des Health-Score-Systems bis April 2013.

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