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Horror-Hit "Don't Breathe" Mucksmäuschenstill - oder mausetot

Drei Jugendliche brechen in ein Haus ein und übertreten damit die Schwelle zu einem rasant eskalierenden Albtraum. Der Horrorthriller "Don't Breathe" stellt behäbige Sommerblockbuster in den Schatten.
Horror-Hit "Don't Breathe": Mucksmäuschenstill - oder mausetot

Horror-Hit "Don't Breathe": Mucksmäuschenstill - oder mausetot

Foto: Sony Pictures

Im Alltag ignoriert man eine knarzende Bodendiele oder dieses schabende Geräusch, das eine kleine Glasscherbe in der Schuhsohle beim Gehen macht.

Nicht so in "Don't Breathe", denn der Überraschungserfolg von Regisseur und Autor Fede Alavarez erhebt Leisetreterei zum Überlebensprinzip: Jeder Laut kann tödlich sein für die drei Jugendlichen, die in Alvarez' beeindruckendem Balanceakt zwischen Horror und Thriller das falsche Haus für einen Einbruch wählen. Einmal drinnen, gibt es für das Trio keinen Ausweg, dafür aber klug auf das Wesentliche verdichtetes Grauen und einen formidablen Gegner mit Heimvorteil, der zudem mehr als ein Geheimnis verbirgt.

Das haben sich Roxanne, genannt Rocky (Jane Levy), Money (Daniel Zovatto) und Alex (Dylan Minnette) indes ganz anders vorgestellt. Schon öfter sind die drei Freunde in ihrer Heimatstadt Detroit in Wohnungen eingestiegen. Bislang bewusst im kleinen Stil, um strafrechtlich nicht als Schwerkriminelle belangt zu werden. Doch mit der bescheidenen Ausbeute lässt sich kein neues Leben finanzieren, und nach dem sehnt sich vor allem Rocky. Sie will häusliches Elend und den Missbrauch durch ihre alkoholkranke Mutter hinter sich lassen und mit ihrer kleinen Schwester nach Kalifornien fliehen.

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"Don't Breathe": Pst, dieser Film ist ein Geheimtipp!

Foto: Sony Pictures

Dazu braucht es Geld, und das verspricht ein Wohnhaus in einer ansonsten entvölkerten Straße der dahinsiechenden Industriemetropole. Darin soll ein alleinstehender Veteran des ersten Golfkriegs mindestens 300.000 Dollar horten, die er nach dem Unfalltod seiner Tochter als Schadensersatz erhalten hat.

Als Rocky und die Jungs das Objekt ihrer Begierden tagsüber observieren, bemerken sie, dass der Mann (Stephen Lang) blind ist. Aber kurzzeitig aufkommende Skrupel, einen Versehrten zu bestehlen, halten sie ebenso wenig auf wie vergitterte Fenster, eine Alarmanlage oder der große Rottweiler auf dem Grundstück. In der darauffolgenden Nacht dringen sie in das Haus des Mannes ein und übertreten damit nichtahnend die Schwelle zu einem rasant eskalierenden Albtraum.

Bitterböses Versteckspiel

Nur wenige Szenen braucht es, um die sparsam, aber sympathisch umrissenen Teen-Delinquenten in die Bredouille zu bringen. Denn wie sich schnell und drastisch offenbart, ist der blinde Mann ohne Namen mitnichten hilflos. So stellt sich bald die Frage, wer in dem verwinkelten und verbarrikadierten Eigenheim eigentlich Opfer und wer Täter ist. Aber auch wenn sich Moral und Parteinahme im Verlauf eines nervenzerrenden Duells zwischen Keller und Dachboden bisweilen überraschend verschieben, eins ist gewiss: Beim bitterbösen Versteckspiel mit dem blinden Mann muss mucksmäuschenstill sein, wer nicht mausetot enden will.

Reizvoll variiert "Don't Breathe" den Genrestandard der Home Invasion, indem es hier die sonst schützenswerte häusliche Festung zum Hort des Unheils und die Eindringlinge zu unfreiwilligen Helden macht. In knapp unter neunzig Minuten Laufzeit demonstriert der Film dabei mit unnachgiebiger Intensität, wie wenig Raum, Personal und Mittel es für effektiven Schrecken braucht.

Wie schon bei seinem gelungenen "Evil Dead"-Remake hat Alvarez das Drehbuch gemeinsam mit Co-Autor Rodo Sayagues verfasst. Nun gibt es im Gegensatz zum übernatürlichen Hüttenhorror in diesem urbanen, ganz diesseitigen Schauerstück keine Walddämonen oder Fontänen von Körperflüssigkeiten: Der Horror von "Don't Breathe" gründet trotz bizarrer Wendungen in einer plausiblen Erzählung. Gewalt ist darin immer grausam menschlicher Natur, und Blut fließt eher wenig, aber dafür mit schockierender Wirkung.

Gleichsam beredt ist die Wahl Detroits als Schauplatz - auch wenn die Studioaufnahmen des Films in Ungarn gedreht wurden. Amerikas lebendigste Geisterstadt stellt damit nach Jim Jarmuschs Vampirballade "Only Lovers Left Alive" und David Robert Mitchells grandiosem "It Follows" erneut die Kulisse für eine gegenwärtige Schauergeschichte, wobei die trostlosen Brachen auch glaubhaft die Motivation der jungen Einbrecher illustrieren, diesem Ort unbedingt entkommen zu wollen.

Angst machen, ohne Atempause zelebriert

Um Bewegung und Flucht geht es auch in den luziden Bildern von Kameramann Pedro Luque, der rastlos das Haus des blinden Mannes durchmisst und so die räumlichen Gegebenheiten nachvollziehbar macht. Was entscheidend zur anhaltenden Spannung des Films beiträgt, da das Publikum trotz Dramatik des Geschehens nie den Überblick verliert.

Gelegentlich erinnern Luques elegante Fahrten an Sequenzen aus Survival Horror Games, etwa wenn wieder eine verschlossene Tür ins Auge fällt oder ein später für die Handlung noch wichtiger Gegenstand in den Fokus rückt. Doch es ist ein weiteres Verdienst von "Don't Breathe", dass nicht spielmechanische Elemente im Zentrum der Erzählung stehen, sondern die menschlichen Protagonisten.

Der von Stephen Lang verkörperte "Blinde Mann" ist fraglos eine faszinierende, dabei absolut furchteinflößende Figur und sicher ein Gewinn für das Genre. Tatsächlich aber gehört der Film Jane Levy, die sich schon in Alvarez' "Evil Dead" kompromisslos durch ein Höllenszenario kämpfte. Nicht nur hat ihre Rocky Nehmerqualitäten wie der boxende Namensverwandte, ihre innere Zerrissenheit macht sie zu einer anrührenden und widerständigen Heldin.

Die will man als Zuschauer trotz eigener, immenser Furcht auf keinen Fall im Stich lassen. Was wohl das schönste Kompliment für diesen Film ist, der das Angst machen hart, smart und ohne Atempause zelebriert.

Im Video: Der Trailer zu "Don't Breathe"

"Don't Breathe"

USA 2016

Regie: Fede Alvarez

Drehbuch: Fede Alvarez, Rodo Sayagues

Darsteller: Stephen Lang, Jane Levy, Dylan Minnette

Verleih: Sony Pictures Germany

Länge: 88 Minuten

FSK: ab 16 Jahren

Start: 8. September 2016