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Ein Nickerchen auf dem Sofa: So wird im Silicon Valley gearbeitet

Jobs im Silicon Valley Arbeiten in der Oase

Schluss mit Heimarbeit, alle ins Büro. Für ihren Vorstoß erntet Yahoo-Chefin Marissa Mayer Kritik im Silicon Valley. Warum eigentlich? Die Unternehmen im Tech-Eldorado bieten ein Jobumfeld, von dem viele nur träumen können. Für manchen Angestellten ist die Firma schon längst das Zuhause.
Von Jochen A. Siegle

Eine ausrangierte Gewerbehalle mit dem rohen Charme unverputzter Ziegelsteinwände. Spartanisch, kahl. Vereinzelt ein paar Steh-Schreibtische, die fast verloren wirken mit ihren flexiblen Monitor- und Laptop-Ständern. An der Wand sechs Uhren mit verschiedenen Zeitzonen. Nicht "New York", "Tokyo" oder "London" steht darunter, sondern "Hill Valley", "Metropolis", "Arkham" - und "Somewhere".

Das Signal ist deutlich: Hier rotieren nicht nur die Zeiger der klassischen Analog-Uhren. Hier will man am großen Rad drehen. Und "irgendwo" ist man hier ganz sicher nicht, sondern mitten drin in San Franciscos Mission District. Das Viertel ist längst ein Zentrum der Hipsters geworden. Cafés, kleine Restaurants, Klamottenläden, daneben die typischen, vollgestopften Shops und Taco-Buden der hispanischen Einwanderer. Kreative Köpfe wie die von cir.ca  haben die Lage für sich entdeckt.

Das Internetmedien-Start-up mit seinen hippen Twentysomethings mit Geek-Shirts und Tattoos findet sich so quasi an der Nordfront des Silicon Valley und bietet seinen Mitarbeitern einiges, damit sie frisch und motiviert die nächste bahnbrechende Web-Anwendung ausbrüten. Hier arbeiten sie mit Laptop, Buntstift und Chai, entspannt, verspielt, gehätschelt.

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Google London: Die wunderbare Welt der Suchmaschinisten

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Man kennt das von jungen Silicon-Valley-Firmen, wo der Arbeitsplatz zur Wohlfühloase aufgemotzt ist, zum Fitnesscenter, zum Nobelrestaurant, zur Spielwiese. Wo man sich mit Kollegen in Relax-Zonen austauscht, Tischtennis spielt und Meetings auf lauschigen Sofas, Bean Bags oder Bierbank-esquen Sitzgruppen abhält. Wo man nicht Mitarbeiter ist, sondern etwa "Googler".

Schöne neue Arbeitswelt. Will denn da überhaupt noch einer "tele-arbeiten", einsam zu Hause, wo man selbst verantwortlich ist für richtiges Sitzen, Essen, Arbeiten und fürs anregende Umfeld zur Produktivitätssteigerung?

Genau darüber debattiert dieser Tage das Valley. Angestoßen durch Marissa Mayer, der neuen Yahoo-Chefin, die auf mehr Präsenzzeiten pochen und ihre Mitarbeiter wieder enger an die Schreibtische des Internetkonzerns bringen will.

Gerade hier im Silicon Valley, der Geburtsstätte von Pionieren wie HP und Cisco, Apple und Ebay, aber auch von Desk-Sharing, flexiblen Arbeitszeitmodellen und Tele Working, ausgerechnet hier soll das Home-Office Schnee von gestern werden? Direkte Kommunikation statt Skype? Eine Renaissance der Büroarbeit? Weniger Flexibilität? Mehr Kontrolle? Ein Rückschritt? Oder mehr Wir-Gefühl? "Ein Yahoo", sagt Mayer.

Barack Obama auf der Dachterrasse

Die Managerin erntet für ihren Vorstoß im Tech-Delta viel Kritik, wird als Kontrollfreak getadelt. Das mutet etwas seltsam an. Zumal die Arbeitsbedingungen in den Büros der vorpreschenden Web-Companys geradezu traumhaft erscheinen.

Man darf nicht vergessen: Die 37-jährige Unternehmenslenkerin will den angeschlagenen Online-Dino wieder auf Kurs bringen - und kommt von Google. Das Büroleben dort ist attraktiv, der Suchmaschinen-Primus boomt. Die Geschichten von Sushi und Veganer-Götterspeise, Gratis-Wäschereien und Massagestühlen auf dem Firmencampus sind legendär und euphorisierend.

Davon konnte sich letzte Woche auch eine Delegation deutscher Chefredakteure überzeugen. "Sehr inspirierend ist dieses Arbeitsumfeld - und sehr weit weg von deutscher Bürokultur", so der Tenor der Kollegen nach Besuchen bei zahlreichen Branchenvorreitern.

Twitter empfängt in der neuen Zentrale an der Market Street in San Francisco mit Bambus und gelben Blumen. Neben der lichtdurchfluteten Kantine liegt eine ausladende Dachterrasse mit Twitter-blauen Gartenmöbeln, Outdoor-Sofas und exotischer Botanik. Hier chillen nicht nur die Zwitscher-Vögel, hier empfängt man auch US-Präsident Obama.

Abgeschaut hat man freilich beim Googleplex, der noch immer Maßstäbe setzt. Aber auch beim Facebook-Campus, der mit seinen Grillstellen und Fahrradstationen - zumindest auf den ersten Blick und abgesehen von penetranten Sicherheitskontrollen - den Charme eines sommerlich verspielten Uni-Komplexes versprüht.

Zehn Arbeitsstunden am Tag

In den Facebook-Gängen hängen Schilder mit fetten Lettern: Das Wort "User" ist durchgestrichen, darunter steht "People". Gemeint sind damit auch die Angestellten, die mehr und mehr in den Mittelpunkt rücken - und betüddelt werden. Denn damit können die Unternehmen ihre Mitarbeiter schließlich auch vereinnahmen. Im Valley ist es keinesfalls unüblich, täglich zehn Arbeitsstunden und mehr zu leisten und ständig erreichbar zu sein.

Talentierte Mitarbeiter sind die wichtigste Ressource der "Cutting edge"-Web-Schmieden, die sich einen erbitterten Konkurrenzkampf um kluge Köpfe liefern. Entsprechend müssen ambitionierte Start-ups mitziehen.

Das gilt auch für Storify, einen Entwickler schlauer Apps zum Erstellen von Social-Media-Posts. An den Wänden des Büros hängen Dart-Scheiben und Weltkarten. Im Eingangsbereich stehen "Treadmill"-Desks mit Laufband für Sportbewusste, die etwa während des E-Mail-Schreibens joggen wollen. Hinter einem offenen Besprechungszimmer mit Glasfront macht ein Mitarbeiter in schwarzem Hoodie ein Nickerchen auf einer roten Couch - während CEO und Firmengründer Besucher durch die Räume führen.

Das Büro als Oase - ohne lästige Sandkörner

Ähnlich unorthodoxes Treiben zeigt sich bei AirBnB, derzeit wohl eine der angesagtesten Web-Companys im Hightech-Tal überhaupt. Das "Global Headquarter" der auf die Vermittlung privater Unterkünfte spezialisierten Firma wirkt verspielter als alles bislang Bekannte, die Angestellten noch jünger und trendbewusster. Meeting-Räume sind attraktiven Locations aus dem AirBnB-Angebot in aller Welt nachempfunden, die Seitenwand eines ausrangierten Passagierflugzeugs dient als Raumteiler.

Für Mayers Vorstoß hat man hier kaum Verständnis. Präsenzzwang ist kein Thema, versichert eine AirBnB-Vertreterin. Aber dennoch sei es wichtig, dass sich alle im Office wohlfühlen. Das "spielerisches Miteinander" wird unterstützt von täglichen Frühstücks-, Lunch- und Abendessenangeboten - ökologisch korrekt und gesundheitsbewusst, versteht sich. Immer freitags bittet man zur Happy Hour.

Die Grenzen zwischen Privatem und Arbeit werden damit immer weiter aufgelöst, die Produktionsstätte zur Lifestyle-Zentrale umgemodelt. Man muss nicht am Strand hocken, wenn das Büro die Oase ist, ohne lästige Sandkörner zwischen den Tasten, die das Programmieren erschweren - das scheint das Mantra der nordkalifornischen Aufsteiger, die damit ihre Mitarbeiter so lange wie möglich am Arbeitsplatz halten wollen.

Selbstredend ist das im Interesse der Unternehmen - und damit auch einer Yahoo-Chefin.

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