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Achilles' Verse Wegrennen vorm Lauf-Date

Schnell, langsam, hip oder leger: Läufer sind ein bunter Haufen. Anna, die Nichte von Achim Achilles, schließt beim Joggen ständig neue Bekanntschaften und freut sich über neue Laufpartner. Allerdings nicht über jeden.
Joggen zu zweit: Quatschen und laufen - schweigen und sprinten?

Joggen zu zweit: Quatschen und laufen - schweigen und sprinten?

Foto: Christian Charisius/ picture alliance / dpa

Laufen kann jeder. Als Fußballer braucht man Ballgeschick, als Balletttänzer einen grazilen Körper. Fürs Laufen reicht ein Paar vernünftige Turnschuhe - wenn überhaupt. Laufen ist einfach. Schuhe an, vor die Tür, los geht's! Genau deshalb machen es so viele.

Egal, ob schnell, langsam, alt, jung, reich, arm, dick, dünn, Manager, Arbeiter, Hipster, Nerd - Läufer findet man überall in der Gesellschaft. Das Tolle daran ist: Menschen, die sich sonst nie begegnen würden, treffen sich durchs Laufen. Sport verbindet. Laufen ganz besonders.

Seit ich regelmäßig jogge, habe ich viele andere Läufer kennengelernt. Erfahrene Marathonläufer, die kritisch meinen Laufstil beäugen; eine lustige Lauftruppe, die mich während des Laufens mit Glühwein versorgt; Freundinnen, mit denen ich über pinkfarbene Schuhe reden kann. Völlig verschiedene Menschen. Aber alle wichtig. Denn jeder Einzelne bringt mich weiter auf dem Weg zu einer echten Läuferin. Dank dieser Menschen fühle ich mich als Teil einer großen Läufer-Gemeinschaft. Sie haben mir Mut gemacht, Ratschläge gegeben, und nie, wirklich nie, hat mich jemand wegen meiner Langsamkeit ausgelacht - abgesehen vielleicht von meinem Onkel Achim. Ich widme diese Zeilen meinen Lauffreunden.

Steigerungslauf mit dem erfahrenen Läufer:

Karl-Heinz läuft schon, seit er denken kann. Praktisch immer und jeden Tag. Geduldig trabt er neben mir her und erzählt von seinem 43. Marathon, den er dieses Jahr plant. Er könnte doppelt so schnell laufen. Aus Rücksicht auf mich hält er sich aber zurück. Was für ihn eigentlich Spazierengehen ist, bezeichnet er netterweise als Training im "niedrigpulsigen Bereich ", um mich nicht zu demotivieren. Während ich keuche, erklärt er mir in Seelenruhe den Unterschied zwischen Supination und Pronation . Meine neongelbe, reflektierende Flashjacke kommentiert er mit: "Sowas trägt man also heutzutage."

Schaulaufen mit der Lauf-Crew:

Hippe Jungs und Mädchen, die nachts durch Berlins Szenebezirke rennen und dabei bevorzugt bunte Schuhe und gemusterte Lauftights tragen. Selbst nach 10-Kilometer-Läufen in flottem Tempo sieht die Lauf-Truppe aus, als käme sie direkt von einem Foto-Shooting für den nächsten Nike-Werbespot. Gesprochen wird wegen der Internationalität auf Englisch - wenn man zum Reden noch in der Lage ist. Die Durchschnittsgeschwindigkeit: zu schnell für mich. Also hänge ich immer ein bis drei Meter hinter dem Rest. Der Vorteil: Mir kann keiner in die Fersen treten.

Joggen mit der Schulfreundin:

Franzi schaut irritiert, wenn ich die Wörter "Trainingsplan " und "Herzfrequenz " in den Mund nehme. Sie kennt mich noch von früher. Damals, als wir fürs Abitur lernten und uns beim gemeinschaftlichen Um-den-Dorfweiher-Joggen für die Bioprüfung abfragten. Damals, als wir stolz waren, 500 Meter gejoggt zu sein. Das Gute: Wir sind beide gleich langsam. Wenn wir gemeinsam laufen, dann eigentlich, um uns zu unterhalten. Darin sind wir einsame Spitze. Mir ihr vergeht die Trainingszeit wie im Flug.

Lauf-Date mit der Partybekanntschaft:

Auf der Party klang das total logisch. Der Typ war nett, sah nicht schlecht aus. Warum sollten wir nicht gemeinsam laufen? Als er mich per SMS fragt, wann ich Zeit hätte, kommen mir leichte Zweifel. Laufe ich ganz normal, kriege ich einen roten Kopf und sehe furchtbar aus. Laufe ich langsam, denkt er ich bin unsportlich. Laufe ich schnell, bin ich womöglich schneller als er und er ist beleidigt. Was für ein Dilemma. Ich schreibe zurück: "Wollen wir uns nicht lieber auf 'nen Kaffee treffen?"

Dauerlauf mit dem Mitbewohner:

Mein Mitbewohner ist leicht zu beeindrucken. Wer samstags vor 12 Uhr aufsteht, um laufen zu gehen, so denkt er, muss es ernst meinen mit dem Sport. Ich wedele ein paar Mal mit der GPS-Uhr, erzähle was von Pace und Maximalpuls  und schon hält er mich für kompetent. Vom schlechten Gewissen geplagt, rafft er sich irgendwann auf und kommt mit mir in den Park. Leider geht ihm nach zehn Minuten die Puste aus. Raucherlunge. Schade. Es hätte so nett werden können. Statt ihn beim Dauerlauf abzuhängen, hängen wir lieber auf der WG-Couch ab. Ist besser für den Haussegen.

Wettrennen mit dem Bruder:

Mein Bruder ist zwar kein Läufer, aber ein sportliches Multitalent. Im Gegensatz zu mir beherrscht er alles: von Fußball über Snowboarden bis Geräteturnen. Als Kind war für mich schon Radfahren ohne Stützräder eine der größten Herausforderungen. Kein Wunder, dass ich von der Familie ausgelacht wurde. Neulich schlug ich meinem Bruder vor, mit mir eine Runde durch den Wald zu laufen. Er verneinte, aus Angst ich könnte schneller sein als er. Ein so schönes Kompliment habe ich schon lange nicht mehr gehört.

Laufen kann eben doch nicht jeder. Man muss es auch wirklich tun!