Zum Inhalt springen

Mythos oder Medizin Senken Joghurt und Limetten den Blutdruck?

Ich hatte hohen Blutdruck. Zwei afrikanische Arbeitskollegen erzählten mir unabhängig voneinander, ich sollte ein Glas Joghurt mit dem Saft von zwei bis drei Limetten trinken und der Blutdruck würde sofort zurückgehen. Leser Jürgen Tilgner fragt: Wie ist das möglich?
Limettensaft: Positive Wirkung auf den Blutdruck?

Limettensaft: Positive Wirkung auf den Blutdruck?

Foto: Corbis

Herzinfarkt, Herzschwäche, Vorhofflimmern und Schlaganfall -Bluthochdruck gilt als größter Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Organen wie Herz, Gehirn und Nieren, die auf einen geregelten Blutdruck angewiesen sind, nehmen auf Dauer Schaden. Ist der Druck in den Arterien einmal auf ungesunde Werte gestiegen, ist es gar nicht so leicht, ihn wieder zu regulieren. An Medikamenten führt kaum ein Weg vorbei - vielleicht aber ein afrikanisches Hausmittel?

Von Bluthochdruck spricht man ab einem Wert von 140 zu 90 mmHg. Bei fast allen Bluthochdruckpatienten ist die Ursache der Erkrankung unklar. "Ich muss zugeben, wir haben immer noch nicht alle Mechanismen aufgeklärt, die zu Bluthochdruck führen", sagt Stephan Baldus, Direktor der Klinik für Kardiologie der Uniklinik Köln. Es gibt gleich mehrere Regelzentralen, die den Blutdruck steuern: Das Herz, die Niere, das Nervensystem und verschiedene, in den Blutgefäßen gebildete Botenstoffe sind beteiligt. Die Pulsadern beispielsweise können ihren Durchmesser aktiv verändern, um sekundenschnell auf Schwankungen des Blutdrucks zu reagieren. Steigt der Blutdruck zu stark, dehnen sie sich; sinkt er zu stark, ziehen sie sich zusammen.

Anzeige

Irene Berres, Julia Merlot:
Mythos oder Medizin

Brauchen Wunden Luft oder Pflaster? Schadet es, mit den Fingern zu knacken? Ist es gefährlich, Nieser zu unterdrücken? Die spannendsten Fragen und Antworten aus der beliebten Kolumne.

Heyne Verlag; 224 Seiten; 8,99 Euro.

Buch bei Amazon: Irene Berres, Julia Merlot "Mythos oder Medizin" Buch bei Amazon: Irene Berres, Julia Merlot "Mythos oder Medizin" (KINDLE) 

Vitamine gegen schädliche Teilchen

Hier kommen die Limetten ins Spiel. "Man weiß, dass kleine instabile Moleküle, sogenannte Radikale, verhindern können, dass sich die Gefäßwand ausdehnt", erklärt Baldus. Dadurch bleibt der Blutdruck hoch. Antioxidantien können diese Radikale unschädlich machen, zu ihnen gehört auch das in Limetten enthaltende Vitamin C. Es gibt jedoch einen Haken: In Studien am Menschen konnte bisher nicht beobachtet werden, dass der gezielte Konsum von Früchten vor Bluthochdruck schützt oder ihn reduziert. "Vielleicht sind uns die Afrikaner da einen Schritt voraus", sagt Baldus. "Aus schulmedizinischer Sicht sind blutdrucksenkende Medikamente aber weit effektiver als solche Früchte."

Bei Joghurt sieht es da schon etwas anders aus: Anfang 2013 veröffentlichten Wissenschaftler um Paul Jacques von der Tufts University in Boston eine Studie , die zeigt, dass Menschen, die regelmäßig fettarmen Joghurt essen, ein um fast ein Drittel verringertes Bluthochdruck-Risiko haben. Sie hatten täglich bis zu zwei Prozent ihrer Kalorienzufuhr mit dem Milchprodukt gedeckt. In der von Danone unterstützen Studie wurden Daten aus 15 Jahren von über 2000 Versuchsteilnehmern ausgewertet.

"Aus der Untersuchung lässt sich schlussfolgern, dass Joghurt als Bestandteil gesunder Ernährung einen Einfluss auf den Blutdruck haben könnte", sagt Baldus. Joghurt allein spiele aber eher eine untergeordnete Rolle. "Wahrscheinlicher ist, dass Menschen, die regelmäßig Joghurt essen, sich insgesamt gesünder ernähren", so der Herzspezialist. "Dass die Ernährung einen wichtigen Einfluss auf den Blutdruck hat, ist durch zahlreiche Studien belegt."

Trainingsanzug statt Festmahl

So scheint etwa mediterrane Kost mit vergleichsweise wenigen Kohlenhydraten und überwiegend ungesättigten Fettsäuren, das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu senken. Zuletzt bestätigte das im Mai 2013 eine Studie mit knapp 2000 Dänen . Auch, dass Salz bei der Entstehung von Bluthochdruck eine Rolle spielt, sei inzwischen gesichert, erzählt Baldus. Die Deutsche Hochdruckliga (DHL)  empfiehlt, nicht mehr als einen Teelöffel Salz pro Tag zu konsumieren. Außerdem beschreibt die DHL chronischen Stress als einen der Hauptauslöser für Bluthochdruck.

"In den meisten großen Studien zu gesunder Ernährung versuchen Forscher, die Entstehung von Bluthochdruck zu verstehen", sagt Baldus. Über die Behandlung eines bestehenden Bluthochdrucks sei damit aber nichts gesagt. Um schwere Folgeerkrankungen von dauerhaft erhöhtem Blutdruck zu vermeiden, eignen sich derzeit nur Tabletten. Tun kann man trotzdem etwas: "Sport und Gewichtskontrolle sind, abgesehen von Medikamenten, die nachgewiesen effektivsten Methoden, den Blutdruck zu senken", sagt Baldus. Studien zufolge kann schon flottes Gehen, viermal die Woche für 30 bis 45 Minuten, den Druck in den Adern um bis zu 10 mmHg reduzieren.

Fazit: Auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse lässt sich eine blutdrucksenkende Wirkung von Limetten und Joghurt nicht endgültig nachweisen. Schulmediziner raten stattdessen zu Bewegung und zum Abbau überschüssiger Pfunde. Auf Tabletten verzichten sollte man nur in Absprache mit dem Arzt.