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Die perfekte Zahnpflege "Zahnseide ist unersetzlich"

Roland Frankenberger ist Professor für Zahnerhaltungskunde an der Universität Marburg. Im Interview erklärt er, wie man seine Zähne perfekt pflegt, welche Putztechnik man sich lieber abgewöhnen sollte und ob Karies ansteckend ist.
Zahnseide: Einmal täglich sollte sollte es schon sein

Zahnseide: Einmal täglich sollte sollte es schon sein

Foto: OBS/ proDente

SPIEGEL ONLINE: Die professionelle Zahnreinigung wurde zuletzt kritisiert, weil ihr Nutzen nicht wissenschaftlich erwiesen sei . Dient sie vor allem den Gewinnen der Zahnärzte?

Frankenberger: Man kann leicht behaupten, dass jemand, der gute Mundhygiene betreibt, keine professionelle Zahnreinigung braucht. Tatsache ist aber: Die durchschnittliche Mundhygiene in Deutschland ist nicht besonders gut. Im Schnitt beträgt die Zahnputzzeit abends, wo es besonders wichtig wäre, die Zähne gründlich zu säubern, 48 Sekunden. Bei so einer geringen Dauer bleibt immer Plaque übrig und es ist in jedem Fall sinnvoll, sich diese Beläge zumindest jedes halbe Jahr entfernen zu lassen.

SPIEGEL ONLINE: Für wen ist Ihrer Meinung nach eine professionelle Zahnreinigung besonders wichtig?

Frankenberger: Gerade bei unregelmäßig stehenden Zähnen kann der Patient ohne professionelle Hilfe gar nicht alle Stellen von Zahnbelag befreien. Sehr oft tritt bei unseren Patienten neben Plaque auch Zahnstein auf, der sowieso entfernt werden muss.



ZUR PERSON:

Roland Frankenberger leitet die Abteilung für Zahnerhaltungskunde an der Universität Marburg. Seit 2012 ist er auch Präsident der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltungskunde.



SPIEGEL ONLINE: Was kann man zu Hause tun, um seine Zähne gesund zu halten?

Frankenberger: Die drei Z beachten - Hygiene von Zähnen, Zunge und Zahnzwischenräumen.

SPIEGEL ONLINE: Was hat die Reinigung der Zunge mit gesunden Zähnen zu tun?

Frankenberger: Auf der Zunge nisten sich Bakterien ein, die für die Karies und Parodontitis verantwortlich sind. Außerdem liegt die Ursache für Mundgeruch meist auf der Zunge. Daher gehört die Zungenreinigung mit zu einer guten Mundhygiene. Dafür gibt es in der Drogerie Schaber, die sich hervorragend eignen.

SPIEGEL ONLINE: Eine Studie hat vor kurzem gezeigt, dass die meisten Deutschen falsch Zähneputzen. Welche Technik ist die Richtige?

Frankenberger: Dieses horizontale Schrubben ist leider relativ weit verbreitet. Gut ist die Technik, bei der man die Zahnbürste in kleinen Kreisen über die Zahnoberfläche bewegt und dann zum Zahn hin ausstreicht. Ideal ist aber, die Zahnbürste im 45-Grad-Winkel auf den Zahn aufzusetzen, dann den Zahnbelag durch eine Rüttelbewegung zu lösen - und diesen dann zum Zahn hin auszustreichen. Studien, in denen Patienten - mit deren Einverständnis - mit einer Kamera hinter dem Badezimmerspiegel gefilmt wurden, haben aber gezeigt, dass solche Instruktionen nicht sehr gut umgesetzt werden. Oft ist man direkt nach dem Zahnarztbesuch hoch motiviert, alles richtig zu machen, meistens fällt man aber relativ schnell wieder in alte Verhaltensmuster zurück.

SPIEGEL ONLINE: Ist es besser, eine elektrische Zahnbürste zu benutzen?

Frankenberger: Wenn man das Geld übrig hat auf alle Fälle. Die elektrische Zahnbürste kann einfach alles besser. Sie macht die Rüttelbewegung von alleine und man muss sie nur noch von rot nach weiß und von Zahn zu Zahn führen. Sie hat außerdem den charmanten Vorteil, dass man mit ihr bei gleichem Ergebnis schneller fertig ist. Mit der Handzahnbürste braucht man circa drei Minuten, um mit der richtigen Technik annähernd belagfrei zu werden, mit einer maschinellen Bürste reichen oft schon zwei Minuten.

SPIEGEL ONLINE: Wie findet man die richtige elektrische Zahnbürste?

Frankenberger: Ich will keine Werbung machen, aber es gibt nur drei Premium-Hersteller. Elektrische Zahnbürsten, die man ab 50 Euro zum Beispiel im Drogeriemarkt bekommt, sind meistens gut. Manche lösen Zahnbeläge mit Ultraschall, andere mit einer mechanischen Rütteltechnik. Beides ist gleich effektiv.

SPIEGEL ONLINE: Sollte man eine Mundspülung verwenden?

Frankenberger: Gerade sind Mundspüllösungen mit vielen ätherischen Ölen sehr beliebt, weil sie dem Patienten ein großes Frischegefühl geben. Das effektive Bürsten mit der richtigen Technik und fluoridhaltiger Zahnpasta können fluoridhaltige Spülungen aber nie ersetzen.

SPIEGEL ONLINE: Wie reinigt man die Zahnzwischenräume?

Frankenberger: Zahnseide ist unersetzlich, um zwischen den Zähnen zu reinigen - alle Mundduschen dieser Welt schaffen das nicht. Interdentalbürstchen kann man auch verwenden, aber eher wenn mit höherem Alter immer mehr Platz zwischen den Zähnen ist. Bei jüngeren Menschen passen Zahnzwischenraumbürstchen gar nicht zwischen die Zähne. Hier ist die Zahnseide das Nonplusultra zur Zahnzwischenraum-Reinigung. Ungewachste schafft ein bisschen mehr Zahnbelag weg, aber die gewachste ist leichter zu handhaben und immer noch viel besser als keine Zahnseide.

SPIEGEL ONLINE: Fluoridiert oder nicht?

Frankenberger: Man sollte, wenn immer möglich, wiederholt kleine Mengen Fluorid auf die Zähne bringen, das ist die beste Waffe gegen Karies. Einmal die Woche ein fluoridhaltiges Gelee zu verwenden ist gut, Zahncreme sollte unbedingt fluoridiert sein, relativ neu gibt es auch kleine fluoridhaltige Tabletten, die man anstatt Zahncreme nimmt. Die zerkaut man zwischen den Frontzähnen, das gibt dann so einen mehligen Brei, und damit putzt man. Das ist eine zusätzliche Fluoridanreicherung - ich benutze das und finde das sehr angenehm. Und Zahnseide mit Fluorid ist ebenfalls eine gute Sache.

SPIEGEL ONLINE: Kann man Zahnseide zu oft anwenden?

Frankenberger: Zu oft eher nicht, aber man kann sie falsch anwenden. Wenn man Zahnseide fest in die Zwischenräume schnalzen lässt, kann es zu Verletzungen am Zahnfleisch kommen. Man sollte sie mit einer sachten Sägebewegung zwischen den Zähnen bewegen. Aber nur sehr wenige Menschen benutzen täglich Zahnseide. Bei täglicher Anwendung müsste der jährliche Verbrauch bei circa 180 Metern pro Person liegen, in Deutschland sind es aber gerade einmal zehn.

SPIEGEL ONLINE: Wie könnte man das ändern?

Frankenberger: Man muss das schon den Kindern beibringen - was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr, das gilt bei der Mundhygiene besonders. Wenn ich mir anschaue, wie viel Geld wir in Deutschland ausgeben, um die Folgen von Karies und Parodontits mit Füllungen, Kronen, Prothesen, Implantaten und Parodontalbehandlungen zu beheben - und wie wenig Mühe und Geld dagegen in die Prävention gesteckt wird, ist das traurig. Man kann Karies verhindern, es ist so einfach! Der beste Zahnarzt ist der, der seine Patienten zur perfekten Mundhygiene motiviert. Aber dazu muss der Patient auch in die Praxis kommen. Wie wir die Prävention von Karies und Parodontitis verbessern können, muss der Schwerpunkt der zahnmedizinischen Forschung in der Zukunft sein.

SPIEGEL ONLINE: Kann man sich eigentlich mit Parodontitis oder Karies anstecken?

Frankenberger: Es gibt die Angewohnheit, dass die Mutter den Schnuller ihres Kindes ablutscht, damit das Kind ihn leichter in den Mund nimmt. Man hat klar nachgewiesen, dass dadurch Bakterien, auch Karieskeime, der Mutter auf das Kind übertragen werden. Man kann sich also leicht vorstellen, dass zum Beispiel durch Küsse solche Erreger weitergegeben werden.

SPIEGEL ONLINE: Heißt das, man kann selbst so viel Mundhygiene betreiben, wie man will - wenn der Partner nicht mitzieht, hat man trotzdem nichts davon?

Frankenberger: Ob sich die übertragenen Keime im nächsten Organismus durchsetzen, ob dadurch wirklich Karies oder eine Parodontitis auslöst wird, hängt von vielen Faktoren ab. Zum Beispiel davon, wie ausgereift und schlagkräftig das Immunsystem ist, wie gut der Mineralisationsgrad der Zähne und der Speichelfluss sind. Mit der richtigen Mundhygiene ist der bakterielle Angriff dann auch gleich wieder weggeputzt. Ein sauberer Zahn wird nicht krank.

Das Interview führte Frederik Jötten