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Hamburg Studie

Jeder dritte Krebsfall durch Lebensstil bedingt

Dr. Michael Sagner (M.) und Professor Karl Heinz Schulz im Athleticum mit einem Patienten auf dem Laufband Dr. Michael Sagner (M.) und Professor Karl Heinz Schulz im Athleticum mit einem Patienten auf dem Laufband
Dr. Michael Sagner (M.) und Professor Karl Heinz Schulz im Athleticum mit einem Patienten auf dem Laufband
Quelle: Juergen Joost/Juergen Joost
Eine neue Studie des UKE zeigt, dass die individuelle Lebensweise hauptverantwortlich ist für Lebenserwartung und Gesundheit. Was bringt tägliche Bewegung? Verlängert Lebensfreude das Leben?

Rauchen ist ungesund. Übergewicht auch. Und Bewegungsmangel zählt ebenfalls zu den Sünden gegen die eigene Gesundheit. All das ist bekannt. Gleichzeitig steigt die Lebenserwartung. Ein Kind, das heute in Deutschland zur Welt kommt, hat die durchschnittliche Chance, 80 Jahre alt zu werden. Das galt früher als biblisches Alter.

Doch das Hindernis auf dem Weg zum langen Leben sind die zunehmenden Zivilisationskrankheiten – Diabetes Typ 2, sogenannter Altersdiabetes, Herz-Kreislauf-Leiden, schweres Übergewicht, Krebs – in vielen Fällen Folge einer ungesunden Lebensweise.

Diese Zusammenhänge sind Themen der Wissenschaftler am Universitätsklinikum Eppendorf im Bereich Lebensstilmedizin und Präventionsmedizin. Die Einrichtung Athleticum – Kompetenzzentrum für Sport- und Bewegungsmedizin – befasst sich mit Patientenbetreuung, ebenso wie mit Forschung, Weiterbildung von Fachkräften sowie der öffentlichen Gesundheitsförderung.

Einerseits ernüchternd, andererseits vielversprechend

Lebensstil als Medizin
Durch Bewegung kann man den lebensfeindlichen Umständen entgegenwirken, die der genetischen Ausstattung des Menschen nicht gut tun. Professor Karl Heinz Schulz hält Bewegung in For...m von täglichem Fahrradfahren für eine gute Möglichkeit
Quelle: Juergen Joost/Juergen Joost

Einen Extrakt der aktuellen Erkenntnisse haben Michael Sagner und Professor Karl-Heinz Schulz, Wissenschaftlicher Leiter des „UKE Athleticums“ (Ärztlicher Leiter Dr. Philip Catala-Lehnen), jetzt in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift veröffentlicht. Schulz hat sich im Rahmen seines Forschungsschwerpunkts „Exercise is medicine“ (Bewegung ist Medizin) unter anderem durch Studien mit Multiple-Sklerose- und Krebs-Patienten, Stressforschung/Psychoneuroimmunologie und Psychoonkologie profiliert, Sagner ist Spezialist für präventive Medizin, Lebensstilmedizin und Sportmedizin mit Ausbildung in den USA.

Die Ergebnisse der Forschung sind einerseits ernüchternd, andererseits viel versprechend. Ernüchternd ist die Tatsache, dass trotz des immer besseren Wissens über die Zusammenhänge zwischen Lebensweise und Krankheit die Rezepte für ein gesundes Verhalten nur bedingt auf Begeisterung stoßen.

Jeder dritte Krebsfall, so die Autoren, sei durch den Lebensstil bedingt. Und laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind weltweit rund 70 Prozent aller Erkrankungen auf den Lebensstil und psychosoziale Belastungen zurückzuführen.

Viel versprechend ist die Tatsache, dass das Wissen über die Zusammenhänge zwischen Lebensstil und Krankheit immer besser wird und damit die Chancen wachsen, Verhaltensänderungen im Rahmen der Therapie zu nutzen. Dahinter steht die Erkenntnis, dass tatsächlich nicht allein die Gene, sondern die individuelle Lebensweise hauptverantwortlich für die Lebenserwartung und die Gesundheit sind.

Genetische Ausstattung nicht auf Lebenswelt ausgerichtet

Zu erklären sind die Folgen des Lebensstils auch durch evolutionsmedizinische Überlegungen, berichten Sagner und Schulz: Unsere genetische Ausstattung sei auf einen Überfluss an Nahrung und sehr eingeschränkte Bewegung nun einmal nicht ausgerichtet, sondern auf den Überlebenskampf der Jäger und Sammler. Die Folge: bei Bewegungsmangel und falscher Ernährung reagiere der Körper mit Fehlfunktionen.

Die Zunahme der chronischen Erkrankungen bedeutet nicht nur eine Einschränkung der Lebensqualität für die betroffenen Patienten, sondern auch eine wachsende Belastung für die Gesundheitssysteme. „Um die dramatische Zunahme an chronischen Krankheiten aufzuhalten, muss an verschiedenen Punkten angesetzt werden“, sagt Schulz.

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Wichtig ist vor allem die Sensibilisierung und persönliche Motivation zur Verhaltensänderung. Und: „Es müssen Umgebungen geschaffen werden, in denen das gesunde Leben die nahe liegende Option ist und nicht die ungesunde, weil schneller verfügbare Variante. Im Klartext: Man sollte nicht erst darum kämpfen müssen, gesund zu leben.“

Gesundheit ist auch Resultat persönlicher Lebensweise

Darüber hinaus müsse in allen gesellschaftlichen Bereichen deutlich gemacht werden, wie stark die persönlichen Entscheidungen bei der Lebensweise tatsächlich auf die Gesundheit einwirken, fügt Sagner hinzu. „Es ist heute wissenschaftlich durch umfassende Studien belegt, dass Gesundheit keine Schicksalsfrage, sondern in erster Linie ein Resultat der persönlichen Lebensweise ist.

Lebensstil als Medizin
Hüpfen, springen, laufen - viele der Geräte im Athleticum trainieren die Patienten im UKE
Quelle: Juergen Joost/Juergen Joost

Das muss jedem klar gemacht werden. In diesem Sinne sollte man die Zange von zwei Seiten schließen: Zum einen über Sensibilisierung der Bevölkerung, zum anderen über Anreize und Sanktionen.“ Diese Sensibilisierung muss nach Erkenntnis der Wissenschaftler schon im Kindesalter beginnen. Schon die Jüngsten sollten lernen, wie man seine Gesundheit verbessern oder verschlechtern kann, durch das, was man isst, wie viel man sich bewegt und wie man mit Stress umgeht. Und wenn nicht zu Hause, dann in der Schule.

Und wenn die Folgen ungesunden Lebens bereits erste Anzeichen einer Krankheitsentwicklung zeigen, müssten die Ärzte ihren Patienten deutlich machen, dass sie nun die Wahl zwischen einer Reparatur haben, die aufwendig, teuer, häufig unangenehm und mit Freiheits- und Lebensqualitätseinschränkungen einhergeht (Medikamente, Arztbesuche, Operationen, stationäre Aufenthalte, zunehmende Dekonditionierung) und die Ursache der Erkrankung unbeachtet lässt oder ob sie den präventiven Ansatz bevorzugen, bei dem die Ursache direkt mitbehandelt wird.

Lebensstilmedizin statt Reparaturmedizin

Dabei ist Gesundheit nicht nur Sache der Ärzte, sondern braucht die aktive Mitarbeit des Patienten. Und für beide Seiten müsse klar sein, dass Gesundheit kein Produkt ist, das man einfach (ver-)kaufen kann, sondern das in erster Linie Ergebnis der Eigenverantwortung des Patienten ist. „Der Arzt muss den Patienten dabei unterstützen, gesund zu bleiben und sollte nicht darauf warten, bis der Patient krank ist.

In Zukunft muss das Gesundheitssystem Ärzte bei einem solchen Ansatz besser unterstützen; im Moment lebt das System von einer Reparaturmedizin, die sehr teuer und wenig nachhaltig ist“, betonen Sagner und Schulz.

Die Abteilung für präventive und Lebensstilmedizin arbeitet in diesem Themenbereich an einer ganzen Reihe von Forschungsprojekten, darunter „LIFEsteps“ – ein Präventionsprogramm, das die Teilnehmer zu einem dauerhaft gesunderen Lebensstil bewegen soll und mit dessen Hilfe das Risiko von chronischen Erkrankungen wie Übergewicht, Diabetes und Herz- Kreislauferkrankungen gesenkt werden kann.

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Das Seminarprogramm ist gleichsam eine Schule fürs Leben, in Sachen gesunder Lebensweise. Das Projekt wird wissenschaftlich begleitet – auch im Hinblick auf die Frage, welche %Effekte strukturierte Präventionsprogramme haben.

Freude am Leben ist Basis gesunder Lebensweise

Für Sagner und Schulz ist die Arbeit in der Lebensstilmedizin die faszinierende Suche nach der uralten Frage, wie wir leben sollen. „Wir konzentrieren uns bei dieser Frage nur auf Aspekte der physischen und psychischen Gesundheit, aber es gibt viele weitere Aspekte dieser Problematik.“ Dabei müsse deutlich werden, dass es die eine einzige gesunde Lebensweise nicht gibt und dass ein guter Lebensstil unabhängig ist von Einkommen, Herkunft, Bildung, Religion, Geschlecht, Beruf und Geld.

Die Freude am Leben sei die Basis für eine gesunde Lebensweise. Wer Freude und Pläne für das Leben habe, der möchte gesund bleiben. Und: Wer gesund lebe habe auch eine bessere Lebensqualität und könne das Leben besser genießen. Es gehe dabei nicht, wie viele fälschlicherweise denken, um Kontrolle oder Disziplinierung, sondern darum, ein selbstbestimmtes Leben in Gesundheit und ohne Krankheit zu führen.

Maximen, die die Wissenschaftler auch für sich selbst umsetzen, sitzen sie doch an der Quelle der Erkenntnisse. Bleibt am Ende dennoch das Geständnis: „Auch wenn wir als Lebensstil-Mediziner (und unsere Teller) oft unter genauester Beobachtung im Bekannten- und Kollegenkreis stehen und wir oft Ratschläge geben sollen, gibt es bei uns natürlich auch ab und zu einen ruhigen Tag mit weniger Bewegung oder einmal im Monat einen Burger. Es geht letztendlich um ein gutes Gleichgewicht. Aber genau dies erreichen viele Menschen leider nicht.“

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