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Dicke Briten sollen für Sozialhilfe strampeln

Eine übergewichtige Frau trainiert in einem Fitness-Studio. Großbritannien will übergewichtige Sozialhilfeempfänger zum Training verpflichten Eine übergewichtige Frau trainiert in einem Fitness-Studio. Großbritannien will übergewichtige Sozialhilfeempfänger zum Training verpflichten
Eine übergewichtige Frau trainiert in einem Fitness-Studio. Großbritannien will übergewichtige Sozialhilfeempfänger zum Training verpflichten
Quelle: Getty Images
Die Auswirkungen der Fettleibigkeit verschlingen Milliardensummen. Britische Sozialhilfeempfänger sollen nun zum Sport zwangsverpflichtet werden. Bei Verweigerung droht die Kürzung der Bezüge.

Worum geht es

Fish and Chips mit reichlich Bier heruntergespült, danach noch ein paar Cheese-and-Onion-Chips zum Nachtisch – die englische Küche ist zwar herzhaft, aber nicht unbedingt gut für die Linie. Rund die Hälfte aller Briten ist zu dick. 17 Prozent der Männer und 21 Prozent der Frauen gelten sogar als krankhaft übergewichtig. Das hat Auswirkungen auf das staatlich finanzierte Gesundheitssystem NHS. Rund 5,1 Milliarden Pfund (6,3 Milliarden Euro) verursachen Krankheiten pro Jahr, die durch Fettleibigkeit ausgelöst werden.

In Zeiten stagnierender Wirtschaft und leerer Kassen will der britische Staat das nicht länger hinnehmen. Wer nichts für seine Gesundheit tut, dem könnte bald schon die Sozialhilfe gekürzt werden. Das schlägt zumindest eine Studie vor, die die Verwaltung des Londoner Stadtteils Westminster am Donnerstag veröffentlichte.

Eine bereits beschlossene Sozialreform des Staates sieht vor, dass Kommunen ab April mehr Aufgaben im Gesundheitssystem übernehmen sollen. Ohne innovative Ideen könnten die Städte und Gemeinden die Zusatzkosten jedoch nicht stemmen, so die Studie.

Dicke Sozialhilfeempfänger bekommen Fitnesspaket

Hausärzte sollten demnach ihren übergewichtigen Patienten Sport in Fitness-Studios der Kommunen verordnen. „Wenn ein solches Fitnesspaket einem Sozialhilfeempfänger verschrieben wird, kann sein jeweiliger Anspruch auf Wohngeld und Wohnsteuererlass von seinen Sportaktivitäten abhängig gemacht werden“, heißt es in dem Report. Demnach könnten die Transferempfänger sowohl belohnt als auch bestraft werden, je nachdem wie fleißig sie Gewichte stemmen und sich auf dem Trimm-dich-Rad abstrampeln.

Kontrolliert werden soll das Programm über Chipkarten, mit denen die Übergewichtigen im Fitness-Zentrum ein- und auschecken können. So wird überwacht, wie viele Stunden pro Woche sich der Patient im Sportstudio oder Schwimmbad aufgehalten hat.

Initiative ein „Zuckerbrot und Peitsche“-Projekt

Das von der Konservativen Partei geführte Westminster nannte die Initiative ein „Zuckerbrot und Peitsche“-Projekt. Nur durch finanzielle Anreizsysteme könnten die Fettleibigen dazu gebracht werden, mehr auf ihre Gesundheit zu achten. „Diese Studie liefert genau das clevere, vorwärtsgewandte Denken und die radikalen Ideen, die wir brauchen“, sagte Westminister-Verwaltungschefin Philippa Roe.

Westminister hatte die Studie bei dem auf kommunale Themen spezialisierten Thinktank Local Government Information Unit (LGIU) in Auftrag gegeben. LGIU-Chef Jonathan Carr-West sagte, der Vorschlag biete eine „Win-Win-Situation“ für Patient und Allgemeinheit. „Es ist eine Chance, sowohl den Menschen zu einem gesünderen, besseren Leben zu verhelfen als auch die Gesundheitskosten für alle zu senken.“ Übergewicht führe zu einer ganzen Reihe von Erkrankungen wie Demenz, Herzkrankheiten und Diabetes. Allein die Behandlung von Zucker fresse zehn Prozent des landesweiten Gesundheitsetats auf. In den kommenden Jahren könnten die Kosten noch deutlich höher steigen. Laut Schätzungen soll die Zahl der übergewichtigen Briten in den nächsten zehn Jahren um zehn Prozent wachsen.

Regierung will bei der Sozialhilfe sparen

Offiziell äußerte sich die Regierung von David Cameron zwar nicht zu den Vorschlägen. Sie sind aber konform mit den jüngsten Ankündigungen von Schatzkanzler George Osborne. Um den hohen Schuldenberg des Landes in den Griff zu bekommen, sollen die öffentlichen Kassen zusätzlich 3,5 Milliarden Pfund einsparen – einen Großteil davon bei der Sozialhilfe.

Die Westminster-Initiative rief diverse Kritiker auf den Plan. „Das ist die dümmste Idee, die ich seit langem gehört habe“, sagte beispielsweise Lawrence Buckman, der das Komitee der Allgemeinmediziner bei der British Medical Association leitet. Statt Patienten zum Sport zu zwingen, sollten die Kommunen besser „Restaurants verbieten, in denen es die Art von Essen gibt, das die Leute dick macht“, sagte er.

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Solche Forderungen sind freilich schwer umzusetzen. Tatsächlich schlägt die Westminster-Studie aber vor, Veranstaltungsorte, Cafés und Restaurants zu fördern, die keinen Alkohol ausschenken. Dieser sei schließlich einer der Hauptgründe für Übergewicht.

Auch Professor John Wass, stellvertretender Leiter des Royal College of Physicians, äußerte sich kritisch zu der Idee. „Um Kilos zu verlieren, müssen die Betroffenen das wollen“, sagte Wass. Er habe große Bedenken, Menschen durch die öffentliche Hand zum Sport zu zwingen.

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