Netzkommission des Bundestags patzt beim Verbraucherschutz

Abgeordnete und Sachverständige der Enquete-Kommission für Internet und digitale Gesellschaft konnten sich in ihrer Abschlusssitzung nicht auf gemeinsame Handlungsempfehlungen zum Verbraucherschutz inklusive Abmahnungen einigen.

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Von
  • Stefan Krempl

Der allgemeine Konsenswille setzte erst später ein: Abgeordnete und Sachverständige der Enquete-Kommission für Internet und digitale Gesellschaft des Bundestags konnten sich in ihrer Abschlusssitzung am Montag nicht auf gemeinsame Handlungsempfehlungen zum Verbraucherschutz einigen. So stehen den Vorschlägen der schwarz-gelben Koalition nun die davon abweichenden Formulierungen (PDF-Datei) der Opposition als "Sondervoten" gegenüber. So gibt der Zwischenbericht bei Themen wie Abmahnwellen oder der Störerhaftung bei WLAN-Anschlüssen, die viele Nutzer direkt berühren, keine einheitliche Linie vor.

In der Projektgruppe sei "sehr kontrovers in der Sache diskutiert" worden, erklärte deren Leiterin, Cornelia Tausch. Die von der SPD-Fraktion berufene Verbraucherschützerin sah unterschiedliche Verbraucherleitbilder. Rund ein Drittel der Nutzer fühle sich unsicher und schlecht informiert im Umgang mit dem Internet, ergänzte Halina Wawzyniak von der Linksfraktion. Aufgabe der Politik müsse es sein, diese Nutzer durch Gesetze zu schützen. Der für die FDP-Fraktion in der Kommission sitzende Sachverständige Wolf Osthaus bezeichnete es dagegen als "Panikmache", wenn nur auf Informationsdefizite und Risiken statt auf die großen Chancen des Netzes verwiesen werde.

Als Armutszeugnis und besonders ärgerlich bezeichnete es der Grüne Konstantin von Notz, dass die Kommission zum Problem massenhafter Abmahnungen aufgrund von Urheberrechtsverletzungen "nicht sprechfähig" sei. Tausch bedauerte, dass das Bundesjustizministerium zwar gegen das Abmahnunwesen vorgehen wolle, damit aber aufgrund des Widerstands aus der CDU/CSU-Fraktion nicht weit gekommen sei. So bleibe der Verbraucher auf der Strecke. Unseriöse Inkasso-Unternehmen müssten natürlich begrenzt werden, hielt Osthaus dem entgegen. Die Abmahnung als solche dürfe aber nicht pauschal in ein negatives Licht gerückt werden.

Auch in der Frage der Übertragbarkeit von Medieninhalten auf verschiedene Geräte oder der Umwandlung in andere Formate gingen die Ansichten weit auseinander. So spricht sich der Koalitionstext hier dafür aus, dass der Käufer eines digitalen Werks allein darüber informiert werden soll, ob dieses etwa nur mit einer bestimmten Hard- oder Software genutzt werden könne. Die Opposition plädiert dagegen für ein gesetzliches Recht, Daten portieren und Systeme zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) zugunsten von Privatkopien umgehen zu dürfen.

Weitere Felder des Verbraucherschutzes, auf denen sich die Kommission nicht einigen konnten, sind der Weiterverkauf elektronischer Güter, Warnhinweise im Kampf gegen Urheberrechtsverstöße, die sichere Identifikation im Netz, Datenschutz-Gütesiegel, die Gerätehoheit und "Secure Boot" oder Klageinstrumente. Alvar Freude, Sachverständiger der SPD-Fraktion, beklagte gegenüber heise online, dass hier von Schwarz-Gelb "nur warme Worte" gekommen seien. Es gebe keine konkreten Ansätze, die Position der Nutzer im Netz gegenüber der Industrie zu stärken.

Deutlich weniger inhaltliche Auseinandersetzungen hatte es zuvor bei der Verabschiedung der Rat schläge (PDF-Datei) zu "Internationales und Internet Governance" gegeben. Diese seien vollständig im Konsens erarbeitet worden, freute sich Projektgruppenleiter Thomas Jarzombek (CDU). Es werde betont, dass das freie und offene Internet eine schützenswerte Errungenschaft sei. Innerhalb der Bundesregierung solle ein Internetkoordinator installiert werden, um die einzelnen Ressorts besser in der Netzpolitik und der Internetregulierung aufeinander abzustimmen, werde empfohlen.

Jeanette Hofmann, die für die Grünen in der Kommission sitzt, hatte zuvor bedauert, dass sich Deutschland wenig an übergreifenden Weichenstellungen rund um digitale Medien und an der Netzverwaltung interessiere. "Wir sind abgekoppelt von der internationalen Diskussion", konstatierte die Politikwissenschaftlerin. Der von der Projektgruppe vorgelegte "sehr dünne Bericht" lasse auch kaum erwarten, dass sich an der schwachen Präsenz deutscher Politiker und Experten in globalen Regulierungsforen etwas ändere. (anw)