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Start-up-Pioniere Wie Gründer an Geld kommen

Geld her! Junge Unternehmen brauchen erst einmal ein Finanzpolster, um durchstarten zu können. Möglichkeiten gibt es viele, ob Business Angel, Private Equity oder Crowdfunding. Der Überblick zeigt, wie Gründer an das Risikokapital privater Geldgeber kommen - und worauf sie dabei achten müssen.
Von Lenz Jacobsen
Gründerparadies: Wer keinen Goldspeicher hat, findet vielleicht einen Business Angel

Gründerparadies: Wer keinen Goldspeicher hat, findet vielleicht einen Business Angel

Foto: Corbis

Einen seiner ersten Geldgeber traf Nils Mahler im Treppenhaus. Er brachte gerade den Müll runter, als er seinem Nachbarn Dennis von Ferenczy begegnete. Der ist selbst Unternehmer, hat den Online-Eventmanager Amiando mit aufgebaut. Und so fragte Mahler ihn spontan um Rat. Die beiden trafen sich zum Bier und sprachen über die Gründungsidee von Nils Mahler und seinem Freund Timo Müller: Lingoking . Eine Online-Plattform, die Dolmetscher und Übersetzungsbedürftige innerhalb von Sekunden und per Telefon zusammenbringt.

Der Gründer und sein Nachbar grübelten auch über Geldquellen, und irgendwann sagte Ferenczy: "Hey, vielleicht investieren einfach wir in euch!" Rund vier Monate später hatte Lingoking 80.000 Euro von ihm und zwei anderen Geldgebern auf dem Konto. Und wenig später konnte das Portal online gehen.

Nicht jeder hat einen spendablen und erfahrenen Finanzier zufällig bei sich im Haus. Für die meisten Gründer ist es die größte Hürde, in der Frühphase an Geld zu kommen. Wenn die staatlichen Fördermöglichkeiten ausgeschöpft sind oder nicht passen, müssen private Kapitalgeber her.

Am leichtesten haben es diejenigen, die sich mit einem bewährten Geschäftskonzept selbständig machen wollen, etwa mit einer Krankengymnastik-Praxis. Wer zusätzlich Sicherheiten vorweisen kann, der bekommt in den meisten Fällen einen Kredit von seiner Bank. Ungleich schwerer haben es diejenigen mit wirklich neuen Ideen.

Denn: "Was die Banken nicht verstehen und kalkulieren können, das finanzieren sie nicht", sagt Klaus Nathusius, der als Dozent für Unternehmensgründung und Frühfinanzierung an mehreren deutschen Unis lehrt und selbst etliche Unternehmen mitgegründet hat. "Für innovative Gründer sind die Wege weiter lang und steinig", sagt Nathusius. Er selbst war einer der ersten in Deutschland, der sich um die Finanzierung dieser Gründer kümmerte, als er Ende der siebziger Jahre die Kapitalbeteiligungsgesellschaft GENES gründete.

Nicht ohne Grund heißt Kapital für innovative Gründer auch Risikokapital: Wenn die Idee scheitert, ist das investierte Geld weg. Um an Risikokapital zu kommen, gibt es vor allem drei Wege: Business Angel, Venture Capital und neuerdings Crowdfunding.

Ein Business Angel ist vor allem für Gründer interessant, die noch nicht viel mehr als eine Idee oder einen Prototyp haben. "Engel" heißen sie, weil sie aus dem Hintergrund helfen und sich kümmern - zum einen mit Geld (erster Flügel), zum anderen mit Erfahrung und Kontakten (zweiter Flügel).

Wie man ein Engel wird

Meist haben sie vorher selbst ein Unternehmen gegründet oder gemanagt, und kennen sich deshalb gut aus. Lingoking-Geldgeber Dennis von Ferenczy ist ein typischer Business Angel. "Der hat uns am Anfang ganz schön den Kopf gewaschen", erinnert sich Mitgründer Timo Müller. Ferenczy überzeugte die Jungunternehmer, nicht nur 30.000 Euro, sondern gleich 80.000 Euro Kapital aufzunehmen, weil er wusste, wie schnell das Geld wieder verbraucht sein würde.

Business Angels sind meist selbst leidenschaftliche Unternehmer, "die deshalb alles dafür tun werden, dass der Start glückt", sagt Nathusius. Sie sind im Idealfall Verbündete der Gründer und kennen auch den Markt und die Branche bereits gut.

Für ihr Kapital und ihre Tipps bekommen die Engel Unternehmensanteile, um so später von Gewinnen oder Verkäufen profitieren zu können. Das Ringen darum, wie groß diese Anteile sind, ist wohl die größte Herausforderung für die Gründer. Denn dafür müssen beide Seiten sich darüber einigen, wie viel das junge Unternehmen eigentlich wert ist.

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Foto: Corbis
Foto: Corbis
Foto: Corbis

Außerdem wollen Miteigentümer auch mitreden, die Gründer können nicht mehr einfach machen, was sie wollen. Bevor man so ein enges Verhältnis eingeht, sollte man sich gut über den Partner informieren und sich auch bei der Vertragsausarbeitung juristische Beratung holen.

Zirka 3000 bis 5000 Business Angels gibt es in Deutschland. Viele von ihnen sind im "Business Angel Netzwerk Deutschland" (BAND) zusammengeschlossen, das suchenden Gründern auch hilft, passende Geldgeber zu finden. Das BAND warnt auch vor Teufeln der Branche, den "Business Devils". "Die versprechen viel und halten wenig und geben kaum Auskünfte über sich selbst", sagt Nathusius. Um ihnen zu entgehen und die für sich passenden Engel zu finden, braucht es Zeit: "Nehmen Sie an Businessplan-Wettbewerben teil, gehen Sie zu Branchentreffen, knüpfen Sie Kontakte", rät der Finanzierungsexperte.

Die meisten "Engel" vergeben eher kleine Summen, einige zehntausend Euro meist. Wer mehr will, muss eine Liga weiter oben anklopfen. Venture Capital (Risikokapital) wird von Fonds ("Venture Capitalists", kurz: VCs) vergeben, die damit das Geld ihrer risikofreudigen Anleger vermehren wollen. "Die VCs steigen meist erst bei Millionenbeträgen ein", erklärt Experte Nathusius. Deshalb sind sie vor allem für Jungunternehmer interessant, die die ersten Schritte in den Markt schon hinter sich haben und nun richtig groß werden wollen.

Frisches Geld von der Heuschrecke

Ähnlich wie bei den Business Angels gilt Deutschland auch in Sachen Venture Capital noch als Entwicklungsland. Nur wenige Fonds können richtig große Summen stemmen. Laut Statistik des Bundesverbands deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften sammelten die Fonds 2011 für Start-ups knapp 600 Millionen Euro ein.

Zum Vergleich: In den USA waren es 2010 mehr als zwölf Milliarden Dollar (9,3 Mrd. Euro), zu Zeiten des New-Economy-Booms im Jahr 2000 sogar 104,7 Milliarden Dollar (80,4 Mrd. Euro). Experten sprechen deshalb seit Jahren von einer "Finanzierungslücke" in Deutschland, und Nathusius klingt ein wenig resigniert, wenn er sagt: "Wir Deutschen sind nun mal ein risikoaverses Volk."

Die Risikokapital-Fonds müssen möglichst hohe Renditen erzielen, und ihre Manager werden daran gemessen, wie geschickt und effektiv sie das Risikokapital einsetzen. Geht es bei den Business Angels neben dem Geld um die persönliche Bindung, zielen die VCs ausschließlich auf Rendite ab. Auch deshalb haftet der Branche immer noch der Spitzname "Heuschrecken" an, den ihnen Ex-SPD-Parteichef Franz Müntefering einst verpasst hatte. Ohne Verhandlungsgeschick und juristische Beratung sollte kein Gründer einen Deal mit ihnen eingehen, rät Experte Nathusius.

Wir gründen, der Schwarm zahlt

Vergleichsweise jung ist dagegen das Konzept des Crowdfunding (Schwarmfinanzierung). Diese Finanzierungsform kommt aus den USA; die Internet-Plattform Kickstarter  hat sie groß gemacht, insbesondere für Kultur- und Medienprojekte.

Seit einigen Monaten aber bieten sich auch für Gründer in Deutschland ähnliche Finanzierungschancen. Das Prinzip: Über Websites wie Seedmatch  oder Innovestment  können die Gründer sich und ihr Geschäftskonzept vorstellen, und Nutzer können dann Unternehmensanteile kaufen, wenn ihnen die Idee gefällt. Schon ab 250 Euro sind Investoren dabei.

Auf diesem Weg haben auch die Gründer von Lingoking weitere 100.000 Euro eingetrieben, als das Geld ihrer Business Angels zur Neige ging - innerhalb von wenigen Stunden. "Das war unglaublich, wie schnell das ging", sagt Timo Müller. 142 Kleinanleger halten seitdem Anteile an Lingoking, frühestens Ende 2015 müssen sie ausbezahlt werden.

Das Gute aus Unternehmersicht: Die Schwarmfinanzierer reden nicht rein, weil sie nur stille Teilhaber sind, also kein Stimmrecht haben. Stattdessen helfen sie mit Tipps und Kontakten weiter, und oft sind sie die ersten und besten Kunden der Gründer.

Mittlerweile 16 Startups haben in Deutschland schon erfolgreich solche Crowdfunding-Plattformen genutzt. Die gesamte Branche beobachtet zurzeit gespannt, ob das Geld des "Schwarms" helfen kann, damit risikofreudige Gründer wie das Lingoking-Team langfristig Erfolg haben.