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Kassen warnen vor Zusatzkosten für Versicherte

Geld für Ärzte: Kranksein in Deutschland wird immer teurer Geld für Ärzte: Kranksein in Deutschland wird immer teurer
Geld für Ärzte: Kranksein in Deutschland wird immer teurer
Quelle: dpa
Versicherte müssen mit höheren Beiträgen für die Kassen rechnen. Der Grund: Finanzminister Schäuble hat die Last für den Bund begrenzt.

Die Krankenkassen werfen der Bundesregierung vor, ein zentrales Versprechen ihrer Gesundheitsreform zu brechen. Sie befürchten, dass der Sozialausgleich für die Zusatzbeiträge der Krankenkassen – anders als angekündigt – doch nicht komplett aus Steuergeldern finanziert wird.

Statt dessen müssten die Versicherten den Sozialausgleich bald selbst aus ihren Beiträgen bezahlen, vermutet die Chefin des Spitzenverbands aller gesetzlichen Krankenkassen, Doris Pfeiffer. Ähnlich äußert sich der Chef des Verbands der Ersatzkassen, Thomas Ballast. Für ihn ist sogar der Plan der schwarz-gelben Koalition gescheitert, die Krankenkassen zunehmend über einkommensunabhängige Beiträge zu finanzieren.

Hintergrund des Protests der Kassen ist das Gesetz gegen den Ärztemange l, das Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) vom Bundeskabinett beschließen lässt. Den Kassen bereitet vor allem ein Detail dieses Gesetzes Sorgen, das Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nach zähem Ringen mit Bahr durchgesetzt hat.

Dabei geht es darum, den Steuerzuschuss für den Sozialausgleich zu kürzen oder zumindest zu begrenzen, wenn Bahrs Förderprogramm für Ärzte teurer wird als gedacht. Wie die Kassen ist auch Schäuble skeptisch, dass das Gesundheitsministerium die Folgekosten des „Versorgungsgesetzes“ richtig einschätzt.

„Mit dieser Schutzklausel für den Bund wird die Steuerfinanzierung des Sozialausgleichs ausgehebelt – zumindest für den Teil, der durch höhere Ausgaben für Ärzte entsteht“, kritisiert Doris Pfeiffer. Woher das Geld kommen solle, bleibe offen. „Im schlimmsten Fall müssen die Versicherten auch das dann noch durch Zusatzbeiträge finanzieren.“

Auch ihr Kollege Ballast meint, dass durch die neue Vorschrift im sogenannten „Versorgungsgesetz“ nicht mehr sichergestellt sei, dass die Kosten des Sozialausgleichs tatsächlich aus Steuermitteln bestritten werden.

„Am Ende zahlen die Versicherten den Sozialausgleich zumindest teilweise selbst“, glaubt Ballast. „Das zeigt einmal mehr, dass der Weg über einkommensunabhängige Zusatzbeiträge mit Sozialausgleich nicht funktionieren wird.“ Auch die Opposition und sogar Gesundheitspolitiker der Union kritisieren Schäubles Änderungen.

Ziel des Gesetzes ist es, den drohenden – von den Krankenkassen allerdings bezweifelten – Ärztemangel zu bekämpfen. Minister Bahr will dies vor allem mit finanziellen Anreizen tun. Mediziner, die in unterversorgten Gebieten tätig sind und viele Patienten behandeln, sollen einen Zuschlag bekommen. Auch soll über ihre Honorare dezentral in den Regionen verhandelt werden. Zudem sollen Zahnärzte mehr Geld bekommen.

Bund wälzt Kosten auf die Versicherten ab

Die Kosten dieser Anreize schätzt das Gesundheitsministerium auf 200 Millionen Euro pro Jahr. Diese Mehrausgaben würden unter anderem durch weniger Einweisungen ins Krankenhaus ausgeglichen, heißt es im Gesetz. Summen werden nicht genannt, es ist nur von einem „erheblichen nicht quantifizierbaren Umfang“ die Rede. Das Honorarplus für Zahnärzte soll 120 Millionen Euro kosten.

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Schäuble hat daraufhin durchgesetzt, dass die tatsächlichen Kosten und Wirkungen der Pläne bis 2014 überprüft werden. Und es kam jene Regel ins Gesetz, die den Krankenkassen Sorge bereitet.

Diese Regel besagt, dass der Bund keinen höheren Sozialausgleich zahlen wird, wenn Bahrs Gesetz mehr kosten sollte als es spart. Oder etwas genauer: Das Gesetz darf nicht so teuer werden, dass die Krankenkassen deswegen ihre Zusatzbeiträge stark anheben müssen. Wäre dies so, müssten viele Versicherte, für die der Zusatzbeitrag zu teuer wird, einen Sozialausgleich bekommen. Der müsste aus dem Bundeshaushalt kommen – aber Schäuble will nicht zahlen.

Dabei war genau dieser Mechanismus bei der Gesundheitsreform 2010 beschlossen worden. Schäubles Parteifreund Rolf Koschorrek erinnerte deshalb im „Handelsblatt“ daran, dass es Ziel der Koalition sei, den Sozialausgleich „verlässlich und dauerhaft über Steuern zu finanzieren“.

Krankenkassen sind nervös

In Bahrs Ministerium hat man kein Verständnis für die Aufregung und verweist auf den Wortlaut der umstrittenen Regelung. Dort stehe, dass es zu einer möglichen Kürzung des Sozialausgleichs erst 2015 kommen könne.

Schon 2014 aber werde grundsätzlich und ganz neu über die Höhe des Sozialausgleichs verhandelt, das habe man bei der Gesundheitsreform vereinbart. Bis dahin würden die im Bundeshaushalt vorgesehenen zwei Milliarden Euro für den Sozialausgleich ausreichen. Und falls das Ärzte-Gesetz doch zusätzliche Kosten verursachen sollte, sei die Wirkung auf den Sozialausgleich sehr gering. zudem könne man dann an anderer Stelle sparen. Bislang gelte jedenfalls: „Es gibt keine Pläne der Koalition, den Sozialausgleich zu kürzen“, sagte ein Ministeriumssprecher. Die entsprechenden Paragrafen blieben unberührt: „Der Sozialausgleich wird weiter aus Steuermitteln finanziert.“

Dass die Krankenkassen dennoch nervös sind, liegt an den Erfahrungen, die sie mit Zuschüssen aus Steuergeld gemacht haben. Mehrfach wurden sie erhöht und wieder gesenkt. Inzwischen fließt das Geld einigermaßen kontinuierlich. Die große Koalition hatte eine Steigerung bis auf 14 Milliarden Euro vereinbart, Union und FDP stockten die Zahlungen noch einmal massiv auf.

Offiziell begründet wird der Steuerzuschuss mit der Finanzierung von Leistungen, die nicht originär Aufgabe der Krankenkassen sind. Faktisch geht es aber seit acht Jahren darum, den Anstieg des Kassenbeitrags so gering wie möglich zu halten, um die Lohnkosten nicht zu belasten.

Auch inhaltlich haben die Kassen Bedenken gegen Bahrs Ärztegesetz. Es werde nichts gegen den Abbau der Überversorgung in Ballungsräumen unternommen. Zudem werde die Förderung der Mediziner teurer als Bahr behauptet. Während der Minister zunächst gar keine Kostenschätzung anstellen wollte, warnen die Kassen – wie Schäuble – vor Mehrkosten in Milliardenhöhe.

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