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Groupon stolpert über hausgemachte Probleme

Wirtschaftsredakteur
GROUPON GROUPON
Das Geschäftsmodell von Groupon ist bereits oft kopiert worden - doch, ob es auf lange Sicht erfolgreich sein wird, bleibt abzuwarten
Quelle: picture alliance / maxppp/picture alliance / PHOTOPQR/VOIX
Noch wächst das Schnäppchen-Portal rasant. Doch starke Konkurrenz und Unzufriedenheit der Handelspartner macht dem Unternehmen zu schaffen.

Andrew Mason weiß, dass sich BigLion.ru schamlos bedient hat. Die russische Website hat nicht nur seine Idee, sondern gleich das komplette Design einschließlich aller Farben und Schrifttypen seines Internetauftritts kopiert. Doch der 29-jährige Gründer der amerikanischen Schnäppchen-Plattform Groupon bleibt gelassen. Es lohnt nicht die Mühe, ein Start-up in Russland zu verfolgen, sagt er. Mason würde wohl auch kaum zur Ruhe kommen: Weltweit sind es inzwischen mehrere Hundert Anbieter, die es Groupon gleichtun.

Die Geschäftsidee ist verlockend: Im Internet bietet Groupon, dessen Name sich aus Coupon und Group zusammensetzt, täglich neue Gutscheine an und macht seine Abonnenten per E-Mail darauf aufmerksam. Findet sich eine Mindestzahl an Käufern, wird der Deal geschlossen. Meist bietet die Plattform Rabatte von 50 Prozent und mehr auf Restaurantmenüs, Kosmetikanwendungen, Wellness-Pakete oder Autoreinigung. Die lokalen Händler bekommen von Groupon die Hälfte des Gutscheinkaufpreises ausgezahlt, den Rest behält Groupon.

Knapp drei Jahre nach seiner Gründung ist das Portal allen Konkurrenten davongeeilt. Kein anderes Unternehmen wächst so schnell wie der Anbieter aus Chicago. Im vergangenen Jahr legte Groupon um 2241 Prozent zu. Zwischen April und Juni häufte die Firma mehr Umsatz an als im gesamten Vorjahr. Die Zahl der Abonnenten hat sich auf 115 Millionen mehr als verdoppelt, täglich verschicken 7000 Groupon-Mitarbeiter in über 40 Ländern mehr als 1000 unterschiedliche Angebote. Und längst sind die Rabattaktionen nicht mehr auf Wellness und Restaurants beschränkt. Inzwischen verkauft Groupon auch Reisen, Gummistiefel, Computer, Unterhosen, Duschköpfe – und kommt Anbietern wie Ebay und Amazon in die Quere.

Groupon attackiert auch Ebay und Amazon

Die Riesen des Internethandels sind entsprechend alarmiert: Amazon hat sich bereits in Stellung gebracht und AmazonLocal mit 75-Prozent-Rabatten in 15 US-Bundesstaaten gestartet. Für den Konzern dürfte der Einstieg in das Geschäft deutlich leichter sein als für all die kleinen Groupon-Nachahmer. Denn zunächst ist es leicht, im Coupongeschäft mitzumischen: Eine Website und einige Händlerkontakte genügen zum Start. Doch wer sich vergrößern will, braucht Mitarbeiter, die Anbieter wie Restaurants, Fitnessclubs und Friseure abtelefonieren. Viele Start-ups kommen finanziell schnell an ihre Grenzen. Und je größer die Konkurrenz, desto höher der Werbeaufwand für neue Kunden.

Weil das so ist, werden viele kleine Portale inzwischen von größeren geschluckt. Die jüngste Übernahme verkündete der Suchmaschinenkonzern Google. Für eine nicht veröffentlichte – auf 150 bis 200 Millionen Dollar geschätzte – Summe übernimmt Google den deutschen Anbieter DailyDeal . Schon Anfang August hatte Google Dealmap gekauft. Groupon dagegen hatte ein Sechs-Milliarden-Dollar-Angebot von Google im vergangenen Dezember ausgeschlagen. Auch Yahoo war mit einem milliardenschweren Übernahmeversuch bei Groupon abgeblitzt.

Übernahmeschlacht bei Schnäppchenportalen

Stattdessen hatte das Schnäppchen-Portal eine Milliarde Dollar bei Investoren eingesammelt – aber davon nur 150 Millionen Dollar ins Geschäft gesteckt, der Rest ging an frühere Geldgeber, darunter Mitgründer Eric Lefkofsky. Außerdem beteiligt sich Groupon selbst am Ausverkauf der Schnäppchenanbieter. Im Mai vergangenen Jahres schluckte das Unternehmen den deutschen Konkurrenten CityDeal mit 600 Mitarbeitern, nur sechs Monate nach dessen Gründung durch Oliver, Marc und Alexander Samwer. Die Samwer-Brüder und andere Investoren erhielten dafür eine zehnprozentige Beteiligung an Groupon.

Die Übernahmen von Gutschein-Portalen nehmen zu, haben die Marktforscher von CB Insights beobachtet. Seit 2009 habe es 72 Übernahmen gegeben, 44 davon in den vergangenen fünf Monaten. Dabei gehe jedoch der gezahlte Preis für die Unternehmen schnell zurück. Allein im Juli und August sanken die Bewertungen auf Basis der Zahl der Abonnenten und der verkauften Gutscheine um 36 beziehungsweise 40 Prozent.

Für Groupon sind das schlechte Nachrichten. Den ursprünglichen Plan, im September den Börsengang zu wagen, musste Gründer Mason auf Eis legen. Zwar gab er dafür keine Begründung, doch der Absturz der Finanzmärkte und ein Konflikt mit der amerikanischen Börsenaufsicht SEC verhindern den Schritt offensichtlich. US-Medienberichten zufolge will Groupon nun Ende Oktober oder Anfang November einen neuen Anlauf starten und 750 Millionen Dollar einsammeln. Das Unternehmen wäre dann mit 20 Milliarden Dollar bewertet.

Ärger mit der Börsenaufsicht wegen kreativer Kennzahlen

Tatsächlich hat sich Mason mehrfach mit der SEC angelegt. In den von Groupon eingereichten Papieren hatte das Unternehmen eine äußerst kreative Kennzahl niedergeschrieben. Die Gewinnkennzahl "Adjusted Consolidated Segment Operating Income" (ASCOI) hatte schlichtweg die Marketingkosten außen vor gelassen, die bei Groupon jedoch einen wesentlichen Teil des Umsatzes verschlingen. Das "Wall Street Journal" bezeichnete das Vorgehen als Finanz-Voodoo, und Groupon korrigierte seine Zahlen. Mason allerdings fühlte sich offenbar ungerecht behandelt und schrieb im August eine E-Mail an alle Mitarbeiter, in der er sich über die "guten" Geschäftsaussichten ausließ. Weil ein Unternehmenschef in der Zeit vor einem Börsengang schweigen soll, brachte er damit erneut die SEC gegen sich auf.

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Groupons Ausführungen gegenüber der Börsenaufsicht machen auch deutlich, wie wenig sich das Geschäftsmodell bislang bewährt. Neue Kunden zu gewinnen wird immer teurer. Groupon hat im vergangenen Jahr 413 Millionen Dollar Verlust gemacht und zwischen April und Juni 114 Millionen Dollar verbrannt. Inzwischen schwächt sich auch das Wachstum ab. Konnte Groupon noch im ersten Quartal im Vergleich zum Vorquartal um mehr als 60 Prozent zulegen, waren es im zweiten Quartal nur noch 36 Prozent. In China hat das Unternehmen mehr als zehn Niederlassungen geschlossen und Hunderte Mitarbeiter entlassen.

Kritiker sehen den Stern der Portale sinken

Zwar ist Groupon dreimal größer als der nächste Konkurrent LivingSocial und hat mehr als 50 Prozent Marktanteil in den USA. Doch Kritiker sehen den Stern der Portale sinken. Anzeichen gibt es: Facebook hat nach vier Monaten den Schnäppchendienst "Deals" eingestellt, und das Verbraucherportal Yelp halbierte die Zahl seiner Coupon-Mitarbeiter. In seinem Blog schrieb Yelp-Chef Jeremy Stoppelman, dass sich 50-Prozent-Rabatte für Händler nicht rechneten.

Auch eine Umfrage der "Welt am Sonntag" unter Händlern, die sich an Groupon-Aktionen beteiligten, nährt Zweifel am Geschäftsmodell. In vielen Fällen lohnen sich die Aktionen für die Anbieter nicht. Meist nehmen sie nicht einmal ein Viertel der Summe ein, die sie normalerweise für ihre Waren und Dienstleistungen berechnen. Und vom 50-Prozent-Anteil zieht Groupon – zur Überraschung der Partner – auch noch die Mehrwertsteuer ab. "Sie können die Kuh ja melken, aber sie müssen sie auch am Leben lassen", sagt die Inhaberin eines Wassersportzentrums in Potsdam.

Für viele Anbieter lohnt sich Groupon nicht

Man müsse das als Teil der Werbeausgaben sehen, sagt Roman Rahaus, Chef der Berliner Möbelhauskette Rahaus, der über Groupon 50-Euro-Gutscheine zum halben Preis abgegeben hat. Viele der Gutscheinbesitzer kaufen bei ihm nun gezielt für exakt 50 Euro ein. "Dann ist das ein Zuschussgeschäft." Und Matthias Bäslack, Chef einer Paintball-Anlage in Freudenberg bei Berlin, hat sich wieder ganz von Groupon abgewandt. "Es lohnt sich einfach nicht", sagt er. Nun will Bäslack es mit dem Konkurrenten DailyDeals ausprobieren, mit dem sich die Prozente besser verhandeln ließen.

Immer wieder verkalkulieren sich Dienstleister bei Groupon-Aktionen. So musste ein Berliner Reinigungsdienst Nutzern bereits ausgemachte Termine absagen. "Wir sehen uns dazu betrieblich nicht in der Lage", hieß es knapp am Telefon. Kleine Kosmetikstudios vertrösten Kunden über Monate, weil sie dem Groupon-Ansturm nicht gewachsen sind, und Restaurants sind manchmal nicht auffindbar, wenn Kunden ihre Gutscheine einlösen wollen. Weil sie "bedauerlicherweise" ihre Geschäftstätigkeit aufgegeben haben, teilt Groupon dann mit. Zwar erstattet der Coupon-Dienst dann den Gutschein-Kaufpreis, doch zurück bleiben verärgerte Kunden.

Mitarbeit: Marcel Berndt, Patrick Kalbhenn, Christina Kyriasoglou

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