Arbeitsmediziner schlagen Alarm: Krank durch Stress im Job

Professor erklärt die Gründe und gibt Tipps

Die Zahl der Krankmeldungen wegen Überarbeitung nehmen rapide zu

Die Zahl der Krankmeldungen wegen Überarbeitung nimmt rapide zu. Arbeitsmediziner nehmen das Problem ernst und legen neuen Schwerpunkte

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Psychische Krankheiten waren im Jahr 2012 vielerorts Hauptursache für Fehltage im Job – häufiger als Rückenschmerzen und Erkältungen.

Ein Grund, warum auch die klassische Arbeitsmedizin sich mehr und mehr psychologischen Problemen öffnet. Der Direktor des Hamburger Zentralinstituts für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin, Prof. Volker Harth, erklärt die Gründe und wie man vorbeugen kann.

Die Zahl psychischer Erkrankungen nimmt seit Jahren zu. Verändert das auch die klassische Arbeitsmedizin?

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Prof. Harth: „Stress am Arbeitsplatz ist das Thema schlechthin. Die Arbeitsmedizin öffnet sich daher mehr und mehr der Psychologie. Nach dem klassischen Arbeitsschutz, der sich etwa um Gefahrstoffe in der Luft oder um die Arbeitsplatzgestaltung kümmert, sind wir jetzt bei der nächsten Baustelle. Es geht inzwischen oft weniger darum, die Lunge abzuhören, als über Probleme am Arbeitsplatz zu reden. Es ist vieles möglich, um die Arbeit so zu gestalten, dass sie nicht so sehr an einem zehrt.“

Inwiefern hilft da die Bundesratsinitiative für mehr Schutz vor psychischen Belastungen am Arbeitsplatz, die Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) gestartet hat?

Prof. Harth: „Die Initiative ist wichtig, um das Thema noch mehr in den Vordergrund zu spielen. Angesichts von demografischem Wandel, Zunahme der Lebensarbeitszeit und Fachkräftemangel sollten Arbeitgeber jetzt schon darauf achten, dass Mitarbeiter nicht verschlissen werden. Daher sollten Vorgesetzte immer im Blick haben: Wie können wir unsere Mitarbeiter pflegen?“

Und was genau lässt sich da tun?

Prof. Harth: „Die Kommunikation zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern spielt eine wichtige Rolle. Wenn ein Mitarbeiter etwa über anhaltende Rückenprobleme klagt, sollte der Chef hellhörig werden – das kann ein Zeichen für psychischen Stress sein. Arbeitgeber sollten auch aufpassen, dass sich Arbeitnehmer nicht selbst ausbeuten. Sie tragen die Verantwortung dafür, dass die Arbeitszeit nicht ständig überschritten wird, und dafür, Mitarbeiter an freien Tagen oder im Urlaub nicht zu stören, damit sie ausspannen und Kraft sammeln können. Arbeitgeber müssen im Blick haben, dass wir in zehn bis 15 Jahren eine andere Gesellschaft haben werden. Deshalb ist es wichtig, die Präventivmedizin in Deutschland zu stärken. Gesundheit ist ein Zustand, der täglich neu erhalten werden muss. Bisher ist die Medizin aber stark vom kurativen - also heilenden - Ansatz geprägt.“

Fünf Prozent leiden an Alkoholsucht

Welche Rolle kommt dem Betriebsarzt bei der präventiven, also der vorbeugenden Medizin zu?

Prof. Harth: „Arbeitsmediziner sind die einzigen Ärzte, die direkt an den Arbeitsplatz kommen. Sie sehen daher auch Menschen, die ein Allgemeinmediziner nicht zu Gesicht bekommt. Die Arbeitsmedizin ist ein schönes Fach, weil es möglich ist, direkt zu helfen. Man kann Gefährdungen am Arbeitsplatz erkennen, und zwar nicht erst, wenn Mitarbeiter schon da sitzen mit Burn-out und Depression. Ein Betriebsarzt kümmert sich beispielsweise auch um Süchte am Arbeitsplatz, denn bis zu fünf Prozent der Arbeitnehmer kämpfen mit einer Alkoholsucht. Auch bei sogenannten Stressoren wie der Schichtarbeit kann er vermitteln und zum Beispiel anregen, optimale Schichtpläne auszuarbeiten, die abgestimmt sind auf den Schlafrhythmus der Arbeitnehmer.“

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