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Körperliche Bewegung Warum Sport so gesund ist

Ob Schwimmen, Walken, Fahrradfahren oder Joggen: Wer sich bewegt, bleibt körperlich und geistig fit. Sie gähnen schon? Dann wissen Sie mit Sicherheit auch, warum Sport eigentlich so gesund ist. Hm, nicht wirklich? SPIEGEL ONLINE erklärt die wichtigsten Effekte von Sport auf Körper und Psyche.
Jogger auf einem Pier: "Sport ist oft die beste Medizin"

Jogger auf einem Pier: "Sport ist oft die beste Medizin"

Foto: Corbis

Alois Immenkamp ist Anfang 60, als die Joggingwelle gerade aus den USA herüberschwappt. Was der Kieferchirurg in einer Ausgabe von "Reader's Digest" liest, das überzeugt ihn. Umgehend beginnt er mit regelmäßigem Lauftraining. Von nun an verändert sich sein Körper: Je mehr er läuft, desto mehr nimmt er ab, ist umso seltener krank. Und er denkt auch positiver. Bis ins stolze Alter von 92 joggt der Arzt eisern jeden morgen - und überlebt mit 101 Jahren seine Ehefrau deutlich.

Das alles ist kein Zufall. Heute weiß man, dass sich Sport auf beinahe jeden Teil von Körper, Geist und Seele positiv auswirkt. "Sport ist wirklich oft die beste Medizin", sagt Joachim Mester, Institutsleiter an der Deutschen Sporthochschule Köln (DSHS) . "Und es ist nie zu spät, um anzufangen."

Dass körperliche Bewegung der Gesundheit zuträglich ist und bei vielen chronischen Erkrankungen die Selbstheilungskräfte des Körpers anzukurbeln vermag, ist längst bekannt. Dabei war Sport einst nur notwendiges Übel: "Im kargen Alltag des Urmenschen, der ständig Nahrung suchen, kämpfen oder fliehen musste, wäre Energieverschwendung ein tödlicher Luxus gewesen", sagt Mester. "Faulheit war überlebenswichtig."

Anders als seine Vorfahren, die sich Tag für Tag kilometerlang durch die Steppe schleppten, sitzt der moderne Mensch oft den ganzen Tag im Auto, am Rechner oder vor dem Fernseher. Doch dafür sind wir genetisch schlicht falsch ausgerüstet, wir werden fett - und mit dem Speck kommen die Zivilisationskrankheiten.

Dagegen hilft vor allem eines: Bewegung. Aber was passiert eigentlich im Inneren unseres Körpers, wenn wir Sport treiben? Und warum tut Sport auch Geist und Seele so gut? SPIEGEL ONLINE erklärt die wichtigsten Effekte von körperlicher Bewegung auf die Gesundheit.

Nicht auf die faule Haut - die Crux mit den Fettreserven

Übergewichtige Kinder beim Sport: Fettspeicher nicht überlaufen lassen

Übergewichtige Kinder beim Sport: Fettspeicher nicht überlaufen lassen

Foto: Waltraud Grubitzsch/ picture-alliance/ dpa

In der Urzeit dienten Fetteinlagerungen als hocheffizienter Speicher, um auch in kargen Zeiten große Energiemengen mobilisieren zu können. Das Problem: Wenn wir uns nicht genug bewegen, wird dieser Speicher nicht mehr geleert. Besonders gefährlich ist das Viszeralfett, tief im Bauchraum liegendes Körperfett, das die inneren Organe umhüllt und sich durch einen vergrößerten Bauchumfang bemerkbar macht.

Diese gelbliche Masse wirkt wie eine Art Hormondrüse. "Das viszerale Fett dient als Brutstätte verschiedener entzündungsfördernder Botenstoffe", sagt Hans Hauner, Leiter des Else Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin an der TU München. Diese fluten dann über die Pfortader den gesamten Körper. Auf Dauer führt das zu Diabetes und Gefäßerkrankungen.

Wer dagegen regelmäßig Sport treibt, dessen Fettspeicher läuft nicht mehr über - und die Entzündungsfaktoren gehen zurück. Das erklärt, warum Sportler trotz ein paar Kilo zu viel oft gesünder sind und eine höhere Lebenserwartung haben als gertenschlanke Sporthasser. Überhaupt neigen Sportler weniger zu Krankheiten, die durch chronische Entzündungen verursacht werden, wie Diabetes mellitus, Arteriosklerose oder gar Krebs.

Kampf dem Zucker - wie Sport vor Diabetes schützt

Ungesunde Ernährung: Untrainierte Menschen haben höheres Diabetes-Risiko

Ungesunde Ernährung: Untrainierte Menschen haben höheres Diabetes-Risiko

Foto: Kirsty Wigglesworth/ AP

Typ-2-Diabetes hatte lange Zeit einen Ruf als Altersdiabetes oder Alterszucker. Längst ist die Krankheit aber zu einem vom Alter unabhängigen Leiden geworden. Experten schätzen, dass etwa zehn Millionen Deutsche an Typ-2-Diabetes leiden. Rund elf Millionen Menschen befinden sich den Schätzungen zufolge in einem Vorstadium (Prädiabetes).

Bei Typ-2-Diabetikern ist der Zuckerstoffwechsel gestört und die Blutzuckerwerte sind dauerhaft zu hoch. Denn Typ-2-Diabetiker sind gegen das Bauchspeicheldrüsenhormon Insulin unempfindlich. Dieses sorgt dafür, dass Zellen ihren Treibstoff Glukose aufnehmen können und der Zuckerspiegel im Blut reguliert wird.

Diabetes mellitus

Tatsächlich lässt sich - das haben unzählige Studien in der Vergangenheit gezeigt - in der Anfangsphase einer Diabetes-2-Erkrankung durch körperliche Bewegung sogar eine beginnende Insulinresistenz wieder umkehren. Das liegt nicht nur am Abbau des Bauchfettes. Ein weiterer wichtiger Grund ist der abnehmende Bedarf an Insulin. Was viele nicht wissen: Insulin wird vor allem im Ruhezustand benötigt. "Bei körperlicher Belastung reichen schon die Glukose-Transportproteine in den Muskelfasern aus, um Glukose aufzunehmen", erklärt Wilhelm Bloch, Leiter der Abteilung Molekulare und zelluläre Sportmedizin der DSHS. "Dadurch sinkt der Blutzuckerspiegel und damit auch der Insulinbedarf. Das schont die Bauchspeicheldrüse."

Bei untrainierten Menschen jedoch liegen die Transportproteine nutzlos im Zellinneren der Muskelfasern herum. Erst sportliche Betätigung bringt die Glukosetransporter wieder dorthin, wo sie hingehören: in die Zellmembran.

Hinzu kommt, dass sich durch Sport das Verhältnis von Fett, das ständig Insulin benötigt, hin zu mehr Muskelmasse verschiebt. Dadurch verringert sich der Hormonbedarf abermals, was den Stress auf die Bauchspeicheldrüse weiter verringert. "So kann sich das Organ wieder erholen und der Körper spricht wieder besser auf Insulin an", sagt Bloch.

Herz ist Trumpf - Sport verhindert Gefäßerkrankungen

Laufbandtraining: Körperliche Betätigung lässt Blutfettwerte sinken

Laufbandtraining: Körperliche Betätigung lässt Blutfettwerte sinken

Foto: Roland Weihrauch/ picture-alliance/ dpa/dpaweb

Umgangssprachlich als Arterienverkalkung bezeichnet, ist Arteriosklerose eine Krankheit mit schwerwiegenden Folgen. Denn wenn sich in den Wänden der Blutgefäße Blutfette wie etwa Cholesterin ablagern, verstopfen die Gefäße. Es kommt zu einem Stau in der Blutbahn, mitunter zum kompletten Verschluss. Im schlimmsten Fall droht ein Schlaganfall oder Herzinfarkt.

Körperliche Betätigung kann dem entgegenwirken: Wer Sport treibt und seinen Kreislauf in Schwung bringt, sorgt dafür, dass der Körper etliche Substanzen freisetzt, die sich positiv auswirken. So werden beim Training fettspaltende Enzyme verstärkt aktiviert. Diese sogenannten Lipasen bewerkstelligen quasi die Fettverdauung, indem sie Fettsäuren abspalten, die von den Zellen verwertet werden können. Zudem verbessert körperliche Bewegung den Abtransport von Fetten zur Leber.

Das Resultat: Durch körperliche Betätigung sinken die Blutfettwerte und auch das schädliche LDL-Cholesterin nimmt ab. Die Bildung von gefährlichen Plaques in den Gefäßen wird verhindert - das Risiko für Schlaganfall und Herzinfarkt sinkt.

Herz und Hirn profitieren aber nicht nur von verbesserten Fettwerten. Auch der Blutdruck sinkt durch regelmäßige Bewegung, weil sich die Gefäße entspannen und sich neue Kapillaren bilden. In der Folge sinkt der Blutdruck und der Widerstand im Kreislauf nimmt ab.

Besonders interessant ist ein Trainingseffekt, der das Herz vor lebensgefährlichen Rhythmusstörungen schützt. Dieser hängt vor allem mit dem Stresshormon Adrenalin zusammen. "Entgegen der landläufigen Meinung weisen Sportler im Ruhezustand ähnliche Adrenalinspiegel auf wie Untrainierte", erklärt Bloch. "Aber die Stressrezeptoren am Herzen werden unempfindlicher." Besonders wirksam scheint der Effekt bei hohen Belastungsspitzen zu sein, bei denen der Hormonspiegel gleich auf das mehrfache ansteigt. Offensichtlich "gewöhnt" sich das Herz an diese Belastung - und entwickelt eine Art Stressresistenz.

Stressabbau durch Sport - warum Bewegung das Gemüt aufhellt

Freizeitsportlerinnen: Auch chronisch Kranke profitieren von dem psychischen Effekt

Freizeitsportlerinnen: Auch chronisch Kranke profitieren von dem psychischen Effekt

Foto: Martin-Rose/ Bongarts/Getty Images

Von regelmäßigem Training profitieren selbst chronisch Kranke. Wurden Patienten noch vor kurzem gnadenlos stillgelegt, lässt man heutzutage sogar Menschen mit chronischer Herzinsuffizienz regelmäßig, aber moderat Sport treiben. Neben einer verbesserten Belastbarkeit hellt sich bei den meisten Betroffenen auch das Gemüt spürbar auf.

Die stressabbauende Wirkung von Sport bei Krebserkrankungen zeigen gleich mehrere Studien der Kölner Sporthochschule an Patientinnen mit Brusttumoren sowie Lymphom- und Leukämiepatienten. Diese litten, bedingt durch die Chemotherapie oder Stammzelltransplantation, unter extremer Erschöpfung. Die Probanden mussten sich mehrere Wochen einem regelmäßigen Trainingsprogramm unterziehen. "Durch das Training besserte sich nicht nur der Allgemeinzustand erheblich", sagt Bloch. "Die Patienten wurden auch psychisch deutlich robuster."

Mit den neurobiologischen Zusammenhängen von Training, Stress und Spiritualität befasst sich der Neurowissenschaftler Stefan Schneider von der DSHS Köln. Die Stresswahrnehmung entsteht im vordersten Hirnareal, dem präfrontalen Kortex. Als entwicklungsgeschichtlich jüngster Teil des Gehirns verarbeitet der Vorderlappen permanent Milliarden von Informationen und filtert die relevanten Daten aus. Erst das ermöglicht rationales Handeln.

Das Problem: Wenn die Reize überhand nehmen, verstopfen sie den Vorderlappen - wie den Prozessor eines Rechners, auf dem zu viele Programme geöffnet sind. "Wir fühlen uns überfordert, geraten in Stress", erklärt Schneider. "Das archaische Reaktionsmuster ist Bewegung: Wir wollen weglaufen oder werden aggressiv - stattdessen kanalisieren wir den Stress nicht mehr, sondern fressen ihn in uns rein."

Im EEG konnte Schneider zeigen, dass sich die elektrische Aktivität im Frontalkortex durch Sport deutlich herabsetzen lässt. "Bei höheren Belastungen dominiert dagegen der Motorkortex, der die Bewegungen steuert", sagt Schneider. "Dem Vorderlappen stehen dadurch weniger Ressourcen zur Verfügung, und die Aktivität wird heruntergefahren. Der Stress verfliegt."

Auch die Bildung von Testosteron springt bei anstrengendem Training an. Das Sexualhormon wirkt sich direkt auf die Psyche aus: Männer etwa, deren Testosteronproduktion nach einer Krebserkrankung der Prostata geblockt werden muss, droht eine Depression. Leicht erhöhte Testosteronspiegel können dagegen zu einer eher forschen und zuversichtlichen Lebenseinstellung führen.

Schneider sieht einen klaren Zusammenhang zwischen dem zunehmenden Mangel an Bewegung und der steigenden Zahl psychischer Störungen. Knapp bringt es der Neurowissenschaftler auf den Punkt: "Nur wer sich körperlich verausgabt, der kann sich hinterher auch entspannen."

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