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Studie Vitamin-D-Mangel macht die Knochen alt und spröde

Mehr als jeder zweite Deutsche leidet unter Vitamin-D-Mangel. Wie eine Studie jetzt zeigt, vermindert dieser nicht nur die Knochenmasse. Er lässt auch Knochen vorzeitig altern.
Sonne ist unverzichtbar für die natürlich Vitamin-D-Produktion

Sonne ist unverzichtbar für die natürlich Vitamin-D-Produktion

Foto: Daniel Naupold/ dpa

Bis zum Ende des ersten Lebensjahrs bekommen kleine Kinder Vitamin-D-Tabletten verschrieben. Danach ist zumeist Schluss. Zugleich tun viele Eltern alles, um ihre Kinder vor der Sonne zu schützen. T-Shirts mit Sonnenschutz und hohe Lichtschutzfaktoren in der Sonnenmilch halten jedes bisschen Strahlung ab. Der Ansatz ist zwar richtig. Zu große Vorsicht allerdings bremst die Vitamin-D-Bildung aus.

Laut Robert Koch-Institut (RKI) nehmen ein- bis zweijährige Kinder noch genug Vitamin D auf oder bilden genug in ihrer Haut. Bei den drei bis 17-Jährigen allerdings leiden rund 87 Prozent unter einem Vitamin-D-Mangel, bei der erwachsenen Bevölkerung sind es immerhin noch 60 Prozent. Als Folge kann der Körper zu wenig Kalzium aus dem Essen über den Darm in den Stoffwechsel schleusen.

Das Kalzium fehlt anschließend für den Knochenaufbau und den Erhalt der Knochenmasse. Doch damit nicht genug: Wie Forscher jetzt in der Fachzeitschrift "Science Translational Medicine" berichten , führt der Mangel nicht nur zu einer verringerten Knochenmasse, sondern lässt auch Teile der Knochen vorzeitig altern und erhöht dadurch das Bruchrisiko. Schon länger hatten Experten sich darüber gewundert, dass bei Vitamin-D-Mangel gehäuft Knochenbrüche auftreten. Allein durch eine verringerte Knochenmasse ließ sich die Beobachtung nicht erklären.

Knochen von 30 Organspendern untersucht

Der Bioingenieur Björn Busse vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) untersuchte deshalb mit Kollegen am Lawrence Berkeley National Laboratory die Struktur der Knochen von 30 Organspendern im Detail. 15 der Spender litten unter einem Vitamin-D-Mangel, 15 nicht. "Eine sehr gut gemachte Studie mit direkt auf den Menschen anwendbaren Ergebnissen, die intelligent verschiedene Untersuchungstechniken kombiniert", urteilt Lorenz Hofbauer vom Universitätsklinikum Dresden, der auch das Editorial zur Studie geschrieben hat.

Bei ihrer Untersuchung legten die Wissenschaftler den Fokus auf die äußere Knochenschale, auch als Knochenrinde bekannt. Normalerweise wird diese Struktur immer wieder umgebaut und erneuert. Das ist allerdings nur möglich, wenn sich auf ihrer Oberfläche eine durchgängige mineralisierte Schicht befindet. An sie können verschiedene Zellen anhaften, die für den Knochenumbau zuständig sind. "Diese ist aber nur vorhanden, wenn ein Mensch ausreichend mit Kalzium und Vitamin D versorgt ist", erläutert Michael Amling, Direktor des Instituts für Osteologie und Biomechanik am UKE. "Ansonsten kann der Umbau von Knochen nicht erfolgen."

Sind durch einen Vitamin-D-Mangel Teile des Knochens nicht mineralisiert, altert der nicht umbaubare Knochenbereich vorzeitig und lagert erhöhte Mengen Mineralien ein. Die Teile werden dadurch steif und spröde, kleine Haarrisse entstehen. "Alternde Knochenteile sind im Vergleich zu gesundem Knochen um bis zu ein Drittel weniger widerstandsfähig gegen Brüche", erklärt Busse.

Vitamin D auch für das Immunsystem wichtig

Zugleich wird Kalzium in zu geringen Mengen in den Knochen eingebaut, weshalb die Knochenmasse verringert ist. Um beide Effekte zu erfassen, bevorzugt Busse den Begriff "Knochenqualität". Knochendichtemessungen allein können das tatsächlich bestehende Bruchrisiko deshalb nicht immer korrekt angeben. "Mit Osteoporose assoziierte Knochenbrüche treten nämlich oft bei Patienten auf, die eine noch nicht kritisch verringerte Knochendichte haben, die jedoch unter Vitamin-D-Mangel leiden", so Amling.

Vieles deutet darauf hin, dass es möglich ist, die Alterungsprozesse durch eine Vitamin-D-Einnahme rückgängig zu machen. "Wir wissen aus anderen Studien, dass für den Knochenstoffwechsel wichtige Knochenhormone wieder normale Werte annehmen, wenn Vitamin D eingenommen wird", sagt Hofbauer. Noch besser ist, wenn es erst gar nicht zu den Alterungsprozessen kommt. Durch eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung wären sie laut Amling vermeidbar - sei es durch Tabletten mit täglich 800 bis 1000 Einheiten Vitamin D, den täglichen Konsum von Vitamin-D-reichen Lebensmitteln wie Lachs oder regelmäßige Aufenthalte im Freien ohne Tagescreme mit Lichtschutzfaktor.

Wer auf eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung achtet, tut sich auch in anderer Hinsicht einen Gefallen. So ist Vitamin D im Hinblick auf die Funktion des Immunsystems und Autoimmunerkrankungen, Nervenzellen, Muskelfunktion, und diverse Krebserkrankungen wichtig. Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass bei einem Vitamin-D-Mangel etwa die Insulinempfindlichkeit herabgesetzt ist. "Unsere moderne Arbeitswelt mit stundenlangem Sitzen vor Monitoren macht es jedoch fast unmöglich, Vitamin D auf natürlichem Weg zu bilden", warnt der Dresdner Mediziner Hofbauer.