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"Iron Sky": Böser brauner Mann im Mond

Foto: Polyband

Berlinale-Trash "Iron Sky" Nazis im Weltall

Wir schreiben das Jahr 2018: Auf der dunklen Seite des Mondes treibt eine Gruppe Nazis ihr Unwesen, die per "Meteorblitzkrieg" den Planeten Erde attackiert. "Iron Sky" ist der wohl durchgeknallteste Film der Berlinale - und bietet ganz großes Trash-Vergnügen.

So wie die Spezies Mensch erst spät in Häusern unterkam und vorher in Höhlen hauste, nistete auch die Spezies Nerd lange vor dem Internet in einem anderen Lebensraum: im Kino. Dort trieben die Exemplare dieser merkwürdigen, lichtscheuen Gattung, die heute die wirtschaftliche und kulturelle Weltmacht erobert hat, in einer frühen, heiteren Entwicklungsphase die absonderlichsten Scherze. Die Kino-Nerds beeumelten sich über endlose mitternächtliche Wiederaufführungen von Filmen der Sorte "Harold and Maude" oder "Tommy", vor allem aber feierten sie den gnadenlosen Nonsens zum Beispiel der Komikertruppe Monty Python ("Das Leben des Brian") und der Spaßfabrik Zucker/Abraham/Zucker ("Die nackte Kanone") - und brachten eine Begeisterung für cleveren, anspielungsverliebten Klamauk auf, den man im Kino heutzutage manchmal vermissen kann.

Insofern ist es ein echtes Freudenfest, dass auf der Berlinale am Samstagabend als "Special" in der Reihe Panorama der Film "Iron Sky - Wir kommen in Frieden" präsentiert wurde, der eine überdrehte (und wunderbar blöde) Symbiose ist aus der nerdigen Schwarmintelligenz des Internets und dem Geist der cineastischen Spaßguerilla alten Schlags. Es geht um Nazi-Punks im Weltall. "Iron Sky" beginnt damit, dass eine amerikanische Raumkapsel auf dem Mond aufschlägt und die beiden aussteigenden Astronauten eine grausige Entdeckung machen: Auf der dunklen Seite des Trabanten befindet sich eine riesige Nazi-Kolonie.

Böse Nazi-Soldaten mit übers Gesicht geschnallten Gasmasken bringen denn auch einen der beiden Astronauten gleich auf der Stelle um, der andere aber, ein Afroamerikaner namens James Washington (sehr cool: Christopher Kirby) wird gefangengenommen und abgeführt in die hakenkreuzförmige Burg, in der die im Jahr 1945 kurz vor Kriegsende auf den Mond geflüchteten Deutschen einen zackig durchorganisierten Miniaturstaat samt einem Führer namens Wolfgang (Udo Kier - wer sonst?) unterhalten.

Finanzierung per Crowdfunding

"Iron Sky", der am 4. April in den deutschen Kinos anläuft, ist ein Werk des Finnen Timo Vuorensola und seiner Kumpane aus einer Filmertruppe namens Energia Productions. Sie haben mit ihren "Star Wreck"-Parodien Hunderttausende von YouTube-Zuschauern begeistert. "Star Wreck" macht praktisch auf international verständlichem Niveau das, womit Bully Herbigs Werk "(T)Raumschiff Surprise" auf dem deutschen Humor-Binnenmarkt abräumte - und fand offenbar Fans in aller Welt.

Das Geld für die rund 7,5 Millionen Euro teure "Iron Sky"-Produktion jedenfalls kam nicht bloß von Förderanstalten aus diverser Herren Länder, besonders viel aus dem deutschen Bundesland Hessen; das Budget wurde zum Teil auch im Internet per Crowdfunding eingesammelt. Angeblich knapp eine Million Euro hat man von Fans im Netz akquiriert, die Geldgeber werden zum Teil wohl auch von einem möglichen Gewinn des Films profitieren, zudem durften sie ihre Drehbuch-Ideen beisteuern.

Ob es daran liegt, dass "Iron Sky" tatsächlich nur so strotzt von intelligenten, absurden, saublöden Einfällen? Man sieht eine in den Mondstaub gegrabene unterirdische Militärbasis namens "Schwarze Sonne", in der Götz Otto den zähneknirschenden Führer-Kronprinzen spielt, Tilo Prückner einen verrückten Professor wie aus "Zurück in die Zukunft" und Julia Dietze, manchen bekannt aus Til Schweigers "1 1/2 Ritter", ein sehr blondes Lehrerinnenmädel mit Herz. Am Anfang indoktriniert die Frau noch brav gescheitelte Nazi-Schüler, indem sie ihnen aus Charlie Chaplins "Der große Diktator" nur die eine Szene vorspielt, in welcher der Irre mit dem Bürstenschnauzbart die Weltkugel jongliert, nach dem Trip auf den Planeten Erde aber wird sie zur eigentlichen Weltretterin.

Palin-Verschnitt als US-Präsidentin

Dort herrscht im Weißen Haus - der Film spielt im Jahr 2018 - eine US-Präsidentin, die exakt so aussieht wie Sarah Palin (na ja, doch eine Spur schlauer). Die Präsidentin jubelt darüber, dass sie endlich in einen Krieg ziehen darf, ernennt ihre sexsüchtige Wahlkampfmanagerin (Kym Jackson) zur Weltraumflottenadmiralin und quietscht vor Vergnügen über die nun anhebende wilde Ballerei im All, die Roland Emmerich vermutlich ganz marsmännchengrün werden lässt vor Neid.

So sieht man auf der Berlinale, diesem strengen, ehrgeizigen, stets politisch engagierten Filmfestival, also einen Film, der sehr entschieden ein Werk der rücksichtslosen Unterhaltung ist und der schieren Narretei. Denn selbst wenn die Quatschmaschine in "Iron Sky" manchmal ein bisschen untertourig läuft, sind der Regisseur und die Darsteller auf eine Weise beherzt bei der Sache, die umwerfend ist.

Wären hier deutsche Filmemacher am Werk, müsste man sich bestimmt schlimme Sorgen machen, wie krank und bedenklich das denn sei, dass derartiger Schabernack getrieben wird mit der braunen deutschen Vergangenheit. Tatsächlich finden sich im Internet auch Seiten, auf denen Rechtsradikale versuchen, "Iron Sky" für ihre trüben Zwecke einzuspannen.

Was wohl vor allem beweist, dass die stumpfen Rechten die Mission dieses Films nicht verstanden haben: Hier werden Finnen, Nordkoreaner, Deutsche und Amerikaner gleichermaßen als Spottkreaturen verhöhnt zu dem einzigen Zweck, uns Respekt abzunötigen vor der anarchistisch-humoristischen Überlegenheit eines eigensinnigen nordeuropäischen Menschenschlags. Niemand spinnt irrer, als die Finnen spinnen!

Im Berlinale-Programm heißt es ein bisschen hochtrabend, "Iron Sky" sei "atemberaubende Concept Art", die den "Kriterien der überreichen Trash-, B-Movie-, Exploitationfilm- und Cheap-Thrill-Kultur" genüge. Vielleicht kann man es ein paar Nummern kleiner sagen. Der Regisseur Timo Vuorensola schafft es auf diesem Filmfestival, selbst die verstocktesten Cineasten und die nüchternsten Moralprediger zum Lachen zu bringen - und selbst jene vollkommen anachronistischen Menschen zu begeistern, denen es in diesem Leben nie und nimmer einfallen wird, sich zur Spezies der Nerds zählen zu wollen.