Zum Inhalt springen

Krebs Bewegung verbessert die Lebensqualität

Viele Krebspatienten bestätigen: Bewegung tut gut. Doch ist dieser Eindruck auch objektivierbar? Forscher haben jetzt knapp 100 Studien zu der Frage ausgewertet und kommen zu dem Schluss: Training könnte tatsächlich die Lebensqualität von Tumorpatienten verbessern.
Wanderer: Bewegung könnte erschöpften Krebspatienten helfen

Wanderer: Bewegung könnte erschöpften Krebspatienten helfen

Foto: Corbis

Krebs verändert das Leben, die Lebensqualität der Patienten leidet massiv. Sorgen und Ängste, Chemotherapie oder Operationen belasten Körper und Seele. Auf der Suche nach Hilfe für die Betroffenen setzen Ärzte große Hoffnungen in Sport und Bewegung. Denn für Brustkrebspatientinnen konnten Studien bereits zeigen, dass ein systematisches Trainingsprogramm die Lebensqualität verbessern kann . Ob aber auch andere Krebspatienten von regelmäßiger Bewegung profitieren können, ist bislang weitgehend unklar.

Tatsächlich bessert sich die Lebensqualität vieler Krebspatienten durch systematische körperliche Aktivität, berichten jetzt Forscher der Cochrane Collaboration. Shiraz Mishra von der University of New Mexico in Albuquerque und ihre Kollegen kommen in zwei Übersichtsarbeiten zu dem Schluss, dass Bewegung bei vielen Tumorpatienten die Lebensqualität steigern kann. In den beiden Metaanalysen untersuchten die Wissenschaftler, inwiefern Bewegungsprogramme die Lebensqualität von Krebspatienten während und nach Abschluss einer Tumortherapie beeinflussen.

Für die erste Analyse  untersuchten die Forscher die Ergebnisse aus 56 Studien mit insgesamt knapp 5000 Patienten, die an unterschiedlichen Krebsarten litten und noch mitten in der Behandlung steckten. In die zweite Untersuchung  flossen die Daten aus 40 Studien ein, die fast 3700 Krebspatienten untersuchten, die ihre Krebstherapie bereits abgeschlossen hatten. Die Wissenschaftler wendeten eine sehr breite Definition von Bewegung an, darunter fällt vieles vom Krafttraining über Ausdauersport wie Gehen oder Fahrradfahren, bis hin zu Yoga oder Quigong. Wichtig war nur, dass die Patienten regelmäßig an den Bewegungsprogrammen teilgenommen hatten.

Die Studien im Detail

In beiden Übersichtsarbeiten schränken die Forscher allerdings ihre Schlussfolgerungen stark ein: Die Analysen legten zwar nahe, dass Bewegung sich positiv auf die Lebensqualität der Krebspatienten auswirke, allerdings müssten die Ergebnisse vorsichtig interpretiert werden. Denn die meisten untersuchten Studien seien klein und schlecht miteinander vergleichbar. Hinweise für positive Effekte sehen die Cochrane-Autoren in ganz unterschiedlichen Bereichen der Lebensqualität. Ein wichtiger Punkt ist der leicht positive Effekt der Bewegung auf die Fatigue genannte Erschöpfung durch die Krebstherapie, der in einigen Studien erkennbar ist.

Verschiedene Studien stimmen optimistisch

Während die Cochrane-Forscher in ihren Metaanalysen vor übertriebenen Hoffnungen warnen, zeigen sich deutsche Wissenschaftler ebenfalls vorsichtig zuversichtlich: "Die Ergebnisse legen keineswegs nahe, dass man jetzt vor Bewegungsprogrammen warnen müsste", sagt die Epidemiologin Karen Steindorf vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. "Es gibt eine ganze Reihe von Studien, die optimistisch stimmen, dass Bewegung positiv für Krebspatienten sein kann."

Steindorf untersucht mit ihrer Arbeitsgruppe "Bewegung und Krebs" am DKFZ   und am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in mehreren noch laufenden Studien die Wirkung von Bewegung und Entspannung bei unterschiedlichen Krebsarten. Eine der wichtigsten Fragen ist auch für sie die nach dem Erschöpfungszustand Fatigue, der viele Krebspatienten in ihrem Alltag stark belastet. Die Heidelberger Forscher wollen in ihren Studien herausfinden, wie groß der Anteil an der verbesserten Lebensqualität durch den Sport tatsächlich ist. Denn die Mehrheit der jetzt von den Cochrane-Autoren untersuchten Studien verglichen die Bewegungsprogramme mit der Standardtherapie. Wichtiger sei dagegen der Vergleich der Sportpatienten mit einer Gruppe, die zwar kein strukturiertes Bewegungstraining absolviert, aber andere Formen der Zuwendung erfährt, zum Beispiel durch ein Entspannungstraining. So könne untersucht werden, ob die beobachteten positiven Effekte tatsächlich der körperlichen Aktivität geschuldet sind, und nicht psychosozial erklärt werden können, weil die Patienten mehr Aufmerksamkeit erfahren und einen strukturierten Tagesablauf einhalten, erklärt Steindorf im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE.

In der Praxis komme es für Betroffene vor allem darauf an, dass Bewegungsprogramme individuell auf sie zugeschnitten sind, sagt Steindorf. "Wir achten bei unseren Patienten darauf, dass Herz und Kreislauf für das geplante Programm fit genug sind oder dass zum Beispiel keine Knochenmetastasen in der Wirbelsäule sitzen, wenn der Patient bestimmte Kraftübungen machen soll." Insgesamt gebe es in Deutschland noch kein standardisiertes Verfahren, das Krebspatienten Bewegungsprogramme anbiete. Für Patienten gibt der Krebsinformationsdienst des DKFZ auch Auskunft über Bewegung und Sport bei Krebs .

Spannend werden die Ergebnisse vieler noch laufender Studien sein, die wie in Heidelberg die Effekte von Sport bei einzelnen Krebsarten untersuchen. Denn für Brustkrebspatientinnen, für die Ärzte auch heute schon Bewegungsprogramme empfehlen , gelten unter Umständen völlig andere Regeln als zum Beispiel für Menschen mit Darmkrebs.